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Wirtschaft: Mehrheit der Konzerne legt Managergehälter offen

17 der 30 Dax-Firmen wollen die Bezüge der Vorstände preisgeben – sie fürchten, sonst dazu gezwungen zu werden

Berlin/München - Zur nächsten Hauptversammlungssaison wird die Mehrheit der großen Dax-Konzerne die Bezüge ihrer Vorstände weitgehend offen legen. Nach Allianz, Siemens und Volkswagen stehen nun auch bei der Hypo-Vereinsbank (HVB) und bei Infineon eine Entscheidung zu mehr Transparenz bevor. Nach den bisher vorliegenden Ankündigungen werden 14 der 30 Gesellschaften im Deutschen Aktienindex (Dax) ab 2005 für jeden Manager einzeln berichten. Der Maschinenbauer MAN plant, zumindest die Angaben für den Vorstandsvorsitzenden separat zu veröffentlichen. Diesen Weg will auch Adidas-Salomon gehen. Und beim Handelskonzern Metro heißt es dazu: „Wenn sich das durchsetzt, werden wir uns grundsätzlich nicht verschließen.“

Nach Meinung von Aktionärsverbänden hat vor allem die Ankündigung der Allianz, vom bisherigen Kurs abzuweichen, den Damm gebrochen. Zumal Vertreter des Versicherungskonzerns in zahlreichen Aufsichtsräten sitzen und die Allianz auch an zahlreichen Unternehmen beteiligt ist. Der Konzern selbst weist eine Einflussnahme etwa auf Beteiligungen allerdings weit von sich.

Nach Angaben eines MAN-Sprechers wird der Aufsichtsrat das Thema auf seiner nächsten Sitzung Anfang Dezember behandeln. Noch-Konzernchef Rupprecht und sein designierter Nachfolger Hakan Samuelsson wollen das Gehalt des Vorstandschefs künftig einzeln, die Bezüge der übrigen Vorstände en bloc ausweisen. Das plant der Sportartikel-Hersteller Adidas-Salomon. Einen konkreten Zeitplan gebe es aber noch nicht, sagte eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage. Hypo-Vereinsbank und Infineon wollen das Thema dagegen bald auf die Tagesordnung setzen. Bei der HVB will der Aufsichtsrat nach Angaben aus Unternehmenskreisen bei seiner nächsten Sitzung Ende November über die Offenlegung beraten. Bankchef Dieter Rampl hatte kürzlich betont, er wolle sich bei der Debatte „dem Zug der Zeit nicht verschließen“.

Auch der Halbleiter-Hersteller Infineon scheint inzwischen zum Einlenken bereit. „Wir werden uns im Laufe dieses Geschäftsjahres mit dem Thema befassen“, sagte eine Konzernsprecherin am vergangenen Freitag. Es sei aber noch nichts beschlossen und das Thema sei auch nicht erste Priorität.

Trotz der Welle von Ankündigungen in jüngster Zeit wird diese Transparenzquote aber nicht reichen, die Forderung von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) zu erfüllen. Zypries will, dass nächstes Jahr mindestens 80 Prozent aller Dax-30-Gesellschaften den Empfehlungen des Corporate-Governance-Kodex zur vollständigen Offenlegung der Vorstandsbezüge folgen. Wird die Quote nicht erreicht, will die Ministerin per Gesetz die Transparenz erzwingen. Ein Gesetz, so hieß es im Bundesjustizministerium auf Anfrage, sei aber nur „die ultima ratio“. Zypries hoffe immer noch auf die Freiwilligkeit der Unternehmen. Und „kleinlich“ will die Ministerin dabei nicht sein. Selbst der Volkswagen-Konzern, der überraschend verkündete, die Bezüge für das Geschäftsjahr 2005 (also erst im Jahr 2006) offen zu legen, werde natürlich berücksichtigt.

Doch ausgerechnet einige Dickschiffe des Aktienindex, allen voran Daimler-Chrysler, BMW und Lufthansa, weigern sich beharrlich. Die Begründung liefert Lufthansa-Finanzvorstand Karl-Ludwig Kley: „Bislang ist noch nirgends der Nachweis erbracht worden, dass die Veröffentlichung der individuellen Vorstandsbezüge zu einer Steigerung der Managementqualität geführt hätte.“ Deshalb sollten jedes Unternehmen selbst entscheiden dürfen, ob es der Empfehlung der Kommission folgen will. Doch selbst Kley macht sich keine Illusionen, dass die Transparenz „durchaus bald flächendeckend vorgeschrieben werden könnte“. Von allen drei Vorständen der Lufthansa gebe es momentan dazu aber „kein Einverständnis“, sagte ein Sprecher des Unternehmens. Dabei müssten die sich nicht verstecken. Sie gehören mit durchschnittlich 430 000 Euro Jahresgehalt (2003) zu den am bescheidendsten bezahlten Managern im Dax.

Ein BMW-Sprecher verteidigte die Haltung des Managements dagegen so: Entscheidungen würden bei der BMW-Führung im Team getroffen. Ein Einzelausweis der Vorstandsgehälter „widerspricht der Unternehmenskultur“. Zurückhaltend gibt sich auch der Reisekonzern Tui. Vor Wochen sah es zwar noch so aus, als könnte es schon bald zu einer Abkehr von der pauschalen Angabe der Gesamtvergütung in der Jahresbilanz kommen. Jetzt heißt es aber wieder, dass Vorstand und Aufsichtsrat sich „nicht mehr in diesem Jahr“ mit dem Thema beschäftigen werden.

Keine Trendwende auch bei Continental, obwohl „die Entwicklung laufend beobachtet wird“. Henkel, Linde, Münchener Rück und FMC versichern ebenfalls: Das ist vorerst kein Thema.

Das geht einigen Parlamentariern nicht schnell genug. Selbst in der rot-grünen Regierungsfraktion gab es Stimmen, die ein schnelleres Eingreifen der Justizministerin forderten und die nächste Hauptversammlungssaision nicht mehr abwarten wollten. Doch die Initiative wurde in dieser Woche abgeblasen. Ungeklärt ist zudem das Schicksal eines Vorstoßes des CSU-geführten Freistaats Bayern. Über den Bundesrat wollte Ministerpräsident Edmund Stoiber ein Gesetz noch in diesem Jahr erzwingen. Letzter Termin dafür wäre der 26. November. Doch in München ist es ruhig geworden. Vielleicht, so heißt es spöttisch in Regierungskreisen, weil mit Daimler-Chrysler und BMW ausgerechnet die gewichtigsten Gegner eines Gesetzes aus unionsgeführten Ländern kommen.

Dieter Fockenbrock, Nicole Huss

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