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Wirtschaft: „Mehr Zusammenarbeit ist möglich“

Ökonom Schmieding über den US-Wahlkampf in Zeiten der Finanzkrise und die Auswirkungen auf Europa

Wie hat die Finanzkrise den US-Präsidentschaftswahlkampf verändert?

Wirtschaftliche Fragen stehen nun ganz oben auf der Agenda. Außenpolitik ist völlig in den Hintergrund gerückt.

Welchem Kandidaten nützt das eher?

Laut den Umfragen eindeutig den Demokraten, da die außenpolitische Erfahrung McCains derzeit kaum eine Rolle spielt. Der demokratische Ruf nach Wandel wird so erleichtert.

Wie wird sich die Finanzkrise auf die amerikanische Außenpolitik auswirken?

Die USA werden mehr Wert auf internationale Zusammenarbeit legen – egal unter welchem Präsidenten. Denn wir erleben doch gerade, wie eng die internationalen Finanzmärkte zusammenhängen. Der Druck der Krise könnte dazu führen, dass stärker als jemals zuvor international abgestimmt vorgegangen wird.

Wird es mehr Regulierung geben?

Es wird sicherlich internationale Diskussionen über Regulierung in der Finanzindustrie geben – auch wenn das Thema in den USA noch nicht ausgereift ist.

Wie könnte das konkret aussehen?

Die bessere Eigenkapitalunterlegung von Finanzinstituten wird eine Rolle spielen. Auch über Buchführungsregeln wird diskutiert werden – damit Firmen nicht allein wegen dieser Regeln gezwungen sind, durch Notverkäufe von Vermögenstiteln die Krise noch zu verschlimmern.

Würde es uns als Handelspartnern unter einem Präsidenten McCain anders ergehen als unter Obama?

Ausgehend von den Wahlprogrammen ist bei den Demokraten mit größeren Konjunkturprogrammen zu rechnen, die eher kurzfristig wirken. Das könnte auch unseren Ausfuhren helfen. Aber gleichzeitig setzen die Demokraten offenbar mehr auf Regulierung. Letztlich würden dadurch die langfristigen Wachstumskräfte geschwächt. Das wäre für uns weniger gut.

Hat der künftige Präsident überhaupt noch Spielraum für sein Wahlprogramm?

Vieles wird angesichts leerer Kassen wohl verzögert werden, etwa im Falle eines demokratischen Sieges die geplante Gesundheitsversicherung für alle. Das, was als Steuersenkung für ärmere Bürger geplant ist, käme wohl schnell – verkauft als Konjunkturprogramm.

Bei wem sehen Sie stärkere protektionistische Tendenzen?

Laut Wahlprogramm bei den Demokraten. Aber bei beiden besteht die Gefahr von mehr Subventionen, etwa für die Autoindustrie, die den Wettbewerb verzerren. Doch eine Nebenwirkung der Krise ist möglich: Trifft man sich auf internationaler Ebene häufiger, wird es wohl schwerer, dem Handelspartner etwa durch Handelsbeschränkungen wehzutun.

Holger Schmieding ist Chefvolkswirt Europa der Bank of America in London. Zuvor arbeitete er unter anderem für den Internationalen Währungsfonds. Mit ihm sprach Juliane Schäuble.

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