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Teil des Anstoßes: Dieses Plastikteil fand ein Junger Mann aus Brandenburg im Mund - nach einem Biss in eine Scheibe Knäckebrot der Aldi-Marke "Trader Joe's".

© Mike Wolff/Tagesspiegel

Aldi-Marke "Trader Joe's": Mann beißt auf scharfes Plastikteil in Knäckebrot

Ein junger Mann aus Brandenburg hat ein spitzes Stück Plastik im Knäckebrot von Aldi gefunden. Wie es da hineinkam, können Händler und Hersteller nicht erklären - und halten eine Warnung an ihre Kunden für unnötig.

Von Carla Neuhaus

Knäckebrot ist hart, aber so hart? Als Alexander C. aus dem Kreis Teltow-Fläming in Brandenburg vor wenigen Wochen in ein Stück „Trader Joes Knusper Knäcke“ von Aldi beißt, hat er auf einmal nicht nur den Geschmack von Weizen und Käse-Kürbiskern im Mund. Er beißt auf etwas Hartes: ein Stück Plastik. Schwarz ist es, mehr als drei Zentimeter lang, an der einen Seite läuft es spitz zu. Es muss eingebacken gewesen sein. Doch wie bitte kommt ein Stück Plastik ins Knäckebrot?

Die Spurensuche führt zunächst nach Großbeeren, kurz hinter der südlichen Stadtgrenze von Berlin. Dort sitzt die Regionalzentrale von Aldi Nord. Bei dem Discounter hat Familie C. das Knäckebrot gekauft. Es dauert ein paar Tage, dann teilt Aldi mit, den Fall an den Lieferanten weitergeleitet zu haben. Er werde sich direkt beim Kunden melden, heißt es in einer E-Mail. So führt die Spur weiter nach Bayern, in eine kleine Stadt namens Schwabach, wo der Hersteller des Knäckebrots sitzt. Die Dr. Klaus Karg KG ist ein Mittelständler, hervorgegangen aus einer Dorfbäckerei. Neben Brötchen, Torten und Lebkuchen wird in Schwabach seit 2000 auch Knäckebrot produziert – laut Homepage „hochwertiges Feinschmecker-Knäckebrot“. Die Sorte „Käse-Kürbiskern“, in der der Berliner das Stück Plastik gefunden hat, war eine der ersten auf dem Markt. Verkauft wird es sowohl unter der eigenen Marke „Dr. Karg’s“ als unter der Aldi-Billigmarke „Trader Joe’s“.

Per Mail meldet sich ein Herr vom Qualitätsmanagement bei Familie C. Man habe „umgehend den gesamten Herstellungsprozess“ analysiert, um herauszufinden, ob und wie das Stück Plastik ins Knäckebrot gelangt sein könnte. Er versichert, dass das Unternehmen „Rohstoffe höchster Qualität und Reinheit“ verarbeitet. Auch würden geschulte Mitarbeiter die Qualität der Produkte „bei allen Prozessschritten bis hin zum Versand“ überprüfen. Der Manager bittet um Entschuldigung. Noch am selben Tag schickt er ein Päckchen mit Knabberzeug des Unternehmens an die Familie. Mehr passiert jedoch nicht: Es kommt weder zum Rückruf des Knäckebrots noch zu einer Lebensmittelwarnung.

Das Plastikteil aus dem Knäckebrot ist mehr als drei Zentimeter lang. Anbei die Verpackung von "Trader Joe's".

© Mike Wolff/Tagesspiegel

Hat das Unternehmen richtig gehandelt? „Wenn eine Gesundheitsgefahr besteht, ist der Hersteller verpflichtet, das Produkt zurückzurufen“, sagt Nina Banspach vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Das Problem ist nur: Wann genau eine Gesundheitsgefahr besteht, ist Ermessenssache. Der Hersteller ist für die Sicherheit seiner Produkte verantwortlich – geht er von einer Gesundheitsgefahr aus, muss er reagieren. Meldet ein Kunde einen Fremdkörper, muss die Firma also selbst einschätzen, ob andere Kunden gefährdet sein könnten.

Dass der Hersteller des Knäckebrots auf einen Rückruf und eine Lebensmittelwarnung für die betroffene Charge verzichtet hat, hält Silke Schwartau für bedenklich. „Ein drei Zentimeter langes, noch dazu spitzes Stück Plastik kann durchaus gesundheitsgefährdend sein“, sagt die Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. „Schließlich hätte auch ein Kind das Stück schlucken und sich im schlimmsten Fall innerlich verletzen können.“ Aus ihrer Sicht hätte es daher mindestens eine Lebensmittelwarnung geben müssen. Zumal das Haltbarkeitsdatum des Knäckebrots noch lange nicht überschritten ist, bis Jahresende (31. 12. 2016) ist es laut Hersteller genießbar. Manche Verbraucher könnten es daher noch gar nicht angebrochen haben.

Knäckebrot der Sorte "Käse-Kürbiskern" von "Trader Joe's", einer Marke von Aldi-Nord. In einer solchen Scheibe fand der Kunde das Plastikteil.

© Mike Wolff/Tagesspiegel

Die Dr. Klaus Karg KG hält dagegen, dass es sich bei dem Plastik-Fund ihrer Einschätzung nach um einen „bedauerlichen Einzelfall“ handelt. Zum einen habe es keine weiteren Beschwerden gegeben. Zum anderen hätten auch interne Untersuchungen nichts ergeben: So habe man sowohl den Herstellungsprozess als auch sogenannte Rückstellmuster geprüft – also Knäckebrot, das man für Kontrollzwecke zur Seite gelegt hat. „Hierbei konnten wir keine Auffälligkeiten feststellen“, teilt das Unternehmen auf Tagesspiegel-Anfrage hin mit. Zusätzlich habe man das Stück Plastik von einem Labor untersuchen lassen. „Durch den Abgleich mit den bei uns eingesetzten Werkstoffen konnte kein Rückschluss auf einen internen Materialeintrag gezogen werden.“ Garantieren kann das Unternehmen aber nicht, dass das Plastik auf keinen Fall während der Produktion ins Knäckebrot gelangt ist. „Wir können nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, dass der Fremdkörper eventuell über einen der angelieferten Rohstoffe, die wir zur Herstellung verwenden, eingetragen wurde.“ Lieferanten wie Mitarbeiter seien daher nochmals zu größtmöglicher Aufmerksamkeit angehalten worden.

Das Verhalten des Herstellers aus Bayern ist nicht unüblich. Für Unternehmen ist es eine Gratwanderung, wann sie ihre Produkte aus dem Verkehr ziehen. Das ist schließlich teuer und schadet noch dazu dem Image. Nur selten gehen Firmen deshalb soweit und starten einen groß angelegten Rückruf, wenn sie „nur“ von einem Einzelfall ausgehen.

Eine Ausnahme war Anfang des Jahres der Süßwarenkonzern Mars. Er rief seine Riegel gleich in 55 Ländern zurück, weil eine Frau bei dem Verzehr ebenfalls auf ein Stück Plastik gebissen hatte. Auch in diesem Fall soll kein anderer Kunde einen Fremdkörper in der Schokolade gefunden haben. Anders als der Hersteller des Knäckebrots konnte Mars das Plastikteil allerdings genau zuordnen: Es stammte von dem Deckel einer Schokoladenleitung. Theoretisch hätten also durchaus weitere Kunden betroffen sein können. Daher handelte der Konzern vermutlich aus Angst, auf Schadenersatz verklagt zu werden.

Diese Furcht scheint der Hersteller des Knäckebrots nicht zu haben.

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