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ZUR PERSON: „Man muss den roten Faden finden“

„Deutschland ist modisch gesehen kein sonniges Land. Anders als Asien oder die USA.“ Escada-Chef Bruno Sälzer über die Wiederbelebung der Luxusmarke, komplizierte Frauenkörper und Mode für den Weltmarkt

DER MODE-MANN

Bruno Sälzer (54) ist seit 2008 Chef des Modeunternehmens Escada. Der promovierte Betriebswirt war zuvor 13 Jahre lang bei Hugo Boss tätig, in den letzten sechs Jahren als Vorstandsvorsitzender. Seine Karriere begann der gebürtige Schwabe bei Beiersdorf im Marketing und Vertrieb sowie bei Schwarzkopf. Sälzer, der als BWL-Student Hochschulmeister in Karate wurde, ist verheiratet und Vater von vier Söhnen.

DAS UNTERNEHMEN

Escada zählt zu den bekanntesten Marken für exklusive Damenmode. 1976 wurde das Unternehmen, das nach einem Rennpferd benannt wurde, in München von dem schwedischen Topmodel Margaretha Ley und ihrem Mann Wolfgang Ley gegründet. 2008 kauften die Tchibo-Erben Michael und Wolfgang Herz zehn Prozent. Sie holten Bruno Sälzer von Boss. Mitte 2009 rutschte Escada in die Insolvenz, wenig später stieg Megha Mittal ein. Escada beschäftigt rund 2000 Mitarbeiter und will 2011 rund 300 Millionen Euro Umsatz machen.

Herr Sälzer, wie ist die neue Kollektion von Escada Sport auf der Fashion Week in Berlin angekommen?

Das Interesse war groß und die Stimmung war sehr gut. Das ist in der Modebranche fürs Erste schon mal positiv. Außerdem waren bei unserer Show viele da, die wichtig sind: Journalisten und neue Kunden – aus der Schweiz, Österreich, aus Spanien und Osteuropa.

Auch Ihre Eigentümerin, Megha Mittal, war in Berlin. Wie ist das eigentlich, als Mann eine Chefin zu haben, die 20 Jahre jünger ist als Sie?

Es hätte schlimmer kommen können. (lacht) Aber im Ernst: In der Modebranche macht es schon lange keinen Unterschied mehr, ob Sie es mit einer Frau oder einem Mann, mit Jüngeren oder Älteren zu tun haben. Der Familie Mittal gehört das Unternehmen – das ist alles.

Die Frauenquote hat Escada also übererfüllt?

Im gesamten Unternehmen sind 80 Prozent Frauen, im Management sind es mehr als die Hälfte.

Megha Mittal stammt aus einer indischen Stahl-Dynastie. Spüren Sie das?

Ich werde manchmal gefragt, ob es einen indischen Einfluss auf unsere Kollektionen gibt. Wenn Mittal einen Autohersteller gekauft hätte, würde man ja auch nicht fragen, ob die Autos indisch aussehen. Die Mittal-Familie investiert sehr professionell und weiß, dass Escada in mehr als 80 Ländern Kunden hat. Da kann man nicht plötzlich mit seinem eigenen Geschmack um die Ecke kommen.

Lakshmi Mittal, der Schwiegervater von Megha Mittal, ist einer der reichsten Männer der Welt. Interessiert er sich für Mode?

Ja, sehr, wir haben uns schon mehrfach getroffen. Die Familie ist sehr unkompliziert. Lakshmi Mittal war mit seiner Frau zum Beispiel bei der Eröffnung unseres neuen Geschäfts in München dabei. Er hat den Abend sehr genossen, ganz ohne Star-Allüren.

Sie sind seit 2008 bei Escada. 2009 ging das Unternehmen pleite. Nach dem Einstieg von Megha Mittal, die Escada für geschätzte 70 Millionen Euro kaufte, ging es aufwärts. Lag es an ihr – oder an Ihnen?

Man denkt in der Mode oft, dass eine einzelne Person für Erfolg oder Misserfolg einer Marke steht. Es ist aber nicht nur eine Person, nicht nur das Geld – am Ende ist es immer das Produkt. Die allermeisten unserer Kundinnen, die übrigens in all den Jahren sehr loyal waren, kennen weder mich noch Frau Mittal. Die wollen ein tolles Produkt haben.

Warum macht Escada nur zehn Prozent des Umsatzes in Deutschland?

Deutschland ist modisch gesehen kein sonniges Land. Anders als Spanien, Asien oder die USA, wo Escada traditionell viel verkauft. Escada ist Farbe, eine eher auffällige Mode. Die neue Art von Mode, die wir heute machen, die leichter, zu allen Anlässen tragbar ist, kommt auch in Deutschland besser an. Wir sind zuletzt hier nach längerer Zeit wieder gewachsen.

Auch, weil sie die Preise gesenkt haben, wie andere Luxuslabels?

Die Branche ist nicht insgesamt mit den Preisen runter. Es sind einige Übertreibungen korrigiert worden, auch bei uns. Bei Escada gehen die Preise von 50 bis 12 000 Euro. Wir haben das Angebot vergleichsweise preiswerter Produktgruppen vergrößert, wie Poloshirts oder Blusen. Die Marke ist heute etwas für jeden Tag.

Vertreiben Sie damit nicht die Stammkundschaft – Frauen um 45 mit hohem Einkommen oder reichem Mann?

Im Luxussegment macht eine Klassifikation nach dem Alter einer Frau keinen Sinn. Wie viele Luxusmarken, macht Escada die Hälfte seines Geschäfts in den 200 wichtigsten Metropolen der Welt. Dort, sagen wir in Manhattan, unterscheidet sich der Lebensstil einer 60-jährigen Escada-Kundin nicht wesentlich von dem einer 30-Jährigen. Wellness, Fitness, Kosmetik, Lifestyle, Restaurants – das spielt bei beiden die gleiche Rolle. Für mich zählt, ob die Kundin modebewusst ist und ob sie ein Budget für Luxus hat.

Ist es so wichtig wie früher, dass Prominente und Stars Escada tragen?

Glamour ist immer wichtig, für Escada genauso wie für Armani und Gucci. Je mehr international bekannte Celebrities wir haben, desto besser.

Vor knapp drei Jahren war Escada pleite. Hat der Kern der Marke in der Insolvenz Schaden genommen?

Klar, aber messbar ist das nicht. Dass sich eine Insolvenz mit Luxus und Glamour nicht verträgt, liegt auf der Hand. Und wenn das Insolvenzverfahren zu lange dauert, wird es schwierig. Bei uns hat es zum Glück nur wenige Wochen gedauert, weil wir Monate vorher schon eine neue Kollektion entworfen hatten, die wir verkaufen konnten, und weil wir ein neues Geschäftsmodell hatten und dabei waren, es umzusetzen. Zum Verhängnis wurden uns die Lehman-Pleite und die Finanzkrise. Escada war noch zu schwach, um mit den alten Schulden zu überleben.

Sie haben Escada einer Radikalkur unterzogen. Die Kollektion wurde verkleinert, Escada beschäftigt keinen teuren Stardesigner mehr, die Preise wurden um durchschnittlich 20 Prozent gesenkt. Wie viel kann eine Luxusmarke verkraften, ohne an Ausstrahlung zu verlieren?

Die Komplexität hat sich im Vergleich zu 2009 halbiert – bei steigenden Stückzahlen. Wir haben damit den Mengeneffekt, den Escada dringend gebraucht hat. Unsere Kundinnen und Mitarbeiter haben aber nicht das Gefühl, dass wir weniger anbieten. Was ist passiert? Ihnen gefällt das einzelne Teil jetzt einfach besser. Sie wissen, warum sie es kaufen. Escada hat ein schärferes Profil als früher.

Stichwort Produktion: Viele Luxushersteller lassen in Asien, vor allem in China schneidern. Escada auch?

Nur etwa drei bis vier Prozent unserer Kollektion werden in China produziert. Luxusmode im oberen Segment und mit Naturprodukten herzustellen, ist nicht trivial. Da spielen räumliche Nähe, Schnelligkeit und Erfahrung eine große Rolle. Außerdem steigen auch in China die Löhne, um 15 Prozent pro Jahr. Deshalb gibt es in unserer Branche eine Bewegung zurück nach Europa. Unsere größte eigene Fertigung liegt in Slowenien mit 350 Beschäftigten, auf die etwa zehn Prozent unserer Produktion entfallen. Lederwaren kommen aus der Türkei, Accessoires aus Italien. Mehr als 80 Prozent der Produktion findet in Europa statt.

Sie waren sechs Jahre lang Chef von Hugo Boss. Ist es leichter, Herrenmode zu verkaufen?

Damenmode ist schwieriger. Sie ist weniger standardisiert, variantenreicher, Frauen sind anspruchsvoller, sie verstehen mehr von Mode, sie haben mehr Marken in ihrem Kopf und sie haben einen komplizierteren Körper. Da kommt eine Menge zusammen. Deshalb ist Frauenmode auch die Königsdisziplin unserer Branche.

Einer Ihrer Vorgänger sagte 2006 im Tagesspiegel-Interview: „Es gibt im Moment keine Anzeichen für negative Überraschungen.“ Drei Jahre später war Escada pleite. Wie unberechenbar ist das Modegeschäft?

Wenn man einmal seinen Stil gefunden hat, wenn man seine Kunden kennt und ein effizientes Geschäftsmodell hat, dann ist das Geschäft relativ stabil und berechenbar. Man muss nur einmal das Richtige gefunden haben, den roten Faden.

Wie ist das erste Halbjahr gelaufen?

Wir liegen im Plan oder darüber. Wir gehen für das Gesamtjahr von einem hohen einstelligen Umsatzwachstum aus und wollen 2011 mehr als 300 Millionen Euro erwirtschaften. Schwarze Zahlen unterm Strich sind weiterhin unser Ziel. Ich bin aber etwas vorsichtig, weil einige unserer größten Märkte – USA, Spanien, Japan – in einer unsicheren Lage sind.

Woher kommt das Wachstum?

Wie bei fast allen anderen auch: aus China. Wir haben dort bereits 50 Geschäfte in 25 Städten. Dieses Jahr werden wir um mehr als 30 Prozent wachsen. Spätestens 2013 sollen es in China 100 Geschäfte sein, etwa 50 eigene und 50 Franchise-Läden. Damit wird China nach den USA der zweitwichtigste Markt für uns. Aber auch auf dem russischen und dem US-Markt wachsen wir. In Russland sind wir schon mit 71 Geschäften in 46 Städten vertreten.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer

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