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Wirtschaft: Neuordnung am Himmel

Krieg, Wirtschaftsflaute, Sars: Die Fluggesellschaften müssen viele Probleme gleichzeitig bewältigen

DIE KRISE DER LUFTFAHRT – WIE SICH DIE BRANCHE VERÄNDERT

Griechenland hat Olympic Airways, Italien Alitalia oder Deutschland die Lufthansa. Selbst die Schweiz und Belgien haben wieder ihre eigene Fluggesellschaft. Zwar sind die Swiss und SN Brussels Airways viel kleiner als ihre Pleite gegangenen Vorgängerinnen Swissair und Sabena. Aber trotzdem: besser eine kleine als keine. Das war bisher die Devise. Die Zukunft sieht anders aus: Dann wird es in Europa nur noch ein bis zwei Fluglinien geben, die in die ganze Welt fliegen. Höchstens zwei Billigflieger werden uns innerhalb Europas befördern, und es gibt noch einen Niedrigpreis-Charterflieger.

Das ist das Szenario von Rigas Doganis, dem ehemaligen Olympic-Airways-Chef, der jetzt an der Cranfield University in England lehrt und die Branche berät. „Die Branche muss sich neu ordnen, es muss Fusionen geben – damit die Firmen endlich effizient werden und die Überkapazitäten reduziert werden.“ Jetzt, wo die Fluggesellschaften wegen schwacher Konjunktur, Krieg und Sars laut Lufthansa-Vize Wolfgang Mayrhuber „in der schlimmsten Krise seit Anfang der Luftfahrt“ stecken, ist der Druck zur Neuordnung und zur Strukturreform umso größer.

Die neuesten, noch vorläufigen März-Zahlen des internationalen Luftfahrtverbandes Iata sind verheerend: Im vergangenen Monat ist der Flugverkehr innerhalb Europas im Vergleich zum Vorjahresmonat um vier Prozent geschrumpft, der transatlantische um zwölf Prozent, der transpazifische um elf Prozent, der zwischen Europa und dem Nahen Osten und Afrika um 20 Prozent und der zwischen Europa und Asien um 15 Prozent. „Die Krise ist akut“, sagt William Gaillard, Informationschef der Iata.

In Europa befürchtet man Milliardenverluste in diesem Jahr: Bestenfalls wird im Gesamtjahr der Umsatz pro Passagier und geflogenem Kilometer um fünf Prozent zurückgehen, schätzt der Verband europäischer Fluggesellschaften (AEA). Dann werde es Verluste von 1,8 Milliarden Dollar geben, sagte Ulrich Schulte-Strathaus, Präsident der AEA, dem Tagesspiegel am Sonntag. Schlimmstenfalls rechne man mit einem Minus von neun Prozent für den europäischen Luftverkehr, dann müsse die Branche 3,4 Milliarden Dollar Verluste erleiden.

„Die Krise setzt die Branche, aber auch die Regierungen unter Druck, die Umstrukturierung anzugehen“, sagt Andreas Knorr, Luftfahrtexperte an der Uni Bremen. Einerseits müssen die traditionellen Luftfahrtgesellschaften ihre Geschäftsmodelle wandeln, um auf den Preisdruck der Billigflieger zu reagieren. Denn als es noch keine Billigflieger gab und der Markt noch staatlich reguliert war, mussten die Fluglinien kaum auf ihre Kosten achten. Deswegen treten sie jetzt mit viel teureren Strukturen gegen die neue Konkurrenz an. „Wenn die Großen die Regionalstrecken den Billigfliegern nicht überlassen, ist das Selbstmord“, sagt Doganis. Die Großen müssten sich in Zukunft auf die Fernflüge konzentrieren. Zweitens „muss sich die Branche konsolidieren“, sagt Iata-Sprecher William Gaillard. Im Moment scheitern Firmenübernahmen an staatlichen Hürden: Europäische Fluggesellschaften dürfen nur zu 49 Prozent in ausländischer Hand sein. Außerdem werden Flugrechte zwischen EU- und Drittstaaten bisher bilateral verhandelt. Diese Klauseln beschränken aber den Marktzugang auf Fluggesellschaften mit Sitz in den Vertragspartnerländern.

Im November vergangenen Jahres hat der Europäische Gerichtshof allerdings den Weg für eine Öffnung des Luftverkehrs geebnet und die bilateralen Abkommen teils für rechtswidrig erklärt. EU-Verkehrskommissarin Loyola de Palacio will die EU-Verkehrsminister schnell davon überzeugen, die Restriktionen im europäischen Binnenmarkt aufzuheben – dann würde die EU stellvertretend für die einzelnen Staaten mit den USA verhandeln, und Fusionen würden erleichtert. Kleinere Fluggesellschaften wie Air Portugal, die skandinavische SAS oder Olympic Airways würden sich mit den größeren zusammentun. Die Verlierer sind die Mitarbeiter, denn für sie bedeutet die Konsolidierung langfristig weniger Geld – und Entlassungen. Die Lufthansa hat ihrem Personal gerade Kurzarbeit verordnet und schließt weitere Sparmaßnahmen bei den Beschäftigten nicht aus. SAS will 4000 Mitarbeiter entlassen. Für die Kunden ist die Konsolidierung gut: Die Preise werden insgesamt sinken.

So schlimm die Krise auch jetzt sein mag – sie geht vorüber, meinen die Experten. „Ein paar Jahre nach dem ersten Golfkrieg waren viele europäische Fluglinien wieder in der Gewinnzone“, sagt Doganis. In einem liberalisierten Umfeld werde die Nachfrage schneller wachsen. „Wir werden in zwölf Jahren doppelt so viele Passagiere haben wie jetzt“, prognostiziert Gaillard, „also drei Milliarden.“ Haupterzeuger des Wachstums: die Märkte in Asien, Südamerika und Osteuropa.

Flora Wisdorff

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