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Wirtschaft: Mehr als genug

Brüssel zieht Zwischenbilanz der Griechenland-Rettung und stellt Beschäftigungspaket für Europa vor.

Den für das de facto bankrotte Griechenland geforderte Marshallplan, mit dem die Amerikaner einst Europas Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg finanzierten, gibt es längst. Das ist die Botschaft, die EU-Kommissionschef José Manuel Barroso am gestrigen Mittwoch vor dem Straßburger Europaparlament zu verbreiten versucht hat.

Da viele Abgeordnete und zuletzt auch der Internationale Währungsfonds Investitionsprogramme und nicht nur Spardiktate für die Krisenländer fordern, rechnete der Portugiese vor, dass statt der durchschnittlich 2,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, die die Marshall-Gelder in den Krisenländern von damals ausmachten, Athen Hilfen in Höhe von 177 Prozent seiner Wirtschaftsleistung erhalten hat und noch wird. Die EU-Kommission addiert alle Kredite, von privaten Investoren erlassene Schulden und Strukturmittel und kommt auf insgesamt 380 Milliarden Euro.

Der Aktionsplan listet eine Reihe „prioritärer Maßnahmen für 2012“ auf, die zum Jahresende erste Wirkung zeitigen sollen. Unter anderem sollen Berufszugänge erleichtert, regionale und lokale Verwaltungen reformiert sowie staatliche Gas- und Stromkonzerne privatisiert werden. Neue Beschäftigungspotenziale sieht die EU-Kommission im Solarenergieexport. Zum Kampf gegen Korruption und überbordende Bürokratie gehört es der EU-Kommission zufolge, dass die öffentliche Auftragsvergabe „bis Jahresende radikal überholt wird“.

Zu den Forderungen gehört auch die Rekapitalisierung von Banken und die volle Ausschöpfung der vier Milliarden Euro an Fördermitteln, die für kleine und mittlere Unternehmen zur Verfügung stehen. Brüssel fordert die Umsetzung des EU-Ziels, dass es innerhalb von drei Tagen und zu Kosten von weniger als 100 Euro möglich sein muss, ein Unternehmen zu gründen. Diesen soll es nicht noch schwerer gemacht werden als ohnehin schon, da allein dieses Jahr 60 000 Firmenpleiten und weitere 240 000 Arbeitslose erwartet werden.

Griechenland gehört zudem zu den acht EU-Ländern mit der höchsten Jugendarbeitslosigkeit, in denen noch nicht ausgegebene Strukturfördermittel nun umgewidmet werden. Dieser Prozess läuft nach Angaben eines Kommissionssprechers bereits zwischen Brüssel und den betroffenen Hauptstädten – neue Gesetze seien unnötig.

Parallel dazu legte Barrosos Behörde gestern ein Beschäftigungspaket vor, das „alle Akteure“ und „alle Ebenen“ betrifft – somit also auch Themenbereiche, für die die EU nicht direkt zuständig ist: So wird von den Mitgliedstaaten verlangt, die Arbeitskosten weiter zu senken und die Kurzarbeit nach deutschem Vorbild einzuführen. An Deutschland richtete sich die Forderung nach „angemessenen Mindestlöhnen“, einem Aus für das Ehegattensplitting sowie einer Öffnung des Arbeitsmarktes für Jobsuchende aus Rumänien und Bulgarien – noch immer ist dieser in neun von 27 EU-Staaten bis Ende 2013 eingeschränkt.

Auf Wunsch von EU-Sozialkommissar Laszlo Andor soll ein echter europäischer Arbeitsmarkt dadurch entstehen, dass Erwerbssuchende ihre Arbeitslosenleistungen für bis zu sechs Monate auch in einem anderen Land erhalten können. Der Kommissar fordert zudem, den öffentlichen Dienst in Deutschland für Bewerber aus anderen EU-Mitgliedstaaten zu öffnen.

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