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Wirtschaft: Michael Traynor

Geb. 1948

Der englische Humor und die Melancholie, die ihn nie verlässt. Der Großvater war Ire, Schauspieler und das enfant terrible der Familie. Mick liebte diesen Großvater, der in Südfrankreich starb. Dorthin wollte er auch gehen, wenn es Zeit würde zum Sterben.

Mick wächst in London auf, seine Eltern wollen, dass er Schiffsmakler wird. Die Arbeit führt ihn nach Hamburg. Dort schmeißt er den Job und macht Musik. Er tritt in Live-Clubs auf, spielt sein altes Banjo und singt dazu mit seiner harten, metallischen Stimme irische und englische Lieder, später auch eigene. Er hat ein komisches Talent, komisch sind auch viele seiner Lieder. Nebenbei studiert er freie Malerei. Dann geht er nach Berlin und malt seine Bilder in einem kleinen Atelier. Von einer Bank bekommt er mal einen Auftrag: Weil er ein Linker ist, bringt er die Sache schnell hinter sich, eine halbe Stunde pro Bild.

Mick ist einsam in Berlin. Seine Bilder werden düsterer. Eines Tages trifft er in Kreuzberg seinen alten Hamburger Musikerfreund und erwacht aus dem Dornröschenschlaf. Seine Bilder wirft er weg und beginnt, wieder Musik zu machen.

Steve Club, Go In und Folk Pub, dort tritt er jetzt auf. Eines seiner Lieblingslieder ist „Fishermans Candlelight“. Es handelt von einem Fischer, der morgens eine Kerze vor die Tür stellt und beschließt, zu Hause zu bleiben, so lange sie brennt, denn dann ist es zu windstill. Wenn sie verlischt, ist es zu stürmisch, um fischen zu gehen. Mick stampft mit dem Fuß den Takt, beginnt das Banjo zu spielen, vergisst das Publikum. Seine Band heißt Los Fantasielos. Zu Hause spielen sie sich warm, dann gehen sie ins Ambrosius, dort ist das Essen billig, sie flirten mit der Kellnerin und erzählen Geschichten. So entstehen die Songtexte. Den Schauspielunterricht kann Mick von den Gagen bezahlen und mit Kulissenmalerei am Theater. Inzwischen will er wie sein Großvater Schauspieler werden.

Einerseits will er Erfolg haben, andererseits doch nicht. Wer erfolgreich ist, ist fremdbestimmt, muss blöde Posen machen und dämliche Klamotten tragen.

Irgendwann ist es mit der Musik wieder genug, Mick ist jetzt Schauspieler. Er tritt auf, wo er ein Engagement bekommt, in Berlin, München, Saarbrücken und Halle, er spielt in Fernsehfilmen und Serien. Seine Rollen saugen ihn auf, er lebt nur für den Schauspielerberuf. Wenn er gerade nichts Besseres hat, leiht er auch mal einem Trickfilmhund seine Stimme. Dann bellt er ins Telefon, wenn Freunde ihn anrufen und wissen wollen, was er gerade macht. Er hat den englischen Humor, und doch trägt er eine Traurigkeit mit sich, eine leise Melancholie, die ihn nie verlässt. Man sieht es an seinen Augen, wenn man genau hinschaut.

Freundinnen hat er viele; kommen sie zu nah, muss er gehen. Kinder will er nicht. Sie würden bei der Schauspielerei, den Reisen stören. Ruhelos ist er auch ohne Kinder.

Dann das Geschwür an den Stimmbändern. Er hört auf zu rauchen und zu trinken. Bis alles verheilt ist, hat er Lach- und Singverbot. Danach ist das Metallische aus seiner Stimme verschwunden. Eine andere Stimme hat er jetzt. Er ist niedergeschlagen, man verbietet ihm, viel zu reden, Stress ist sowieso verboten. Sein Handwerkszeug, die Stimme, muss jetzt gepflegt werden wie ein kleines Kind. Man sagt ihm jetzt, er habe eine gute Mikrofonstimme.

Dann kommt Luther, der Kinofilm, darin spielt er Luthers Vater, es kommen gut bezahlte Sprecherrollen. Zum ersten Mal geht es ihm wirklich gut. Er muss sich nicht um die nächste Woche sorgen. Er will jetzt Regie führen, schreiben und auch wieder malen.

Dann der Rückfall, und alles geht ganz schnell. Am letzten Tag besucht ihn sein Musikerfreund und spielt stundenlang das Banjo. Da öffnet Mick die Augen noch einmal und stampft mit dem Fuß wie damals im Go In. Nach Südfrankreich hat er es nicht mehr geschafft.

Kathrin Swoboda

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