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Wirtschaft: „Mit Mumm sind wir in Deutschland angekommen“

Rotkäppchen-Chef Gunter Heise über das führende deutsche Sektunternehmen, Erfolg und die Frage, wer was trinkt

Herr Heise, Sie setzen nur auf Sekt – mit Rotkäppchen, Mumm und Geldermann. Auf angesagten Partys aber trinkt man Prosecco, Cava oder gleich Champagner...

Warum nicht? Ich habe nichts dagegen, wenn die Leute auch einmal einen Prosecco oder Crémant trinken. Das gehört dazu. Das bereichert den Markt. An der Marktentwicklung sieht man aber, dass diese Gattungen ihren Zenit erreicht haben.

Aber Sekt ist langweilig.

Ja, der deutsche Sekt hat das Image, ein bisschen altbacken, staubig, aus einer anderen Zeit zu sein. Das ist eine Herausforderung für die gesamte Branche, auf die wir reagieren müssen. Es geht darum, die Marken dem Zeitgeist anzupassen. Wenn Sie sehen, wie allein Rotkäppchen in den letzten Jahren den Markt aufgemischt hat, dann ist das ein Zeichen dafür, dass der Verbraucher für neue Dinge offen ist. Man muss natürlich heute andere Werte transportieren.

Welche Werte hat denn Rotkäppchen?

Rotkäppchen ist nicht mehr das kleine schüchterne Mädchen, das sich irgendwo hinter einem Baum verstecken muss. Sondern Rotkäppchen ist heute eine selbstbewusste, hübsche junge Frau. Mit der kann man etwas anfangen. Da muss man sich nicht verstecken, wenn man ein Glas Rotkäppchen trinkt.

Aha...

Die deutschen Kellereien müssen mehr für ihr Image tun. Ohne Investitionen in die Marke geht es nicht, und das ist in den letzten Jahren zu wenig passiert – gerade auch bei Mumm. Mumm hat sich nur noch über den Preis verkauft, nicht über das Image.

Wie viel Geld investieren Sie in die Marke Rotkäppchen?

Mit absoluten Zahlen gehen wir nicht nach außen. Aber im Vergleich mit den Wettbewerbern der Branche liegen wir im oberen Drittel.

Gibt es noch große Geschmacksunterschiede zwischen Ost und West?

Seit wir 1994 das Jubiläum 100 Jahre Rotkäppchen hatten, versuchen wir gezielt, die Marke in den alten Ländern aufzubauen. Wir haben lange überlegt, was wir herausstellen: Rotkäppchen halbtrocken oder Rotkäppchen trocken? Wir haben uns für Rotkäppchen trocken entschieden. Und Sie werden es nicht glauben: Was wir im Westen verkaufen, ist Rotkäppchen halbtrocken.

Liegt das am Image von Rotkäppchen?

Nein, es liegt daran, dass die meisten Menschen nicht trocken trinken. Auf dem Markt in den alten Ländern war im Sektbereich einfach niemand da, der dieses Feld halbtrocken besetzt hat. Aus dieser Beobachtung heraus ist auch 1998 der halbtrockene Jules Mumm entstanden. Bei vielen Käufern ist das Thema trocken eine Imagefrage, aber der eigentliche Geschmack geht bei den meisten in Richtung halbtrocken.

Die Leute trinken lieber süßen Sekt, wollen es aber nicht zugeben?

Das eine ist der Geschmack. Zum anderen geht es aber um das Thema: Was verstehe ich von Sekt? ,Ich trinke trocken’ heißt: Ich verstehe etwas davon, ich gehöre dazu.

Wer trinkt denn im Sommer süßen Sekt?

Wir versuchen, speziell in den Sommermonaten mit dem fruchtigen Jules Mumm auf Eis das Ganze für den jugendlichen Verbraucher etwas aufzupeppen.

Und das gelingt?

Ja, das hat es in den letzten Jahren in Deutschland noch nicht gegeben, dass sich eine Sektmarke in so kurzer Zeit so gut verkauft. Wir werden in diesem Jahr bei sieben bis acht Millionen Flaschen ankommen.

Das ist auch Ihre einzige Chance auf Wachstum in einem stagnierenden Markt . . .

Ich denke, der deutsche Sektmarkt hat die Talsohle durchschritten. Es ist wieder ein leichtes Wachstum da, Ende Mai lag es bei 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In unserem Haus – wir machen bald 100 Millionen Flaschen – liegt das Plus in den ersten sechs Monaten im zweistelligen Bereich.

Wie bekommen Sie Rotkäppchen in ein westdeutsches SupermarktRegal?

Der Handel hat gemerkt, dass man mit uns in Ostdeutschland prima Geschäfte machen kann. Im Osten ist Rotkäppchen ein Schnelldreher. Für den Handel war es wichtig zu sehen, dass das Produkt in Ordnung ist. Aber die Listung im Handel müssen wir ja kaufen.

Wie hoch ist denn der Preis, damit der Handel Rotkäppchen listet, also ins Regal stellt?

Das ist unterschiedlich, im Prinzip aber sehr hoch.

Wie hoch?

Das kann ich Ihnen nicht sagen.

Aber der Einsatz lohnt sich?

Sie haben keine Garantie, dass das ein Geschäft für immer und ewig ist. Wenn Sie eine Listung haben und Sie stehen zwei Jahre und es tut sich nichts, dann sind Sie schnell wieder draußen. Man braucht einen langen Atem und muss in der Lage sein, für den Abverkauf zu sorgen.

Und wie?

Wir machen seit Jahren nationale TV-Werbung. Zur Saison, also Weihnachten und Silvester, sind wir zur besten Sendezeit gleich vor der Tagesschau zu sehen. Wir sind dort, wo man uns nicht erwartet, damit man über uns spricht: ,Was trauen die sich denn, das ist ja der teuerste Sendeplatz.’ Es gibt immer noch Vorbehalte gegen Ostprodukte – auch wenn wir Rotkäppchen nie als Ostprodukt präsentiert haben. Erst mit dem Kauf von Mumm sind wir richtig angekommen in Deutschland.

Schmeckt Rotkäppchen noch so wie damals?

Rotkäppchen war immer schon ein Sekt der sehr weinig ist. Die Weine kommen damals wie heute aus Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland. Wir hatten schon zu DDR-Zeiten die Möglichkeit, dort zu kaufen wo die guten Sektgrundweine herkommen. Der Geschmack hat sich nicht geändert.

Warum haben Sie es geschafft und andere ostdeutsche Unternehmen nicht?

Das entscheidende war die Marke. Wenn sie negativ besetzt gewesen wäre, hätten wir nach der Wende keine Chance gehabt. Aber auch das Thema Zeit war wichtig: Wir haben nicht gewartet bis die Treuhand kam, um uns zu sagen, wie es weiter gehen soll. Wir haben das Personal von 350 auf 60 reduziert. Das war unsere Entscheidung.

Aber als Sie im Januar 2002 Mumm übernommen haben, haben Sie das komplette Westmanagement vor die Tür gesetzt...

Das ist wie im Sport: Wenn Sie eine erfolgreiche Mannschaft haben und nur elf spielen können, dann können Sie nicht 15 aufstellen.

Und wie macht man aus Rotkäppchen und Mumm ein Unternehmen?

Die Mitarbeiter wollen wissen, was ist mit meiner Firma? Das müssen Sie ihnen schnell sagen: Das sind wir, das ist Deutschlands Haus aus Sekt. Und Sie müssen die Mitarbeiter zusammenbringen.

Dabei sprechen die Mitarbeiter dann auch über ihr Gehalt und die Unterschiede zwischen Ost und West...

Wir sind sowohl in Eltville als auch in Freyburg tariflich gebunden. Das Gehalt werden wir weiter nach Tarif bezahlen – wobei wir in Freyburg immer schon über Tarif liegen. Außerdem haben wir für unsere Mitarbeiter in Freyburg jetzt noch einiges mehr gemacht, etwa beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Die Freyburger haben profitiert.

Sie zahlen mehr, als Sie müssen?

Wenn es dem Unternehmen gut geht, dann müssen die Mitarbeiter das auch spüren. Wenn es schlecht geht, dann müssen alle gemeinsam bereit sein, den Gürtel enger zu schnallen. Ich bin ein großer Freund davon, dass man innerhalb des Hauses mit der Belegschaft etwas aushandelt. Das ist der große Vorteil in Ostdeutschland, dass die Mitarbeiter flexibler sind, auch was die Arbeitszeit betrifft. Diese Vorteile dürfen wir uns im Osten nicht kaputtmachen lassen. Auch der Lohnunterschied, der noch besteht, der ist für den Standort Ostdeutschland insgesamt wichtig.

Aber Sie sind noch im Arbeitgeberverband?

Ja, aber wir richten uns wenig danach.

Das Gespräch führte Corinna Visser.

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