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Einnahmequelle. Der Umsatz des App Store liegt bei 46 Milliarden Dollar.

© R.Tongo/dpa

Neues Buch „App Store Confidential“: Ein Insider verrät, was Apple verheimlichen wollte

Ein ehemaliger Apple-Mitarbeiter hat aufgeschrieben, wie das App-Geschäft funktioniert. Der Konzern wollte das Buch zunächst verhindern. Eine Rezension.

Von Laurin Meyer

Ginge es nach Apple, wäre Tom Sadowskis Buch nie erschienen. Mit einer Unterlassungsaufforderung wollte der Weltkonzern die Veröffentlichung verhindern. Der Vorwurf: Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen. Schon der Titel kündigt einen Geheimnisverrat an. „App Store Confidential“ heißt das Werk des ehemaligen deutschen Apple-Mitarbeiters.

Insgesamt zehn Jahre arbeitete der heute 46-Jährige für den iPhone-Hersteller – zunächst als deutscher Marketingleiter für den Musikdienst iTunes, später für den App Store. Der Mann muss also wissen, wovon er spricht.

So vielversprechend der Titel auch klingt: Streng vertraulich ist das nicht, was Sadowski auf seinen 180 Seiten schreibt. Wie der Konzern seine Apps sortiert und vermarktet? Alles öffentlich. Wie viel Apple an einem Download verdient? Ist bekannt. In Fußnoten verlinkt Sadowski sogar auf die Originalquellen, einige führen direkt zu Apple.

Das mittlerweile milliardenschwere Geschäft des Tech-Konzerns, das Sadowski beschreibt, bleibt trotzdem beeindruckend. Denn erst vor zwölf Jahren ist der App Store mit gerade einmal 500 der kleinen Programme für Apple-Geräte gestartet. Heute werden dort rund 1,8 Millionen Apps angeboten.

Damit erzielt allein der App-Store einen Jahresumsatz von rund 46 Milliarden Dollar weltweit für den Konzern aus dem Silicon Valley. Das ist fast doppelt so viel wie die Fastfoodkette McDonalds weltweit erzielt. Der Jahresumsatz des Gesamtkonzerns Apple lag im vergangenen Jahr bei 260 Milliarden Dollar.

Streifzüge durch die deutsche Entwicklerszene für Apple

Als ehemaliger Deutschland-Marketingchef des App Stores berichtet Sadowski vor allem von seinen Streifzügen durch die deutsche Entwicklerszene. Sein Job war es, mit allen relevanten Start-ups ins Gespräch zu kommen, ihnen Tipps zu geben, wie sie im App Store erfolgreich werden können.

Denn alle haben das gleiche Ziel: Eine prominente Platzierung in den Shop-Listen von Apple zu ergattern. Im Gegensatz zu den meisten anderen Plattformen gibt es im App Store kaum bezahlte Werbung. Stattdessen gehörte es zur Aufgabe von Sadowski, die besten Apps auszuwählen und den Nutzern vorzustellen.

Apple-Chef Tim Cook besuchte auch ein Projekt in Berlin.
Apple-Chef Tim Cook besuchte auch ein Projekt in Berlin.

© imago images/Zuma Press/Karl Mondon

Sadowski gibt dabei Einblicke in die Anfänge einiger Start-ups, die auch mit seiner Hilfe zu weltweit erfolgreichen Unternehmen aufgestiegen sind. So berichtet er von einem Treffen mit Valentin Stalf, dem Mitgründer der Berliner Mobilbank N26, der ihm schon damals von seiner Vision einer Bank in der Hosentasche erzählte.

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Unfreiwillig offenbart Sadowski dabei die Macht des Konzerns, von dessen Vorlieben offenbar das Schicksal ganzer Start-ups abhängt. „Wir wollten N26 unterstützen“, schreibt Sadowski. Die Smartphonebank bekam daher fortan Workshops zur App-Store-Optimierung, wurde wichtigen Apple-Entscheidern in den USA vorgestellt. Und als im Sommer 2016 dann Apples Softwarechef Craig Federighi eine neue Funktion zur Überweisung per Sprachbefehl vorstellte, nannte dieser vor einem weltweiten Millionenpublikum N26 als Beispiel.

Apple-Chef Tim Cook besuchte das Kreuzberger Büro

In ähnlicher Weise profitierten auch die Berliner Entwicklerinnen der App „Kitchen Stories“, einem digitalen Rezeptbuch. Vor drei Jahren besuchte selbst Apple-Chef Tim Cook das Kreuzberger Büro, warf vor laufenden Kameras ein paar Pfannkuchen in die Luft. „Gutes Bild für die Presse“, schreibt Sadowski.

Daneben beinhaltet „App Store Confidential“ auch zahlreiche autobiografische Abschnitte. So schildert Sadowski etwa, wie er zum Konzern kam. Der heute 46-Jährige arbeitete zuvor im Marketing für StudiVZ – dem deutschen Facebook für Studenten, das mittlerweile Insolvenz angemeldet hat.

Der Weltkonzern Apple ist stets bemüht um ein positives Image.
Der Weltkonzern Apple ist stets bemüht um ein positives Image.

© imago images/Jan Huebner

Als er bereits auf dem Absprung war, bekam er das Angebot von Apple, den Musikdienst iTunes im deutschsprachigen Raum voranzutreiben. „So ziemlich das Coolste, was es gab“, schreibt Sadowski.

Der Marketingexperte lässt dabei allerdings auch keine Gelegenheit aus, um seine Eignung für einen Führungsjob bei einem Weltkonzern zu belegen. Etwa, wenn er beschreibt, wie er in der neunten Klasse eine Schülerband gründete, oder wenn er von seinen vielseitigen Hobbies während seiner Kindheit in Bremen-Oberneuland berichtet. Das liest sich dann mitunter wie ein Bewerbungsschreiben.

Kooperation mit der „Bild“-Zeitung platzte kurz vor Start

Am öffentlichen Bild von Apple ändert Sadowskis Buch allerdings nichts. Apple gilt seit jeher als perfektionistisch, gestützt von hierarchischen Strukturen, stets bemüht um ein positives Image. Der Konzern wirkt unnahbar. Und das nicht nur, weil Apple seit jeher etwa von wichtigen Messen fernbleibt. Manche Beschreibungen des ehemaligen Apple-Mitarbeiters bestätigen dieses Bild.

So schildert Sadowski etwa einen Besuch beim ehemaligen Unterhaltungschef der „Bild“-Zeitung, mit dem er zu Beginn seiner Karriere eine Kooperation eintüten wollte. Die Idee: Die bekanntesten Promis des Landes stellen auf der letzten Seite des Blattes ihre Lieblingssongs von iTunes vor. Die Erlöse der generierten Downloads sollten dann an eine Hilfsorganisation gehen.

Keine Abrechnung mit dem ehemaligen Arbeitgeber Apple

Doch die Zusammenarbeit platzte kurz vor dem Start. Eines Morgens bekam Sadowski eine kurze Mail, schreibt er, ohne jedoch den Urheber zu nennen. Inhalt: Man habe Zweifel, ob die „Bild“ als Marke geeignet sei, also Zweifel an deren Image. Der Deal sei abgeblasen. Und er, Sadowski, damit bloßgestellt.

Eine Abrechnung mit seinem ehemaligen Arbeitgeber ist das Buch aber keineswegs. Im Gegenteil: Mehrfach schlägt der ehemalige Mitarbeiter versöhnliche Töne an. „Ich bin außerordentlich dankbar für die letzten zehn Jahre“, schreibt er etwa schon zu Beginn. Nichts also, wovor sich der Konzern fürchten müsste. Wohl auch deshalb hat Apple offenbar nachgegeben – und sich nach der ersten Unterlassungsdrohung nicht mehr gemeldet. Tom Sadowski: App Store Confidential – Ein persönlicher Blick hinter die Kulissen von Apples wichtigstem Business. Erschienen im Februar 2020 im Murmann- Verlag, 184 Seiten, 18 Euro.

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