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Wirtschaft: ''Manager müssen dienen wollen''

Priester Bilgri über Sünden und Ideale

Herr Bilgri, warum ist Gier eine Todsünde?

Der Begriff Todsünde stimmt nicht ganz. Gier, Wollust, Zorn – das sind keine Todsünden, sondern Laster oder sogenannte Wurzelsünden. So heißen sie, weil sie häufig die Ursache der eigentlichen Todsünden wie Mord oder Ehebruch sind. Im schlimmsten Fall führt Gier nämlich dazu, dass einer den anderen umbringt.

Was treibt den Gierigen?

Gier heißt ja eigentlich Habgier, und das sagt, worum es geht: Der gierige Mensch will in erster Linie haben und besitzen. Sein Menschsein hat er in materiellen Gütern verortet, der größte Lustgewinn liegt für ihn darin, sie zu vermehren. Diese Gesinnung beschrieb Erich Fromm in seinem Buch „Haben oder Sein“.

Das klingt wie ein Plädoyer für Bescheidenheit.

Ich möchte nicht sagen, dass Menschen mit dem puren Überleben zufrieden sein sollten, Hartz IV will keiner. Jeder strebt nach Erfolg, und das ist auch gut so, sonst liegt man anderen auf der Tasche.

Wann ist der Punkt erreicht, an dem gesundes Gewinnstreben in Gier umschlägt?

Man muss sich immer fragen, was das Notwendige ist. Und das meine ich im Wortsinn: Was wird meine Not wenden, darum geht es. Die vierte Yacht, die man sich zulegt, wird es ganz sicher nicht tun. Ist man so weit gekommen, liegt die Not ja schon lange nicht mehr im Materiellen. Das zu erkennen, ist nicht leicht. Ich sehe Gier als Fehlhaltung, die sich schon früh bildet.

Und wie kann man seine Gier zügeln?

Andere Menschen sind wichtig. Diejenigen, die Feedback geben und Kritik äußern, die sagen: „Nun ist das Maß voll“, braucht man. Als Manager muss man sie bewusst aufsuchen und immer Kontakt mit der Basis halten. Man darf sich nicht nur mit Seinesgleichen umgeben und nur höchstens mal nach Amerika und die dortigen Managergehälter schauen. Zu oft trifft man solche Herrenallüren bei Managern an. Dabei braucht man an der Spitze Menschen, die dienen wollen.

Eine ungewöhnliche Sichtweise.

Aber so ist es doch. Führt jemand ein Unternehmen, hat er nicht nur eine Position inne, sondern vor allem eine Funktion. Er hat eine Aufgabe zu erfüllen. Und das nicht nur innerhalb des Unternehmens, sondern auch in der Öffentlichkeit.

Wie kann man seine eigene Gier prüfen?

Man muss sich hinterfragen: Bin ich ein Dagobert Duck, der nervös wird, wenn er nicht im Geld schwimmen kann, oder wahre ich mir meine emotionale Unabhängigkeit? Ob ich das Geld beherrsche oder das Geld mich, das ist entscheidend.

Das Gespräch führte Verena Friederike Hasel.

Anselm Bilgri, 1953 geboren, war 30 Jahre lang Benediktinermönch, 1980 wurde er zum Priester geweiht. 2004 verließ er das Kloster und gründete eine Unternehmensberatung.

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