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Ein Passant läuft am Freitag an Bildschirmen der Tokioter Börse vorbei. In Japan haben rote Ziffern eine positive Bedeutung.

© imago/AFLO

Nach der Entscheidung der Bank of Japan (BoJ): Japan - Versuchslabor für Europa im Kampf gegen Deflation

Japans Notenbank hat ihre Geldpolitik weiter gelockert, aber weniger als erwartet. Kann sie den Kampf gegen die Deflation gewinnen? Das Land ist ein Versuchslabor für Europa. Wird es das erste Land sein, das zu "Helikoptergeld" greift?

Von Andreas Oswald

Zuerst bekamen die Börsianer einen Schreck, dann änderten sie aber ihre Meinung. Japans Notenbank hat am Freitag die Geldpolitik weiter gelockert, aber weniger als erwartet. Laut „Financial Times“ hatten die Märkte eine deutlich weitergehende Geldpolitik erwartet, bis hin zum „Helikoptergeld“, bei dem die Notenbank dem Staat und den Bürgern Geld schenkt, um die Inflation anzuheizen.

Am Ende des Tages gab es an den Märkten ein Einsehen. Der Aktienindex Nikkei schloss im Plus, nachdem er zunächst 1,3 Prozent abgetaucht war. Das Signal ist so klar wie widersprüchlich. Japans Notenbank hat einerseits eine ruhige Hand bewiesen und strahlt damit eine gewisse Zuversicht aus. Gleichzeitig hat sie angesichts der weltwirtschaftlichen Risiken und den Deflationsproblemen im eigenen Land deutlich gemacht, dass sie an der expansiven Geldpolitik festhält und die Regierung unterstützt, die erst am Mittwoch ein größeres Konjunkturprogramm angekündigt hatte.

Japans Notenbankpolitik ist für Europa deshalb wichtig, weil das Land seit mehr als zwei Jahrzehnten mit einer Deflation kämpft, wie sie in Europa vermutlich erst begonnen hat. Japan ist damit auch ein Versuchslabor für die Effektivität von Gegenmaßnahmen.

Der Chef der Bank of Japan (BoJ), Haruhito Kuroda, kündigte am Freitag eine grundlegende Überprüfung der lockeren Geldpolitik und negativer Zinssätze an. Es gebe Spielraum, die Zinsen weiter in den negativen Bereich zu drücken.

Ultralockere Geldpolitik kann die Inflation bisher nicht anheizen

Damit bleibt offen, ob es zu einer weiteren Lockerung kommen wird, und welcher Art sie sein wird. Die negativen Zinssätze haben in Japan nicht zu höherer Inflation und einer Schwächung des Yen geführt. Die Frage ist, ob die Notenbank als nächsten Schritt damit beginnt, aufgekaufte Staatsanleihen zu streichen, so dass der Staat diese Schulden nicht mehr bedienen muss. Das wäre ein erster Schritt hin zum Konzept des sogenannten „Helikopergelds“. Auffallend ist, dass Notenbankchef Kuroda ungefragt betonte, dass sein Institut nicht in die direkte Staatsfinanzierung einsteigen werde. Solche Dementis häufen sich auch bei anderen Notenbanken wie der EZB in letzter Zeit, was die Spekulationen zusätzlich anheizt.

Im einzelnen beschloss die Notenbank, mehr Wertpapiere aufzukaufen. Allerdings betrifft dies nur börsengehandelte Fonds (ETF) und nicht andere Papiere wie Staatsanleihen.

Der sogenannte Einlagensatz liegt derzeit bei minus 0,1 Prozent. Mit einer weiteren Senkung würde die Notenbank die seit Februar geltende Zwangsgebühr für Banken verschärfen. Sie müssen diese für Teile der Guthaben berappen, die sie bei der Zentralbank halten. Das Kalkül dahinter ist dasselbe, wie in der Eurozone: Finanzinstitute sollen mehr Kredite vergeben, statt ihr Geld zu horten. Mit diesem Manöver soll letztlich die lahmende Konjunktur einen Schub erhalten. Doch die Finanzinstitute ächzen bereits unter dem geltenden Strafzins: So erlitt die Nummer zwei der Branche in Japan, Mizuho Financial Group, im ersten Quartal einen Gewinneinbruch um 16 Prozent.

Analysten befürchten, dass die Gewinne der Banken weiter geschmälert werden, wenn die BoJ die Zinsen noch tiefer in den negativen Bereich treibt.

Ministerpräsident Shinzo Abe hatte am Mittwoch ein umgerechnet mehr als 240 Milliarden Euro schweres Paket zur Ankurbelung der Konjunktur angekündigt. Ein Reuters vorliegender Entwurf zeigt, dass allein 117 Milliarden Euro davon auf direkte Regierungsausgaben und Kredite entfallen. Mit dem Konjunkturpaket schürte Abe Spekulationen auf eine aggressive Lockerung der Geldpolitik durch die BoJ, um diese Maßnahmen zu flankieren.

Doch die ultra-lockere Geldpolitik zeigt weiter nicht die erwünschten Wirkungen. Die Verbraucherpreise ohne Berücksichtigung frischer Nahrungsmittel sanken im Juni um 0,5 Prozent. Der Rückgang war der stärkste, seit die Währungshüter 2013 die große Geldflut einleiteten. (mit rtr)

Eine ausführliche Darstellung des Autors, was "Helikoptergeld" bedeutet, finden Sie hier.

Eine Darstellung des Autors, wie sich der Anleger mit Hilfe des "Rebalancings" vor Crashs schützen kann, finden Sie hier.

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