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Wirtschaft: „Mit 50 bekommt man vielleicht Nierenkrebs“

Blei, Arsen und Cadmium haben in Spielzeug nichts zu suchen, sagt Deutschlands oberster Risikoforscher Andreas Hensel

Professor Hensel, welches Spielzeug ist gefährlich?

Das hängt davon ab, welche Stoffe sich in welcher Menge beim Spielen aus den Produkten lösen. Das heißt: Spielzeug für Kleinkinder, das auch schon mal in den Mund genommen wird, ist riskanter als das Spielen mit der elektrischen Eisenbahn.

Wie kann man erkennen, ob Gift in der Gummiente ist?

Verbraucher können die meisten toxischen Substanzen nicht erkennen. Allerdings sollte man bei sehr bunten und streng riechenden Spielsachen nachfragen, welche Stoffe enthalten sind. Das geht am besten im Fachhandel.

Warum dürfen überhaupt Schadstoffe im Spielzeug sein?

Mit der EU-Spielzeugrichtlinie sind neue Regeln aufgestellt worden, die für alle EU-Länder und für alle Produkte gelten, die in der EU hergestellt oder in die EU eingeführt werden. Das begrüßen wir sehr. Allerdings gibt es noch Verbesserungsbedarf.

Bei Schwermetallen gelten ab 2013 höhere Grenzwerte als heute, wie kann das denn sein?

In vielen Ländern gab es keine Regelungen, für diese Staaten sind die neuen Grenzwerte eine Verbesserung. Bei uns ist das anders. Wir beim BfR sind der Meinung, dass bestimmte Schwermetalle wie Cadmium, Blei und Arsen im Spielzeug überhaupt nichts zu suchen haben.

Was können diese Stoffe anrichten?

Das hängt vom Stoff und von der Exposition ab. Blei zum Beispiel schädigt die Hirnentwicklung der Kinder, daher sollten Kinder, aber auch Schwangere, möglichst wenig davon aufnehmen. Das Problem ist, dass der Verbraucher das Blei nicht sieht. Es könnte im Modeschmuck eingearbeitet sein oder bei Spielzeug in den Farben stecken.

Warum ist Cadmium bedenklich?

Wir nehmen schon sehr viel Cadmium mit unseren Lebensmitteln auf, deshalb sollte man es in Spielzeugen gar nicht einsetzen, um eine weitere Belastung zu vermeiden. Cadmium führt zu Langzeitschäden. Die Kinder werden nicht akut krank, aber mit 50 Jahren bekommen sie vielleicht Nierenkrebs.

Die Bundesregierung drängt auf EU-Ebene darauf, dass die Spielzeugrichtlinie nachgebessert wird. Ist das Erfolg versprechend?

Ja, die EU-Kommission hat eingelenkt, das Europaparlament ist für Nachbesserungen, und die Forderung nach strengeren Schwellenwerten geht quer durch alle Parteien. Wir begleiten den Prozess wissenschaftlich. Keiner möchte, dass Schwermetalle im Spielzeug sind. Das gilt übrigens auch für Duftstoffe und für Nickel. Beide sind allergen, dennoch sind sie in der Spielzeugrichtlinie bislang nicht oder nicht ausreichend geregelt. Ich gehe davon aus, dass es nach der Überarbeitung der Richtlinie auch Grenzwerte für Nickel geben wird.

Was ist mit den polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, den PAKs?

Das sind Bestandteile von Rußen und Weichmacherölen, die beispielsweise auch in Autoreifen enthalten sind. Wir wissen, dass diese Stoffe krebserregend sind und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen können. Auch hier müssen die Grenzwerte gesenkt werden. Bis das erreicht ist, sollten die Verbraucher von Spielzeug mit Gummi- und Kunststoffteilen, die streng riechen, besser die Finger lassen.

Das Interview führte Heike Jahberg.

Andreas Hensel

ist seit 2003 Präsident des Bundesinstituts für Risikoforschung (BfR) in Berlin. Das Institut soll Risiken frühzeitig erkennen und Gegenmaßnahmen vorschlagen.

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