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Baustelle Bonitätsbewertung. Nach den Plänen der EU sollen Ratingagenturen keine Staaten bewerten dürfen, die – wie Griechenland – am Geldtropf hängen.

© dapd

Nach langer Debatte: EU geht Ratingagenturen an

Die Macht der drei US-Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch, die die Kreditwürdigkeit von Staaten bewerten, soll nach dem Willen der EU-Kommission beschränkt werden.

Nach monatelanger Debatte, in der auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gefordert hatte, man müsse das „Oligopol der Ratingagenturen brechen“, präsentierte der zuständige Brüsseler Kommissar Michel Barnier am Dienstag einen Gesetzentwurf, der nun vom Rat der 27 Regierungen und dem Europaparlament beraten und verabschiedet werden muss. „Wir können nicht zulassen, dass Ratings die Marktturbulenzen noch verstärken“, sagte Barnier am Dienstag.

Das Paket umfasst vier Aspekte. Vor allem sollen die Bewertungen der Agenturen transparenter werden und zu fest abgesprochenen Zeitpunkten kommen. „Ich bin vom Timing mancher Ratings von Staatsanleihen überrascht gewesen“, sagte der Franzose dazu, „etwa mitten in Verhandlungen über internationale Kredithilfe für dieses Land hinein.“ Künftig sollen mehr Informationen dazu bereit gestellt werden müssen, warum eine Einstufung so und nicht anders vorgenommen wurde. Statt einmal im Jahr soll die Bonität eines Mitgliedstaates nun mindestens alle sechs Monate bewertet werden, um mehr Kontinuität und weniger böse Überraschungen zu bekommen. Die Finanzaufsicht und die Mitgliedstaaten sollen zudem mindestens 24 Stunden vorab informiert werden.

Gleichzeitig soll sich Europa wieder unabhängiger von den Noten zwischen AAA und D machen, die in den vergangenen drei Krisenjahren erstmals ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit gedrungen sind. Dazu sollen entsprechende Verweise etwa in den Eigenkapitalvorschriften für Banken geändert werden. Investoren könnten zudem angehalten werden, sich auch selbst ein Bild von der Güteklasse einer Staatsanleihe zu machen – sie sollen dazu auch mehr Informationen erhalten. Sich ausschließlich auf das Urteil der großen Drei zu stützen, wäre dann kaum noch möglich. Außerdem will die Kommission den Wechsel zwischen den Ratingagenturen fördern. Die Auflage lautet: Diese sollen künftig nicht mehr als drei Jahre am Stück dasselbe Papier bewerten. Eine Agentur darf auch keine Papiere mehr bewerten, an denen ihr größter Anteilseigner beteiligt ist. Ein neuer Index soll alle Ratings verschiedener Agenturen vergleichen. Neue Beteiligungsobergrenzen sollen schließlich sicherstellen, dass kleine Ratingagenturen in den nächsten zehn Jahren nicht von den großen aufgekauft werden. Kommissar Barnier erhofft sich, dass sich die so geförderten kleinen Anbieter zu einer großen Agentur zusammenschließen. Die vom EU-Parlament geforderte Einrichtung einer unabhängigen Ratingstiftung findet sich in Barniers Vorschlag nicht. Er verwies auf die hohen Kosten zwischen 300 und 500 Millionen Euro sowie die Gefahr, dass eine solche rein europäische Einrichtung „als parteiisch angesehen werden könnte“.

Sollten Agenturen eine eindeutig parteiische Bewertung oder wie in der vergangenen Woche in Bezug auf Frankreich schlicht einen Fehler gemacht haben, können die Leidtragenden künftig Schadenersatzansprüche gegenüber den Agenturen geltend machen – die in solchen Fällen auch die Beweislast tragen sollen.

An den eigenen Kommissarskollegen scheiterte Barnier dagegen mit seiner strittigen Idee, vorübergehend Bewertungen von Staaten zu verbieten, die nicht am Markt sind, sondern sich wie derzeit Griechenland über Hilfsprogramme finanzieren. Nach langer Debatte musste der Franzose aber einsehen, dass „die Idee wohl ein bisschen zu innovativ war“. Er betonte aber, dass es in Zukunft noch zu Verschärfungen in diese Richtung kommen könne.

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