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Neuer Protektionismus: Investoren, bitte draußen bleiben

Rüstung, Energie, Autos, Telekommunikation, Medien, Banken: Die Politik will viele Branchen vor unliebsamem Zugriff schützen. Ein neuer Protektionismus in der Weltwirtschaft?

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Die Herren machen nicht mal den Versuch, ihre Einflussnahme zu verschleiern. Im Gegenteil, sie brüsten sich regelrecht damit, die Fusion der Energiekonzerne Suez und Gaz de France geschafft zu haben. Präsident Nicolas Sarkozy saß quasi mit am Verhandlungstisch, und sein Premierminister François Fillon resümiert: „Wir haben die Kontrolle, wir bestimmen die Strategie.“

Am Montag kommt Sarkozy nach Meseberg bei Berlin und spricht mit Bundeskanzlerin Angela Merkel unter anderem über Industriepolitik. In Deutschland wäre das französische Vorgehen wohl undenkbar – allerdings nur, was den Stil angeht. Denn auch hierzulande sind die Ordnungspolitik auf dem Rückzug und die Industriepolitik auf dem Vormarsch. Den freien Wettbewerb, den Markt zu fördern und nicht zu behindern, galt einmal als die Tugend des Exportweltmeisters. Doch inzwischen sagen auch deutsche Politiker, wo es aus ihrer Sicht in Unternehmen und Branchen langgehen sollte.

Gerhard Schröder hatte zum Beispiel als Bundeskanzler keine Hemmungen, die deutschen Banken zu Fusionen aufzufordern. Sein Kalkül: Nur so könne ein großer Global Player am Standort Deutschland entstehen. Wer erwartet hat, dass die aktuelle Bundesregierung mit einer CDU-Bundeskanzlerin und einem CSU- Wirtschaftsminister ordnungspolitisch sauberer agieren würde, hat sich getäuscht. Beispiel EADS: Daimler-Chrysler wollte sich von einem Aktienpaket an dem Airbus-Mutterkonzern trennen, die Bundesregierung aber nicht auf den deutschen Einfluss verzichten. So wurde im Kanzleramt ein Konstrukt gezimmert, bei dem mehrere Bundesländer sowie private und öffentliche Banken für 1,5 Milliarden Euro einen Anteil von 7,5 Prozent übernahmen – ohne Stimmrechte. Die Bundeskanzlerin hat die deutschen Airbus-Investoren nun für den 18. September zu einem Treffen eingeladen. Die Restrukturierung des europäischen Flugzeugbauers soll ein Thema sein. Deutsche Firmen sollen die hiesigen Standorte übernehmen, von denen Airbus sich trennen will.

Ein weiteres Beispiel ist die Diskussion um ausländische Fonds unter staatlicher Kontrolle. Nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) gibt es sie in 25 Staaten, und sie verwalten umgerechnet rund 1700 Milliarden Euro – und damit deutlich mehr, als die mehr als 9000 Hedgefonds weltweit kontrollieren. Quer durch die Parteien ist man sich einig: China, Russland und arabischen Staaten muss es schwerer gemacht werden, massiv in deutsche Schlüsselbranchen einzusteigen. Nur: Wie schafft man eine Gesetzesgrundlage, die das erreicht, ohne die ganze Welt abzuschrecken?

Und: Um welche Branchen soll es eigentlich gehen? Bisher ist nur die Rüstungsbranche geschützt. Laut Außenwirtschaftsgesetz besteht eine Meldepflicht, wenn mehr als 25 Prozent eines Rüstungsunternehmens an einen ausländischen Eigentümer gehen. Die Bundesregierung kann solche Transaktionen unter bestimmten Voraussetzungen untersagen. Die Koalition will nun verschiedene Modelle prüfen, wie andere Branchen einbezogen werden können. „Mit einer Abschottung Deutschlands hat das nichts zu tun“, sagte Merkel jüngst und verwies auf Schutzregeln in anderen Ländern. Einigkeit herrscht, dass auch die Energiebranche geschützt werden sollte. Aber dann wird die Liste bei den einen länger als bei den anderen. SPD-Fraktionschef Peter Struck brachte die Autoindustrie ins Gespräch, sein Parteifreund Peer Steinbrück sieht die Medienbranche als schützenswert an. „Ich bin ziemlich sicher, dass unsere Bürger zum Beispiel nicht wollen, dass ein Medienunternehmen in Deutschland von einem ausländischen Staatsfonds dominiert wird, der darüber hier die öffentliche Meinung beeinflussen will“, sagte der Bundesfinanzminister dieser Zeitung.

Umstritten innerhalb der Regierung ist die Frage, ob die Telekommunikationsbranche einbezogen werden soll. „Wir können uns nicht strategische Bereiche aussuchen und da einfach den Kapitalmarkt beschränken“, sagt ein hoher Regierungsvertreter. „Wir dürfen nicht zu rigide werden.“ Das Ziel sei aber eindeutig, noch in diesem Jahr eine Lösung zu finden. Dagegen erwartet Steinbrück offenbar keine schnelle Einigung. Die Koalition habe vereinbart, Risiken zu analysieren und Maßnahmen zu prüfen. „Das ist nicht leicht, weil wir den Investitionsstandort Deutschland ja nicht belasten oder abschotten wollen. Allerdings müssen wir sehr sorgsam unsere nationalen Interessen bestimmen und im Auge behalten“, unterstreicht Steinbrück.

Rüstung, Energie, Autos, Telekommunikation, Medien, Banken – die Liste der zu schützenden Branchen wird lang und länger. Und die Bundesregierung dürfte auch bei den nächsten großen deutschen Börsengängen – so sie denn klappen – genau auf die Käufer schauen: besonders bei der Deutschen Bahn, die im kommenden Jahr zum Teil privatisiert werden soll, aber auch beim Mischkonzern RAG, der nach einem politischen Kräftemessen sondergleichen an den Aktienmarkt strebt.

Die Wirtschaft hat an der neuen Industriepolitik grundsätzlich nichts auszusetzen. In einem Strategiepapier des BDI heißt es: „Der Schutz der nationalen Sicherheit ist ein legitimes politisches Interesse. Es darf aber nicht als Vorwand für eine Diskriminierung bestimmter ausländischer Investoren missbraucht werden.“ Ausländische Firmen verfügten hier zu Lande bereits über einen Investitionsbestand von 390 Milliarden Euro. Drei Viertel stammten aus EU-Ländern – und nur weniger als ein Promille aus China.

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