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Wirtschaft: Moskaus neue Höhepunkte

Mit gigantischem Aufwand baut die Stadt ein neues Geschäftsviertel – Entwürfe kommen auch aus Berlin

Moskau erhält ein neues Wahrzeichen. Mit dem Großvorhaben „Moscow City“hoffen russische Planer ihrer Hauptstadt das zu geben, was das neue Themse-Viertel „Canary Wharf“ einst London gebracht hat: boomende Geschäfte und eine neue Silhouette.

Der Komplex am Fluss Moskwa geht auf eine Idee des russischen Architekten Boris Tkhor aus den frühen 90er Jahren zurück. Inspiriert durch den Erfolg von Londons Canary Wharf, wo inzwischen fast 90000 Menschen arbeiten, wollte er der 100 Hektar großen Industriebrache vier Kilometer außerhalb des Moskauer Stadtzentrums neues Leben einhauchen.

In der Finanzkrise von 1998 stand das Projekt dann kurz vor dem Aus. Doch einige Jahre später kam der Neustart, als die Moskauer Stadtverwaltung beschloss, einige ihrer Büros nach „Moscow City“ zu verlegen. Bis Ende 2009 entstehen hier auf insgesamt 31 Grundstücken 2,2 Millionen Quadratmeter Geschossfläche. Eines der Grundstücke hat sich die Moskauer Verwaltung gesichert. „Moskaus Bürgermeister wollte diesen ehemaligen Standort von Fabriken und Industrieanlagen schon lange neu gestalten“, sagt Tolga Guzelce, die Moskauer Marketingchefin der türkischen Baufirma Enka Inssaat ve Sanayi, die einen der neuen Wolkenkratzer baut.

Zu einem der markantesten Gebäude soll der „Federation Tower“ werden, ein 436 Millionen Euro teurer Bürokomplex, der vom Moskauer Planungsunternehmen Mirax Group entwickelt wird und bis Ende 2007 fertig gestellt sein soll. Dahinter verbergen sich zwei gläserne Bürotürme, entworfen von den Architekten Peter Schweger aus Hamburg und Sergej Tchoban vom Berliner Architekturbüro nps tchoban voss. Einer der Türme umfasst 85 Stockwerke bei 340 Metern Höhe, der andere 57 Stockwerke auf 260 Metern. Zwei Brücken verbinden die Einzeltürme jeweils auf der 31. und 44. Etage. Im größeren Turm wird es mehr als 170000 Quadratmeter Bürofläche geben, und beide Türme schließen mit Restaurant- und Aussichtsgeschossen ab.

„Wir wollten etwas Dramatisches schaffen, was die Silhouette der Stadt verändert, und ich glaube, es ist uns gelungen“, sagt Architekt Tchoban. „Moscow City wird das gesamte Stadtbild von Moskau verändern, allein wegen der Menge von Wolkenkratzern“, fügt er hinzu. „Die höchsten Gebäude im Umkreis sind derzeit gerade einmal 150 Meter hoch, so dass diese weit überragt werden.“

Tchoban überlegt auch, ob er ein Aquarium um den gläsernen Fahrstuhl des Federation Tower bauen sollte, ein Konzept, das er bereits für das Berliner Hotel- und Büroprojekt Dom-Aquarée verwirklicht hatte. Im ersten Untergeschoss gibt es eine Verbindung zum Moskauer Nahverkehr. Auf vier Ebenen werden 560 unterirdische Stellplätze geschaffen, ein Tunnel zum Nachbargrundstück führt zu weiteren Parkflächen. Freie Büroflächen mit hoher Bauqualität, die gut ausgestattet sind, findet man in Moskau kaum, sagt Andreas Zuhrt, Projektmanager für den Federation Tower bei Mirax. „Dank Moscow City wird sich das ändern“, sagt er. Der türkische Bauentwickler Enka investiert 250 Millionen Dollar in den Naberezhnaya Tower, der aus drei miteinander verbundenen Bürotürmen besteht. Der erste Bauabschnitt, ein 17- geschossiger Turm mit mehr als 17000 Quadratmetern Bürofläche, wurde bereits im vergangenen Oktober eröffnet. Als Hauptmieter ist die russische Sparte von IBM eingezogen. Im zweiten Turm, der 27 Stockwerke hoch ist, soll nach Fertigstellung im November die russische Niederlassung des US-Konsumgüterherstellers Procter & Gamble als Hauptmieter einziehen. Bis Ende 2007 wird dann auch der größte der drei Türme errichtet sein, der auf 55 Geschossen 108000 Quadratmeter Bürofläche bietet.

„Als wir uns in Moskau zum ersten Mal nach guten Büroflächen umgesehen haben, war das sehr schwer, so dass wir auf Moscow City gekommen sind“, sagt Beslan Tuzhba, Chef der IBM-Immobilienabteilung in Moskau. Der von IBM bezogene Naberezhnaya Tower ist das einzige Gebäude des Areals, das bereits genutzt wird. Auf dem Moskauer Markt für Büroimmobilien kommen 30 Prozent der Mieter aus dem Ausland. Moderne Büroräume kosten im Durchschnitt 553 Dollar pro Quadratmeter und Jahr, 9,8 Prozent mehr als noch 2003.

Nach Angaben von Paul Dunn, Geschäftsführer der britischen Planungsfirma RTKL, die den Komplex entworfen hat, erlebt die russische Wirtschaft gerade einen Aufschwung, der vor allem von Investitionen getragen wird. „Der Büromarkt wird davon auf jeden Fall profitieren“, sagt Dunn. Tatsächlich wuchs Russlands Wirtschaft in den ersten vier Monaten des Jahres um 5,3 Prozent, heißt es beim russischen Ministerium für Handel und Wirtschaft. Für das laufende Jahr hat die Regierung 5,8 Prozent Wachstum vorausgesagt, eine leichte Abschwächung gegenüber den 7,3 Prozent des Vorjahres. Als Grund für den Rückgang gibt das Ministerium verminderte Investitionen zu Beginn des Jahres an und langsamer wachsende Exporte bei Produkten wie Erdöl.

Auch die russische Entwicklungsfirma Capital Group baut einen neuen Bürokomplex. Ihre „Capital City“ umfasst 290 000 Quadratmeter für Wohn- und Büroflächen, verteilt auf drei Türme mit 73, 62 und 18 Geschossen. Sie soll 250 Millionen Dollar kosten und von 2007 an Mieter beherbergen. „Moscow City ist bislang das ehrgeizigste Projekt seiner Art in Moskau, wir wollten unbedingt dabei sein“, sagt die Capital-Group-Sprecherin Katerine Semikhatova. „Wir sind derzeit dabei, Mieter zu suchen, und gerade die internationalen Unternehmen zeigen besonderes Interesse.“

Sara Seddon Kilbinger

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