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Wirtschaft: Neuer Schwung für die WTO

Pascal Lamy soll den Machtverlust der Welthandelsorganisation stoppen

Genf Der ehemalige EU-Handelskommissar Pascal Lamy ist neuer Generaldirektor der Welthandelsorganisation WTO. Der Allgemeine Rat der 148 Mitgliedsländer wählte ihn am Donnerstag in Genf einstimmig. Lamy war der einzige Kandidat – zuvor hatte sich der 58-Jährige intern gegen drei Kandidaten aus Entwicklungs- und Schwellenländern durchgesetzt.

Bis zum vergangenen Jahr war der Franzose Lamy Außenhandelskommissar der EU. Der Sozialist, der mehrere Eliteschulen absolviert hat, löst am 1. September den Thailänder Supachai Panitchpakdi ab, der nach dreijähriger Amtszeit zur UN-Entwicklunsgorganisation Unctad wechselt. Lamy will für eine Globalisierung mit menschlichem Antlitz eintreten: „Die Welt braucht mehr Handel, aber Handel, der von Regeln eingerahmt wird“, lautet sein Credo.

Lamy rückt in einer für den Welthandel schwierigen Zeit an die WTO-Spitze. Die Welthandelsrunde, die im Jahr 2001 im katarischen Doha ausgerufen worden war, stockt. Die WTO-Mitglieder feilschen um Zölle für Industriegüter, um Zugang für Dienstleister zu fremden Märkten und um das Aus für Agrarsubventionen. Am Agrarstreit war schon die Ministerkonferenz im mexikanischen Cancún 2003 gescheitert. Und im Konflikt um chinesische Textilexporte in die USA und Europa melden sich zunehmend protektionistische Stimmen zu Wort. Zudem schließen immer mehr Staaten regionale und bilaterale Handelsverträge ab, um den stockenden Prozess bei der WTO zu umgehen.

Die deutsche Industrie drängt jetzt auf Fortschritte. „Kommt die WTO-Runde nicht voran oder scheitert sie gar, sind neue bilaterale und regionale Verhandlungen der EU ins Auge zu fassen“, fordert der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in einem Positionspapier zur Handelspolitik. Angesichts der Vielzahl von Handelsabkommen, die nicht nur von den USA vorangetrieben werden, sondern auch von Japan und China, befürchtet der BDI eine Verschlechterung der Wettbewerbssituation für die deutsche Industrie in Asien. Ein schneller Abschluss der Doha-Runde würde dagegen eine deutliche Liberalisierung des Welthandels bringen, hofft die Industrie. Sie tritt auch dafür ein, die WTO-Regeln auf regionale Abkommen anzuwenden. Überprüft werden müsse, ob sie den Mindestanforderungen der WTO genügen.

Lamy muss zudem dafür sorgen, dass in Genf zügiger verhandelt wird. Denn schon im Dezember will die WTO auf der Ministerkonferenz in Hongkong ein Papier vorlegen, das die Grundlage für einen Abschluss der Doha-Runde spätestens 2006 legt. Bis dahin müssen wesentliche Entscheidungen fallen – über die Öffnung der Agrarmärkte für Produkte aus Schwellen- und Entwicklungsländern, über Art und Umfang von Zollsenkungen für Industriegüter, über die Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte sowie Erleichterungen bei der Abwicklung des Handels in Entwicklungsländern.

Als Generaldirektor hat Lamy weniger Gestaltungsmacht als die Chefs anderer Organisationen wie Weltbank oder IWF. Daher muss er als politischer Makler die schwierigen Verhandlungen vorantreiben. Ohne gehörigen Anschub aus Genf droht die Handelsrunde ein weiteres Mal in die Verlängerung zu gehen – eigentlich sollte die Doha-Runde schon Anfang 2005 abgeschlossen werden. Vor allem bei den Verhandlungen über die Dienstleistungsmärkte stockt die Runde. Hier haben nur 55 der 148 WTO-Mitglieder erste Vorschläge unterbreitet. cf/jdh/HB

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