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Wirtschaft: Neuer Skandal bei der Arbeitsverwaltung Kosten für das Arbeitsamt im Internet sind explodiert/BA-Chef ahnt Korruption und muss Rechenschaft ablegen

Der stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrates, Peter Clever, bezeichnete den Skandal am Freitag als „möglicherweise konspirativ angelegte Vertuschungsaktion.“ Dabei gehe es um einen Auftrag an das Beratungsunternehmen Accenture zum Aufbau eines Internetportals und der Jobbörse www.

Der stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrates, Peter Clever, bezeichnete den Skandal am Freitag als „möglicherweise konspirativ angelegte Vertuschungsaktion.“ Dabei gehe es um einen Auftrag an das Beratungsunternehmen Accenture zum Aufbau eines Internetportals und der Jobbörse www.arbeitsagentur.de. Dessen ursprüngliches Volumen (65 Millionen Euro) wurde bereits im Dezember auf 77 Millionen Euro erweitert. BAVorstandsmitglied Heinrich Alt habe den Verwaltungsrat seinerzeit darüber informiert, sagte Clever dem Tagesspiegel, dass diese Erweiterung notwendig und vom Vorstand unterstützt worden sei.

Rund zwei Monate danach sei der Verwaltungsrat allerdings nur „durch eine Pressemitteilung“ darüber unterrichtet worden, dass das Volumen nunmehr 100 Millionen Euro betrage. „Ein Informationsmanko“, meint Clever, „das alles andere als lustig ist“. Zumal der damalige Finanzvorstand Weise eine Woche später zum neuen BA-Vorstandschef aufstieg. Eine Mitverantwortung Weises sieht der Arbeitgebervertreter in dem Kontrollgremium jedoch nicht. „Herr Weise hat seine volle Autorität in die Waagschale geworfen, um Licht in die Sache zu bringen“, sagte Clever.

Wie der Tagesspiegel aus BA-Kreisen erfuhr, wusste Vorstand Alt von den Vorgängen. In seiner Verantwortung sei im Februar 2003 der Rahmenvertrag mit Accenture abgeschlossen worden, er sei auch über alle Erweiterungen des Auftrags informiert gewesen, hieß es. Dass es im Laufe der Monate zu einer Verdopplung des Auftragswertes gekommen ist, liegt nach BA-Informationen an der Gestaltung des Rahmenvertrages. Darin seien ausdrücklich „Grobvereinbarungen“ festgeschrieben worden. Für alle danach vereinbarten Konkretisierungen habe Accenture zusätzliche Honorare fordern können.

Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sagte am Freitag, ihr Haus sei bereits am vergangenen Wochenende von Weise informiert worden. Bereits Mitte nächster Woche will der Wirtschaftsausschuss des Bundestages die Vorstände Weise und Alt befragen. Dessen Vorsitzender Rainer Wend (SPD) sagte dieser Zeitung, bei dem Fall handele es sich „nicht um eine Kleinigkeit“. Beide Vorstände „müssen uns dazu Rede und Antwort stehen“. „Nach Erklärungen von Herrn Weise“, sagte Wend, „ist der Vorstand über längere Zeit getäuscht worden.“

Der Projektleiter für die Online-Börse, Jürgen Koch, wurde Mitte der Woche abgesetzt, jedoch nicht entlassen. Der Aufbau des Systems ist bis auf weiteres gestoppt worden. Holger Bill, Geschäftsführer öffentliche Verwaltungen der Beratungsgesllschaft Accenture, wies gegenüber dem Tagesspiegel den Verdacht möglicher Korruption entschieden zurück. Accenture sei von der Bundesagentur mit einem Rahmenvertrag bis 2008 ausgestattet, der von der BA einseitig im Jahre 2005 gekündigt werden könne. Bei Abschluss des Vertrages habe das Auftragsvolumen zwar bei 65 Millionen Euro gelegen, damals seien aber die Auswirkungen der Reformpakete Hartz zwei bis vier noch nicht absehbar gewesen. „Das Problem der Bundesagentur war, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau spezifizieren konnte, welche Lösungen sie eigentlich braucht“, sagte Bill weiter.

Nach seiner Darstellung sei aber von Anfang an klar gewesen, dass der Betrag nicht ausreichen werde. Durch die Folgeaufträge sei das Gesamtvolumen auf 105 Millionen Euro gestiegen. Nicht kommentieren will Bill die zusätzlich 40 Millionen Euro Netzwerkkosten. Das sei eine interne Angelegenheit der Bundesagentur. Accenture habe von einem Stopp des Projektes bislang noch nichts gehört. Die nächste Stufe der Internetplattform soll wie geplant im Mai starten. Accenture befürchtet allerdings jetzt, dass der weitere Ausbau gestoppt werden könnte.

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