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Schöner Schein. Nachdem Michael Jeffries die Marke Abercrombie & Fitch ab Mitte der neunziger Jahre aufblühen ließ, verliefen die letzten Jahre immer ungünstiger für's Geschäft.

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Mode-Kette: Ex-Chef von Abercrombie & Fitch abgetaucht

Michael Jeffreys, der langjährige, exzentrische Chef von Abercrombie & Fitch, ist womöglich zu spät zurückgetreten.

Michael Jeffreys lebte Abercrombie & Fitch mit jedem Atemzug, mit jedem Schritt, mit jeder Schönheits-OP – denn so weit ging der 70-jährige Chef, um dem Ideal der Teenie-Kette zu entsprechen. Frisch geliftet, mit blondiertem Haar und in modisch verschlissenen Jeans zeigte sich der Senior im Unternehmen, bis er vor ein paar Wochen verschwand. Managementwechsel werden in Corporate America von langer Hand vorbereitet.

Nicht so bei Abercrombie & Fitch, denn Jeffreys ging ganz überraschend. Am Vortag hatte er seine Vorstandskollegen zur Telefonkonferenz gebeten, um über das Weihnachtsgeschäft zu sprechen, am nächsten Tag kam er nicht ins Büro. Dann gab es eine Notiz. „Es war eine Ehre, diese außerordentlich talentierte Gruppe von Menschen zu leiten. Ich bin überzeugt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für eine neue Führung gekommen ist, um das Unternehmen weiterzubringen.“ Das war’s vom Chef, dann tauchte er unter – der Posten des Vorstandsvorsitzenden ist vakant.

Chef dankt ab, Aktie steigt

Der Aktie von Abercrombie & Fitch hat das gutgetan: Mit dem Ausstieg von Michael Jeffreys kletterte der Kurs um sieben Prozent – in den drei Monaten zuvor hatte das Papier fast die Hälfte an Wert verloren. Für den Börsenjubel gab es einen guten Grund: Der Abstieg von Abercrombie & Fitch hat viel mit dem Versagen des exzentrischen CEO zu tun – doch der war zuvor auch für den kometenhaften Aufstieg der Kette verantwortlich.

Kontroll-Freak. Michael Jeffries hatte bei der Traditionsmarke mehr als 20 Jahre lang die Zügel in der Hand.

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Abercrombie & Fitch war hundert Jahre alt, als Michael Jeffreys an Bord kam. Das Unternehmen hatte 1892 als Ausrüster für wohlhabende Abenteurer begonnen. Teddy Roosevelt kleidete sich hier für seine Safaris ein, Charles Lindbergh und Ernest Hemingway waren Kunden. Ein knappes Jahrhundert später war die Marke am Ende und wurde für 47 Millionen Dollar von Limited gekauft, der Muttergesellschaft von Victoria’s Secret.

Bis ins Detail geplant

Jeffreys war der Mann für den Neuanfang, und er kam mit einem Paukenschlag. Das erste Meeting war eine Party, erinnert sich Vorstandsmitglied Leslee Herro. „Mike stand in der Mitte, die Arme in der Luft, und schrie: Unsere Marke wird weltbekannt und cool sein.“ Abercrombie & Fitch hatte damals 125 Läden, und um überall gleich cool zu sein, schrieb Jeffreys ein „Look Book“. Für männliche Mitarbeiter waren fortan Bärte tabu, Frauen mussten auf Make-up und Schmuck verzichten. Für Kunden gab es nur eine Begrüßung: „Hey, what’s going on?“ Hey, was geht?

Vor die Schaufenster ließ Jeffreys Holzfassaden nageln, im Laden war es düster, laute Dancebeats ließen die parfümschwangere Luft beben. Abercrombie & Fitch stieg zur Kultmarke auf. Wer in High School und College dazugehören wollte, brauchte die Klamotten mit dem auffälligen Logo. Sie waren teurer als die Konkurrenz,  das machte auf dem Schulhof was her. Jahrelang kletterte der Umsatz, und CEO Jeffreys wachte über jedes Detail. In mittlerweile tausend Läden war Präzision gefragt: Bei Blusen blieb ein Knopf offen, wenn sie hingen, zwei Knöpfe, wenn sie gefaltet waren. Noch strenger ging es im Firmenjet zu. Angefangen mit den Uniformen für die ausschließlich männlichen Stewards (Boxershorts, Jeans, Polo-Shirt und Flipflops) bis hin zur korrekten Faltung der Handtücher in der Bordtoilette, Jeffreys bestimmte jedes Detail. Es gab eine Sitzordnung, für Gäste ebenso wie für Jeffreys drei Hunde.

Schönheitswahn und Sexismus-Kritik

In seinem jugendlichen Schönheitswahn verkaufte Jeffreys nur kleine Größen und erntete Proteste. Manche T-Shirt-Drucke wurden als rassistisch oder sexistisch interpretiert und mussten zurückgerufen werden. Dann kam die Rezession. Während sich Abercrombie auf der Fifth Avenue neben Gucci und Prada feiern ließ, zog die Jugend zu den billigeren Ketten, kaufte bei H&M und Forever 21. Im Herbst 2013 fragten Marktforscher amerikanische Teenager nach Marken, die out seien: Abercrombie & Fitch und der hauseigene Ableger Hollister landeten auf dem zweiten und dritten Platz.

Bei Abercrombie brachen die Umsätze ein, die Aktie auch. Für Jeffreys gab es eine Gehaltskürzung um 70 Prozent, der Firmenjet wurde eingemottet. Jetzt bemüht man sich um Schadensbegrenzung. Abercrombie & Fitch verkauft seit geraumer Zeit alle Größen, wenn auch nur online, man schließt einige Läden; ein neuer CEO soll bald den Look auffrischen. Experten glauben allerdings, dass es zu spät sein könnte: Abercrombie & Fitch, ein Ausstatter mit großer Geschichte, dürfte selbst bald Geschichte sein.

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