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Volkskongress in Peking: Mehr als 3000 Delegierte finden in der Halle Platz.

© dpa

Nachhaltige Entwicklung: China will grüner wachsen

Der Nationale Volkskongress kommt zusammen. Zum Auftakt gibt Premier Wen „nachhaltige Entwicklung“ als Parole aus.

Wie wirkt man interessiert, wenn man eigentlich nichts zu sagen hat? Mit dieser Frage müssen sich die knapp 3000 Delegierten des Nationalen Volkskongresses einmal im Jahr auseinandersetzen. Sie sind nicht viel mehr als ein Teil einer großen Politinszenierung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Nicht nur, dass den Abgeordneten des Parlaments lediglich die Rolle bleibt, die Entscheidungen der Führung der KPCh zu bestätigen. Sie müssen auch jedes Mal einen identischen Ablauf der Sitzung über sich ergehen lassen.

Unter dem roten Stern an der Decke der Großen Halle des Volkes in Peking marschierte am Samstag um kurz vor neun Uhr morgens das versammelte Politbüro ein, begleitet von der Musik einer Militärkapelle. Es folgte die Eröffnungsrede von Wen Jiabao, der diesmal zwei Stunden lang die Arbeit seiner eigenen Regierung pries – samt Ausblick auf die kommenden Jahre. Dass die Rede durchaus tief greifende wirtschaftspolitische Entscheidungen enthielt, fiel bei Wens blutleerem Vortrag kaum auf.

„Unser Hauptziel ist es, ein gutes Umfeld für die Transformation der Mechanismen der ökonomischen Entwicklung zu schaffen“, umschrieb er das Mammutprojekt der chinesischen Führung gewohnt vage. Die Umstrukturierung der Wirtschaft ist wohl das wichtigste Projekt des neuen Fünfjahresplans, der am Ende der mehrtägigen Parlamentssitzung verabschiedet werden wird. Denn obwohl China schon seit längerem versucht, die Weichen für ein ausgewogeneres Wachstum zu stellen, beruht es noch immer auf exzessivem Rohstoffverbrauch und Umweltverschmutzung. Mit dem neuen Fünfjahresplan unternimmt Chinas Führung einen weiteren Anlauf, dies zu ändern. Als Wachstumsziel für dieses Jahr gab Wen deshalb nur noch etwa acht Prozent aus. Für den Zeitraum des neuen Fünfjahresplans strebt die Volksrepublik lediglich sieben Prozent jährlich an.

Die Ziele liegen deutlich unter dem Wirtschaftswachstum des vergangenen Jahres von 10,3 Prozent. In seiner Rede hob Chinas Regierungschef die Förderung von neuen Umwelttechniken und erneuerbaren Energien hervor. Dafür will Peking in den nächsten fünf Jahren gezielt in Schlüsselindustrien wie erneuerbare Energien und Informationstechnik investieren. Weg von der Produktion billiger Massenware, hin zur Fertigung von Spitzentechnologie. Zusätzlich soll der Dienstleistungssektor stärker gefördert werden. So sollen mehr Jobs geschaffen werden, um Beschäftigung für die Millionen Arbeitskräfte zu schaffen, die vom Land in die Städte rücken.

Im Fokus steht jedoch die Umstellung der Wirtschaft auf eine umweltschonendere Produktionsweise. Für Chinas Führung hängt viel von dem Gelingen dieses Vorhabens ab. Denn setzt die Wirtschaft ihr zerstörerisches Treiben weiter fort, dürften die Kosten der Umweltzerstörung das Wachstum des Landes ernsthaft gefährden. Schon jetzt sind die Folgekosten der Naturverschmutzung gravierend. Eine von der Regierung in Auftrag gegebene Studie kam vor kurzem zu dem Ergebnis, dass die Verunreinigung der Natur 2008 Folgekosten von umgerechnet circa 156 Milliarden Euro verursacht habe. Eine andere Studie, an der auch Greenpeace beteiligt war, errechnete einen mehr als doppelt so hohen Schaden. Daneben gefährdet die fortschreitende Umweltverschmutzung auch die Gesundheit der Bevölkerung. Und immer mehr Chinesen zeigen sich wütend über die zahlreichen Umweltskandale im Land. Dennoch bleibt ungewiss, ob sich die neuen Umweltvisionen der Zentralregierung in Peking wirklich in den vielen Provinzen des Landes verbreiten. Denn gerade auf lokaler Ebene fehlt es den Parteifunktionären an Verständnis für Umweltbelange – die weitverbreitete Korruption tut ihr Übriges. „Besonders für die Provinzregierungen zählt häufig noch immer nur das Wirtschaftswachstum, das man um jeden Preis steigern möchte“, sagt Li Ang, Expertin für Energiepolitik von Greenpeace China in Peking.

Neben einer nachhaltigeren Entwicklung der Industrie setzt Peking auf die Stärkung seiner Binnennachfrage, die den Exportweltmeister unabhängiger von unsteten internationalen Märkten machen soll. Schon im vergangenen Jahr wurde der heimische Verbrauch erfolgreich angekurbelt, die Einzelhandelsumsätze stiegen um 18,3 Prozent. Um die Inlandsnachfrage noch weiter zu stärken, versprach Wen Jiabao, besonders niedrige Einkommen anzuheben. Um durchschnittlich sieben Prozent soll das Pro-Kopf-Einkommen der Landbevölkerung jedes Jahr wachsen.

Mit ihren Maßnahmen versucht die Regierung, die wachsende soziale Unzufriedenheit in China zu bekämpfen. Dazu muss diese vor allem die Einkommenskluft zwischen Arm und Reich verringern, die Früchte des anhaltenden Wirtschaftswachstums besser verteilen. Gerade einmal ein Drittel beträgt das Einkommen der Landbevölkerung im Vergleich zu dem der Stadtbewohner. Umso härter trifft die Menschen auf dem Land die rasante Inflation. Bisherige Lohnerhöhungen konnten die Preissteigerung bisher nicht ausgleichen. Steigende Lebensmittel- und Immobilienpreise bergen daher die Gefahr von sozialen Unruhen. Nur wenn es den Machthabern in Peking gelingt, den Lebensstandard innerhalb der Bevölkerung weiter anzuheben, kann die kommunistische Parteispitze ihren alleinigen Führungsanspruch auf Dauer -sichern.

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