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Pluta

© dpa

Märklin: "Wir hängen auch bei Arcandor drin"

Der Insolvenzverwalter von Märklin, Michael Pluta, über die Suche nach Investoren und die Risiken für Anleger.

Herr Pluta, wie geht’s Märklin?



Ich bin sehr zufrieden, wir sind im Plan. Wir haben einen normalen Auftragseingang, und wir werden in diesem Jahr schwarze Zahlen schreiben – wenn man die insolvenzbedingten Kosten etwa für Sozialpläne und Abfindungen abzieht.

Also wird es Märklin Weihnachten noch geben?

Ja, selbstverständlich.

Und die Ersatzteile auch?

Natürlich. In Deutschland gibt es den Irrglauben, dass die Insolvenz das Ende bedeutet. Das ist Unsinn, aber man kriegt das aus den Köpfen nicht raus. Dabei haben wir in Deutschland das beste Insolvenzrecht von ganz Europa.

Wie lange könnte Märklin noch in der Insolvenz bleiben? Die Mitarbeiter bekommen ja kein Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit mehr.


Theoretisch ewig. Die Gehälter für unsere Mitarbeiter verdienen wir jetzt selbst, also gibt es keinen unmittelbaren Handlungsdruck. Aber das ist natürlich nicht das Ziel. Wir suchen einen Käufer.

Wieso können Sie mit dem Bau von Modelleisenbahnen Geld verdienen, während die früheren Eigentümer jahrelang Verluste gemacht haben?

Zu den früheren Eigentümern möchte ich mich nicht äußern. Ich sag Ihnen aber mal, was wir gemacht haben. Wir haben zwar auch Stellen bei unseren Mitarbeitern gestrichen, aber wir haben vor allem in der Spitze abgebaut. Sie kennen doch den Spruch von den vielen Köchen. Wir haben jetzt nur noch einen Chefkoch, den Dr. Seitzinger, und sechs Hilfsköche in der Führung. Die leiten das Unternehmen. Vorher waren es drei Geschäftsführer und 14 Leute. Und die ganze Gruppe bekommt nur noch dann einen Bonus, wenn die Firma insgesamt einen Gewinn macht. Sonst nicht.

War das früher anders?


Früher gab es Bonuszahlungen für alles Mögliche, nur nicht für den Gewinn. Es gab etwa Geld für die Planerreichung, wenn man genügend produziert hat, oder fürs Durchhalten. Ich habe den Eindruck, dass wir jetzt eine sehr gute Mannschaft haben. Alle bis auf Dr. Seitzinger und mich kommen aus dem Unternehmen, die kämpfen jetzt für die Weiterentwicklung der Firma.

Hat Märklin Kunden durch die Insolvenz verloren?


Nein, niemand ist abgesprungen. Wir haben jetzt auch wieder einen großen Auftrag von Aldi für das Weihnachtsgeschäft bekommen.

Angeblich soll es sieben Investoren geben, die sich für Märklin interessieren. Jetzt haben Sie die Investmentbank Close Brothers damit beauftragt, noch weitere mögliche Investoren anzusprechen. Sind Ihnen sieben nicht genug?

Ich möchte mir später nicht den Vorwurf anhören, dass der Prozess nicht professionell genug war. Daher beschäftigen wir einen Investmentbanker, der wie ein Makler die Investorensuche betreut. Das ist auch ein Zeit- und Mengenproblem.

Für wen?


Für jeden Investor braucht man mindestens eine Woche, dann benötigt jeder der möglichen Investoren noch zwei Wochen, um die Unterlagen mit seinem Wirtschaftsprüfer durchzugehen. Wenn wir das allein machen, können wir unseren Zeitplan nie einhalten.

Wie sieht der aus?


Ich wünsche mir, Märklin im August oder September verkaufen zu können. Aber wenn nicht, ist das auch nicht schlimm. Dann wird es halt Februar oder März.

Rechnen Sie mit weiteren Investoren über die sieben bereits vorhandenen hinaus?


Ich erwarte nicht, dass noch 100 Interessenten dazu kommen. Vielleicht werden es noch ein paar, aber wir wollen den Prozess möglichst professionell begleiten. Die Investmentbank soll mögliche Investoren gezielt ansprechen – auch im Ausland. Bisher haben wir das nicht getan. Das Ganze dauert bestimmt noch zwei bis drei Monate.

Woher kommen die sieben Investoren?


Zu den derzeitigen Investoren äußern wir uns nicht.

Würden Sie Märklin auch wieder an einen Finanzinvestor verkaufen, nachdem der frühere Eigentümer Kingsbridge das Unternehmen in die Insolvenz getrieben hat?

Ich will Märklin nur an jemanden verkaufen, der dauerhaft dabeibleiben will. Und der Entwicklungsmöglichkeiten für das Unternehmen aufzeigt. Das kann nicht ein Finanzinvestor sein, der nach drei Jahren wieder aussteigt. Geld wird bei der Auswahl des Käufers nicht alles sein.

Kann man das vertraglich festlegen?


Nein, aber man merkt den Interessenten schon an, was sie vorhaben.

Es gibt eine „Initiative Märklinhilfe“ – Fans, die Geld für eine Übernahme von Märklin sammeln …

Da muss man sich fragen: Cui bono?

Wem nutzt es?

Es gibt viele Frauen, die jetzt bei uns anrufen und fragen, ob sie ihrem Mann zu Weihnachten einen Anteilsschein schenken sollen und ob uns das nützt. Ich sage dann, wenn Sie Ihrem Mann und uns eine Freude machen wollen, kaufen Sie ihm lieber eine Lokomotive. Das ist das Erste. Das Zweite: Märklin ist unser Name. Und der Slogan „Rettet Märklin“ passt mir auch nicht. Wir brauchen keine Spenden. Märklin ist gerettet. Außerdem kann die Investition für die, die mitmachen, nach hinten los gehen.

Warum?

Angenommen, bei der „Märklinhilfe“ kommen 100 Millionen Euro zusammen, aber wir verkaufen dann trotzdem an einen anderen, dann bekommen die Einzahler nicht ihre 100 Prozent zurück, sondern einen viel geringeren Teil. Das Minus kann zwischen zehn und 15 Prozent liegen. Da frage ich mich, wer hat die anderen zehn bis 15 Millionen Euro? Märklin sicherlich nicht.

Löst eine Insolvenz automatisch weitere Pleiten aus?


Wenn die Forderungsausfälle entsprechend hoch sind, ja. Nehmen Sie Arcandor. Da hängt Märklin auch mit 400 000 Euro drin, aber wir sind versichert und bekommen daher unser Geld. Wenn man keine Versicherung hat, kann man schon Probleme bekommen. Oder wenn Kunden in die Insolvenz gehen, dann brechen die Aufträge weg. Die Wirtschaftskrise führt dazu, dass nur die besten und kapitalkräftigsten Firmen durchhalten.

Wenn sich die Insolvenzen häufen, wird es dann für die Insolvenzverwalter schwieriger, Investoren zu finden?


So ist das. Die Investoren haben eine größere Auswahl. Für die Insolvenzverwalter ist eine ausgeglichene Konjunktur besser. Früher hatten wir Unternehmen ein halbes Jahr in unserer Verwaltung, heute sind es ein bis fünf Jahre. Das Maximale, was ich hatte, waren sieben Jahre – das war eine Maschinenfabrik, die wir dann leider einstellen mussten.

Können Insolvenzverwalter zu Beginn der Insolvenz absehen, ob das Unternehmen eine Chance hat?


Häufig kann man das zu Beginn nicht absehen. Manchmal sagen wir, diese Firma können wir nicht verkaufen, und dann geht es doch. Im Softwarebereich und bei Erfindungen werden sogar zum Teil horrende Preise bezahlt.

Wie wichtig ist der Insolvenzverwalter für die Frage, ob eine Pleitefirma überlebt?

Der Verwalter ist die Schicksalsfigur der Insolvenz. An ihm hängt alles.

Werden gute Insolvenzverwalter knapp?


Nein. Auch wenn man bereits ein großes Mandat übernommen hat, hat man noch Kapazitäten. Wir arbeiten parallel an mehreren Verfahren. In unserer Kanzlei gibt es 230 Mitarbeiter. Für Märklin hatte ich anfangs acht eingesetzt, jetzt sind es noch drei. Man muss sehen, dass man sein Personal zurückfährt, damit das Unternehmen allmählich wieder aus eigener Kraft wirtschaften kann.

Das Interview führte Heike Jahberg.

Zur Person

DER VERWALTER

Michael Pluta (59) ist vereidigter Buchprüfer und Fachanwalt für Insolvenzrecht. Seine Kanzlei hat Standorte in 21 deutschen Städten, darüber hinaus gibt es noch Büros in Italien und Spanien.

MÄRKLIN

Firmengründer Theodor Friedrich Wilhelm Märklin hatte 1859 zunächst Puppenküchen gebaut. Heute ist Märklin mit einem Jahresumsatz von rund 120 Millionen Euro Europas größter Modellbahnhersteller. 2006 wurde das Familienunternehmen von den Finanzinvestoren Kingsbridge und Goldman Sachs vor der Pleite gerettet. Im Februar dieses Jahres rutschte Märklin endgültig in die Insolvenz.

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