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Wirtschaft: Napoleons Rat an George W. Bush

Warum schon viele westliche Eroberer daran gescheitert sind, dem Nahen Osten ihre Regeln aufzuzwingen

Von Hugh Pope, Arbil, und

Peter Waldmann, San Francisco

Wenn George W. Bush seine Truppen jetzt in den Krieg geschickt hat, ist nicht nur der Irak gegen ihn. Auch die Geschichte ist nicht auf seiner Seite.

Seit zwei Jahrhunderten versuchen sich ausländische Mächte an der Eroberung des Nahen Ostens. Jedes Mal versprechen sie, den arabischen Gesellschaften einen Gefallen zu tun. So manche Stadt haben sie dabei modernisiert und neue Ideen und Technologien in die Ferne getragen. Doch seit Napoleon in Ägypten einmarschiert ist, verlief die Geschichte in gleichen Bahnen: Schnell schwindet für die Eroberer die Anziehungskraft, wenn sich die betroffene Nation aufbäumt. Beim Abzug ist der Hass gegen die Fremden dann größer als je zuvor.

Da verwundert es kaum, dass viele Araber, selbst wenn sie schlecht auf Saddam Hussein zu sprechen sind, bestürzt auf den von den USA geführten Einmarsch im Irak reagieren. „Wenn die Amerikaner nicht weitaus feinfühliger vorgehen, als sie und die britischen Kolonialisten bisher imstande waren, wird es ein Ende in Tränen geben“, sagt Faisal Istrabadi, ein im Irak geborener Jurist, der für das US-Außenministerium an Plänen für den Aufbau eines neuen irakischen Justizsystems arbeitet.

Die Ursachen für das Scheitern in der Vergangenheit sind komplex, aber viele gründen in der Zuversicht des Westens, Freiheit und Modernität könnten den Völkern des Nahen Ostens mit Waffengewalt aufgezwungen werden. So fehlgeleitet, haben die großen Eroberer aus dem Westen stets die Unterstützung überschätzt, die ihnen zuteil werden würde. Immer wieder ließen sie zu, dass kooperative Minderheiten über aufgebrachte Mehrheiten regieren, über behütete einheimische Sitten hinweggegangen wird und Aufstände mit brutaler Macht niedergeschlagen werden. „Stets wurde eine Grundregel vergessen: Die Menschen ziehen eine schlechte Regierung aus eigenen Reihe noch immer jeder fremden Macht vor“, sagt der Historiker David Fromkin von der Universität Boston.

Diese Invasion wird anders, versprach Präsident Bush. In einer Ansprache vom 6. März machte Bush deutlich, dass eine neue demokratisch gewählte Regierung die Führung im Irak übernehmen soll. Eher würden die US-Truppen nicht abziehen. Im Pathos eines Staatsgründers sprach er davon, dem Totalitarismus die Stirn zu bieten, „Gottes Geschenk der Freiheit“ zu überbringen. Dieser Idealismus erinnert an die erste westliche Invasion arabischer Länder vor rund 200 Jahren. „Völker von Ägypten, man wird euch sagen, ich sei gekommen, um eure Religion zu zerstören“, verkündete Napoleon bei der Einnahme Kairos 1798. „Glaubt so etwas nicht! Entgegnet, ich sei gekommen, um eure Rechte wieder zu errichten.“

Bereits 1920 töteten die Briten 6000 bis 10 000 irakische Schiiten und Sunniten, die sich gemeinsam aufgelehnt hatten. Um späteren Aufständen der irakischen Kurden Herr zu werden, erfanden die Briten eine neue Technik und griffen die Zivilbevölkerung in Tiefflügen an. Vertreter der Regierung Bush sind sich des historischen Minenfelds bewusst, verweisen aber auf erfolgreiche Demokratisierungen bei Kriegsverlierern wie Deutschland und Japan. Der Optimismus speist sich vor allem aus dem tief verwurzelten Bildungs- und Beamtensystem des Irak, seinen säkularen Traditionen und dem Ölvorkommen, die das Land nach vorn katapultieren sollen.

Eine ähnliche Botschaft der Gleichheit und des Respektes für die „wahrhaftigen Muslime“ hatte auch Napoleon im Marschgepäck, als er Kairo eroberte und dabei 1000 Angehörige der regierenden Kaste tötete.

Wie fast alle westlichen Mächte nach ihnen tappten die Franzosen in die typische Falle: Sie installierten ihre christlichen Glaubensbrüder der Kopten an der Spitze einer Minderheitenregierung, die über die große Mehrheit der Muslime herrschte. Nur wenige Monate später bliesen islamische Geistliche zum Aufstand, der 300 Franzosen das Leben kostete. Zur Vergeltung ließen die Eroberer Kairo verwüsten. Als nächstes kamen die Briten nach Ägypten, um 1882 den Seeweg zu ihren indischen Kolonien durch den Suez-Kanal zu sichern. Nach einer blutigen Revolte durch nationalistische Offiziere der ägyptischen Armee kontrollierten sie das Land und gaben sich gern als Befreier der Bauern vom alten Feudalsystem. Doch mit brutalen Bestrafungen sorgten sie dafür, dass Ägypten zum Zentrum des anti-westlichen Widerstands wurde.

Als Teil ihrer Strategie im Ersten Weltkrieg landeten britische Truppen 1914 im Gebiet des heutigen Iraks, wo sie gegen die Türken in der Region kämpften. „Die Briten strotzten förmlich vor Selbstbewusstsein und glaubten an den schnellen und leichten Sieg“, schrieb der britische Offizier T. E. Lawrence, besser bekannt als Lawrence von Arabien. Trotz überlegener Waffen brauchten die Briten vier Jahre, um den ganzen Irak zu erobern. Um wenigstens den Anschein eines aus dem Volke stammenden Führers zu vermitteln, holten sie den Anführer der arabischen Revolte aus seinem Londoner Exil und ernannten Faisal zum König von Irak. Zuvor war König Faisal, Spross einer arabischen Herrscherfamilie aus Mekka, bereits König von Syrien, wo ihn die Franzosen jedoch abgesetzt hatten. Jahre später machte auch Saddam Hussein die Stämme zu einer Stütze seines Regimes.

Die Briten und der von ihnen ernannte König konnten das Volk nie auf ihre Seite ziehen und enttäuschten den irakischen Drang nach einer unabhängigen Politik. Schon T.E. Lawrence mahnte die britischen Offiziere in einem Rundbrief: „Der Ausländer und Christ ist in Arabien nicht gern gesehen.“ Auch Israel hatte sich überschätzt, als es 1982 im Kampf gegen die palästinensische Guerilla in den Libanon einrückte. Als Heimat jüdischer Emigranten ist Israel für die meisten Araber ein westliches Implantat. Stimmen in Israel warnen die USA heute davor, mit Illusionen in den Irak zu gehen. „Jede Regierung, die von den USA getragen wird, sieht das Volk als Verbündeten der Eroberer“, sagt der israelische Oberst Meir Pial. „Je länger die Amerikaner im Land bleiben, desto tiefer werden sie in den Schlamm geraten.“

Hugh Pope[Arbil], Peter Waldmann[San Francisco]

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