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Wirtschaft: Mittelstand: Vermögensteuer kostet Jobs

Handwerk warnt vor überdurchschnittlicher Belastung der Unternehmen – Verdi will Reiche zur Kasse bitten

Berlin (brö). Handwerk, Unternehmen und Wirtschaftsforscher haben die Bundesländer vor einer Wiedereinführung der Vermögensteuer gewarnt. Eine erneute Steuererhöhung sei wegen der schlechten Konjunkturlage schädlich und würde die Stimmung belasten, ergab eine Umfrage des Tagesspiegels am Freitag. Außerdem treffe eine Vermögensteuer nicht in erster Linie die Wohlhabenden in Deutschland, sondern den Mittelstand.

Obwohl Bundeskanzler Gerhard Schröder und SPDFraktionschef Franz Müntefering die Vermögensteuer ablehnen, fordern Gewerkschafter und Sozialdemokraten weiterhin, mit einer Besteuerung von Geldvermögen und Grundbesitz die Staatseinnahmen zu erhöhen. Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, sprach sich für einen solchen Schritt aus, um die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst bezahlbar zu machen und die Konjunktur anzukurbeln. Ein Verzicht bedeute, „den Reichsten Milliardenbeträge in den Hintern zu schieben“, sagte er. Auch die SPD-Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, Peer Steinbrück und Sigmar Gabriel, planen, Reiche zu belasten. Über den Bundesrat wollen sie erreichen, dass Bürger und Unternehmen ab 2004 jährlich 8,5 Milliarden Euro an den Fiskus abführen. Die alte Vermögensteuer, die bis 1997 erhoben wurde, brachte mit 4,6 Milliarden Euro nur die Hälfte. Dieses Geld fließt den Ländern zu.

Dieter Philipp, Präsident des Handwerksverbands ZDH, nannte eine solche Steuer im Gespräch mit dem Tagesspiegel „Gift für die Konjunktur“. Die Debatten der vergangenen Tage hätten erheblichen Schaden angerichtet, Bürger und Betriebe seien zusätzlich verunsichert, sagte er dem Tagesspiegel. Damit würden die verbliebenen Chancen auf mehr Beschäftigung abgewürgt. „Diese Steuer würde nicht die Reichen treffen, sondern die leistungsorientierte neue Mitte, zu der auch viele mittelständische Personenunternehmer und Facharbeiter zählen“, befand Philipp. Ludwig Georg Braun, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, nannte die Steuer „ökonomischen Unsinn, der sich gegen Investitionen und Arbeitsplätze richtet“. Der Bundesverband deutscher Banken geht davon aus, dass sieben Achtel des Steueraufkommens von der Wirtschaft getragen werden muss. Die beiden SPD-Regierungschefs hatten dagegen auf die Wirkung hoher Freibeträge in ihrem Modell verwiesen. Bei einem Steuersatz von 1,0 Prozent soll es Freibeträge von einer Million Euro für vierköpfige Familien und von 2,5 Millionen Euro für Unternehmen geben.

Wissenschaftler bezweifeln, dass eine neue Vermögensteuer ohne Schaden für die Wirtschaft erhoben werden kann. „In Großstädten reicht schon der Wert eines Grundstücks, um über diese Grenze zu kommen“, sagt Winfried Fuest vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Eine neue Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim kommt zu dem Schluss, dass kleine Firmen sehr wohl belastet würden. Die Steuerbelastung von Durchschnitts-Mittelständlern steige über einen Zeitraum von zehn Jahren um 8,5 Prozent, hat Forscher Gerd Gutekunst errechnet. Treffen werde die Steuer Unternehmen, denen es ohnehin nicht gut gehe – Firmen der Branchen Bau, Elektrotechnik oder Maschinenbau. Ihre Belastung steige um bis zu 25 Prozent. „Dabei sind die Gewinne derzeit dürftig, daher muss die Vermögensteuer aus der Substanz bezahlt werden“, warnt Gutekunst. Reiche Privatleute könnten sich dagegen der Besteuerung entziehen, indem sie ihre Habe ins Ausland verlagerten, sagt IW-Forscher Fuest.

Auch das Aufkommen, das die Sozialdemokraten ansetzen, finden Forscher zu hoch, „schon wegen der beträchtlichen Freibeträge“, sagt ZEW-Mann Gutekunst. Zudem, so Hans Dietrich von Löffelholz vom Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsforschungsinstitut (RWI), koste allein die Erhebung der Steuer rund ein Drittel der Einnahmen.

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