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Managergehälter: Goldener Lebensabend

Deutsche Topmanager können sich auf satte Pensionen freuen. 868.000 Euro erhält allein Eon-Chef Bernotat. Doch die Kritik wächst.

Berlin - Irgendwas läuft schief in diesem Land. „Es gibt Arbeitnehmer, die brauchen zwei Jobs zum Überleben, und Vorstände, die können ihr Gehalt beim besten Willen nicht ausgeben.“ Sagt Thomas Otto, Ressortleiter Mitbestimmung bei der IG Metall. Wie kommt es wohl an bei den inzwischen arbeitslosen Siemensianern in Kamp-Lintfort, wenn ihr früherer Chef Klaus Kleinfeld zum Dienstbeginn beim US-Konzern Alcoa ein Begrüßungsgeld von 8,7 Millionen Dollar kriegt? Und was denken sich die Stromkunden der Stuttgarter EnBW, wenn Vorstandschef Utz Claassen, der mit Mitte vierzig freiwillig die Firma verlässt, nun ein Vorruhestandsgeld von rund 400 000 Euro bekommt? Jedes Jahr. Anschließend, nach Erreichen der Altersgrenze 2026, gibt es die normale Rente. Die beträgt auch 400 000 Euro. Claassen kann sich also so langfristig wie nur eben möglich auf einen stabilen Lebensstandard einrichten – ganz ohne Riester-Rente.

Der IG Metaller Otto sitzt in einer Arbeitsgruppe unter Leitung des DGB-Vorstands Dietmar Hexel, die sich mit Vorstandsvergütungen befasst. Es geht schlicht um Geld. Doch die Vergütungssysteme der Manager, traditionell „äußerst intransparent“, wie Hexel sagt, sind in den vergangenen Jahren zunehmend komplexer geworden. Das Gehalt ist zum Teil fix, zum Teil variabel, mit kurz- und langfristig wirkenden Elementen. Hinzu kommen Regelungen über Abfindungen, Pensionen und jede Menge geldwerte Vorteile, wie zum Beispiel das Hotelzimmer für die Ehefrau oder Dienstwagen auf Lebenszeit. Wer es in den Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft geschafft hat, muss sich keine Sorgen mehr machen und kann sich auf den Ruhestand freuen. Das Unternehmen dagegen muss gewaltig Vorsorge treffen für sein früheres Spitzenpersonal. Bei Daimler-Chrysler zum Beispiel sind 255 Millionen Euro zurückgestellt, um allein die Pensionen der bereits ausgeschiedenen Vorstände zu finanzieren.

„Die Leute werden uralt, das ist das Problem“, sagt der Unternehmensberater und frühere Kienbaum-Geschäftsführer Heinz Evers. Nach der aktuellen Sterbetafel werde nach dem 65. Lebensjahr im Schnitt eine Rentenzahlung über 16 Jahre, also bis 81, veranschlagt. Da die Altersgrenze der meisten Spitzenmanager aber bereits bei 60 liegt, bezieht der Durchschnittsmanager 21 Jahre lang eine Pension. Bei Eon-Chef Wulf Bernotat wären das nach Berechnungen der Böckler- Stiftung insgesamt 18,2 Millionen Euro, 868 000 Euro pro Jahr (siehe Grafik).

Aber brauchen Topmanager, die jedes Jahr Millionen verdienen, noch eine Absicherung fürs Alter? Evers meint Nein. Die Altersvorsorge für Manager sei über Jahrzehnte als „Akt einer wechselseitigen Loyalität“ verstanden worden: Die Führungskräfte bringen sich voll ein, die Firma kümmert sich dafür um eine Altersvorsorge, die den gewohnten Lebensstandard sichert. Doch mit der Durchsetzung des Shareholder-Value-Prinzips seien die Vorstandsbezüge seit Mitte der 90er Jahre „weggelaufen“, sagt Evers. Im Schnitt hätten die Vorstandschefs der 30 Dax-Konzerne in den vergangenen zehn Jahren ihre Vergütung auf fünf Millionen Euro verdreifacht. „Wenn aber einer Millionen verdient, kann er selbst für das Alter vorsorgen“, meint Evers – wie auch DGB-Vorstand Hexel: „Viele Menschen verdienen einen Bruchteil dessen und müssen auch etwas fürs Alter zurücklegen; das kann ja wohl von Großverdienern erst recht erwartet werden.“

Der Gewerkschafter weiß aber auch, dass Arbeitnehmer in der Regel beteiligt sind, wenn die Aufsichtsratspräsidien der Dax-Konzerne mit den Vorständen Gehälter und Pensionen vereinbaren. Die Gewerkschaften hätten aus dem Mannesmann-Debakel gelernt, sagt Hexel. Gemeint ist der ehemalige IG-Metall-Chef Klaus Zwickel, der sich als Mannesmann-Aufsichtsrat nicht gegen die Abfindung von 60 Millionen Mark an den Mannesmann-Vorstandsvorsitzenden Klaus Esser sperrte.

Die öffentliche Diskussion über die Vorstandsgehälter und die zunehmende Veröffentlichungspflicht „hat bewirkt, dass das Thema heute anders behandelt wird als noch vor einigen Jahren“, sagt Hexel. Er möchte nun eine „Änderung einleiten“ und „ab einer gewissen Größenordnung“ des Grundgehalts keine Pensionszahlungen mehr vereinbaren. Wie zum Beispiel bei Sixt. Der Autovermieter sieht die Altersvorsorge als „individuelle Angelegenheit“, die jeder Mitarbeiter selbst und mithilfe des Gehalts regeln soll. „Wir sind als Unternehmen keine Versorgungseinrichtung“, sagt ein Sixt-Sprecher.

Darüber kann sich Jürgen Kurz von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz nur wundern. Wenn es stimme, sei das sicher eine Ausnahme, sagt Kurz. Der Aktionärsvertreter fordert die Offenlegung von „individuellen Anwartschaften“: Wie viel ein Vorstand tatsächlich als Pension bekommt, werde bislang nur in Ausnahmefällen angezeigt. Tatsächlich sind es zehn der 30 Dax-Firmen, die das ausweisen. „Das Gute am Fall Claassen“, so sagte Kurz, „ist die daraus folgende Diskussion.“ Sowohl in der Corporate-Governance-Kommission als auch in der Politik werde über eine weitergehende Veröffentlichungspflicht nachgedacht. Weil „die Absicherungsbedürfnisse der Vorstände schon sehr beeindruckend sind“, wie der IG Metaller Otto sagt. Für Hexel sind die Vorstandsbezüge „eine Frage von Moral und Gerechtigkeit“. Oder anders gesagt: „Kann ein Mann wirklich so viel wert sein?“ Utz Claassen wird die Frage wohl mit Ja beantworten.

Alfons Freese

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