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Neuer Siemens-Chef: Hilfe von außen

Als "aufrechte Persönlichkeit" hat Gerhard Cromme den neuen Siemens-Lenker Peter Löscher bezeichnet. Dass der Aufsichtsratsvorsitzende dies ausdrücklich betonen muss, zeigt die Verkommenheit der Verhältnisse.

Einen Volltreffer. Das ist es, was Gerhard Cromme und Josef Ackermann brauchen. 475.000 Mitarbeiter hoffen in allen Teilen der Welt auf das gute Händchen der Siemens-Aufsichtsräte bei der Personalauswahl. Sie hoffen auf Peter Löscher – und werden ihn misstrauisch beobachten, denn der neue Chef ist wider die Gepflogenheiten in der Münchener Zentrale kein Siemensianer. Aber was sind schon Gewohnheiten und Rituale in der aktuellen Situation. Im Übrigen hat das Siemens-Establishment den Konzern an den Abgrund geführt. Jetzt kann nur noch jemand von außen helfen.

Wie dramatisch die Lage ist, wird auch durch die Bestellung Löschers deutlich: Mit dem zuletzt beim amerikanischen Siemens-Konkurrenten General Electric tätigen Manager wollen Cromme und Ackermann den Ermittlern der amerikanischen Börsenaufsicht signalisieren, dass ein unbelasteter Vorstandschef den bayerischen Saustall aufräumt. Das wird schmutzig und teuer.

Bislang ist durch Korruption allein im Geschäftsbereich Kommunikation ein Schaden von mehr als 420 Millionen Euro identifiziert. Es gibt aber noch zehn weitere Geschäftsbereiche, und die für Korruption durchaus sensiblen Sparten Kraftwerksbau, Transportsysteme oder Medizintechnik sind noch gar nicht untersucht. Da kann noch einiges hochkommen. Die bisherige Siemens-Spitze hatte mit dem Engagement des früheren Watergate-Ermittlers Michael Hershman und einer New Yorker Anwaltskanzlei versucht, die US-Behörden ruhig zu stellen. Vergeblich. Am Ende der Ermittlungen der Börsenaufsicht SEC könnte der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen in den USA oder der Verweis von der Wall Street stehen.

Wer aber sollte dann noch sein Geld in Siemens-Aktien anlegen? Vielleicht ein paar Hedge-Fonds, die Einzelteile des Konzerns sicher vortrefflich zu verwerten wüssten. Doch bevor es so weit kommt, schließt man einen Vergleich mit den US-Ermittlern. Erfahrungsgemäß liegt die dann fällige Vergleichssumme um ein Vielfaches über dem ermittelten Schmiergeldbetrag. So wie die Dinge in München liegen, wären ein paar Milliarden Strafe vermutlich noch mit das Beste, was Siemens passieren kann. Der Konzern würde es überleben.

Bis zum nächsten Mal. Zum Aufklären und Aufräumen gehören nicht nur neue Personen, sondern auch neue Verfahren und Strukturen. Die organisierte Verantwortungslosigkeit in einem System, in dem sich alle im Dickicht des Konglomerats verstecken, ist unerträglich. Am Ende haben alle von allem nichts gewusst und ziehen sich achselzuckend mit der Millionenabfindung an den Starnberger See zurück. Diese unappetitliche Siemens-Welt hat zur Katastrophe geführt. Löschers Hauptaufgabe ist deshalb, transparente und saubere Strukturen einzuführen, das alte System zu schleifen. Und alle Systemträger aus ihren Führungspositionen zu entfernen.

Als „aufrechte Persönlichkeit“ hat Cromme den neuen Vorstandsvorsitzenden bezeichnet. Dass der Aufsichtsratsvorsitzende dies ausdrücklich betonen muss, zeigt die Verkommenheit der Verhältnisse bei Siemens. Wenn es wirklich so ist, dass auf manchen Märkten, in manchen Regionen ohne Schmiermittel nichts läuft, dann sollte Siemens das offenlegen und sich aus dem Bereich zurückziehen; auch wenn das erst mal Arbeitsplätze kostet. Denn illegale Geschäfte sind am Ende immer schlechte Geschäfte.

Peter Löscher wird eine Menge Arbeit haben. An seinem Wirken hängt nicht allein ein großer Konzern. Siemens ist mehr. Die deutsche Wirtschaft wird in der Welt mit tollen Autos und raffinierten Maschinen in Verbindung gebracht. Doch für Technologie made in Germany steht Siemens. Seit 160 Jahren. Wenn dieser Imageträger wegen fauler Geschäfte kaputt geht, betrifft das nicht nur die 160 000 Siemens-Beschäftigten in Deutschland. Der Ruf der Wirtschaftsnation insgesamt leidet. Auch deshalb ist dem Österreicher Löscher viel Glück zu wünschen. Eben ein Volltreffer für die deutsche Wirtschaft.

Ein Kommentar von Alfons Frese

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