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Wirtschaft: Neue Ministerinnen in neuen Ministerien: Verbände hoffen auf neue Gesundheitspolitik

Nach den doppelten Ministerrücktritten im rot-grünen Kabinett ist eine Debatte über die künftige Ausrichtung von Gesundheits- und Landwirtschaftspolitik entbrannt. Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach sich in Berlin für eine neue, verbraucherfreundliche Agrarpolitik aus.

Nach den doppelten Ministerrücktritten im rot-grünen Kabinett ist eine Debatte über die künftige Ausrichtung von Gesundheits- und Landwirtschaftspolitik entbrannt. Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach sich in Berlin für eine neue, verbraucherfreundliche Agrarpolitik aus. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner signalisierte zwar Kompromissbereitschaft, lehnte einen grundsätzlichen Wechsel in der Agrarpolitik aber ab. Den Forderungen nach einer neuen Gesundheitsreform erteilte Schröder eine Absage.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat bekräftigt, dass die Regierung vor der Bundestagswahl 2002 keine weitere große Gesundheitsreform mehr plant. Dies gelte auch nach dem Wechsel an der Spitze des Gesundheitsministeriums, sagte Schröder am Mittwoch in Berlin. Als Ziele in der Gesundheitspolitik nannte er stabile Kassenbeiträge und die geplante Reform des Finanzausgleichs zwischen den Krankenkassen. Ob mit dem Wechsel an der Spitze des Ministeriums ein Kurswechsel in der Gesundheitspolitik möglich ist, wurde unterdessen unterschiedich beurteilt.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung spekuliert nicht auf weitreichende Veränderungen. "Wir erwarten nicht viel", sagte der Vorsitzende Manfred Richter-Reichhelm. Die Chancen seien gering, dass die Politik in dieser Legislaturperiode einer der großen Forderungen des Verbandes, der Abschaffung der Budgetierung, entgegenkomme.

Wesentlich optimistischer ist Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Marburger Bundes und Präsident der Ärztekammer Hamburg. "Wir glauben, dass mit Frau Schmidt ein Neuanfang in der Krankenversicherungspolitik möglich ist." Nach den bisherigen Bewegungen der SPD-Fraktion erwartet Montgomery, dass die neue Bundesgesundheitsministerin insbesondere einen höheren Kapitaldeckungsanteil und andere privatwirtschaftliche Elemente in die Krankenversicherung einbinden wird.

Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie wertete die Berufung Ulla Schmidts als "programmatisches Signal der Bundesregierung". Jetzt gehe es darum, den Reformstau im Gesundheitswesen, insbesondere in der gesetzlichen Krankenversicherung, aufzulösen. Auf mehr Marktwirtschaft im Gesundheitswesen hofft auch Jürgen Husmann, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Die Leistung der Krankenkassen müsse auf eine Basissicherung konzentriert werden, forderte er. Der Ministerwechsel gebe der Bundesregierung "die Chance zu einem Neuanfang ohne Gesichtsverlust", sagte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Wolfgang Lohmann. Dabei sei die Risikostrukturreform nur ein Punkt auf einer langen Liste von Problemen. Große Hoffnungen setzt er allerdings nicht auf die neue Ministerin. "Frau Schmidt gehört nicht gerade zu den Modernisierern, sondern ist eher für dogmatisches Handeln bekannt", sagte Lohmann. Das sieht der Gesundheitsexperte der FDP, Dieter Thomae, anders. "Ich hoffe, dass Ulla Schmidt in der Gesundheitspolitik den pragmatischen Weg einschlagen wird, den sie auch in der Rentenpolitik gegangen ist", sagte Thomae. Das Thema Eigenverantwortung müsse auch in der Gesundheitspolitik stärker betont werden.

Gegen einen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik sprach sich dagegen der Vorsitzende des Bundesverbandes AOK, Hans-Jürgen Ahrens, aus. Die große Herausforderung an Ulla Schmidt werde es sein, die Ansätze von Andrea Fischer weiterzuführen und umzusetzen. "Vor allem muss sie sich gegenüber all denjenigen behaupten, die jetzt versuchen werden, an den Budgets zu rütteln."

Nicht weniger kontrovers als die Debatte über die künftige Ausrichtung in der Gesundheitspolitik verlief am Mittwoch die Diskussion um die Neuorientierung der Landwirtschaftspolitik. Der Deutsche Bauernverband (DBV) signalisierte der neuen Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Bündnis 90/Grüne) zwar Kooperationsbereitschaft, machte aber auch klar, dass er keinen Anlass für einen grundlegenden Richtungswechsel in der Landwirtschaft sieht.

DBV-Präsident Gerd Sonnleitner sagte in Bonn, es gebe eine "Scheindebatte über Öko-Landwirtschaft hier und Industrielandwirtschaft dort". Bisher habe die Vorgabe der Politik gelautet, dass sich die Landwirte auf Wettbewerb und Markt einstellen sollten. Wenn dies jetzt anders sein solle, werde man eine "große gesellschaftliche Debatte führen müssen".

Künast kündigte unterdessen an, in der Landwirtschaftspolitik werde es eine "Umstellung" auf naturnahe Bewirtschaftung und Tierhaltung geben. Auch Bundeskanzler Schröder sprach von einer "Neuausrichtung" der Landwirtschaft unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes.

fmk, dro, pet

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