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Wirtschaft: New Economy in Berlin: "Die gute Nachricht ist: Uns gibt es noch"

First Mover, der erste am Markt zu sein, ist im Zeitalter des Internet eine der Erfolgsstrategien. Doch zu hohes Tempo kann auch ein Nachteil sein.

First Mover, der erste am Markt zu sein, ist im Zeitalter des Internet eine der Erfolgsstrategien. Doch zu hohes Tempo kann auch ein Nachteil sein. Das ist jedenfalls die Lehre, die Andreas Hoffmann aus der Geschichte seines jungen Unternehmens gezogen hat. Die Berliner Yoolia AG habe ein gutes Konzept gehabt, doch es hat nicht funktioniert: "Wir waren zu früh", sagt der 31-jährige Vorstand. "Wir haben versucht, den Faktor Zeit auszuschalten." Tatsächlich habe sich der elektronische Handel über das Internet viel langsamer entwickelt als erwartet. Doch mit dieser Fehleinschätzung sei Yoolia nicht allein gewesen. "Das war ein kollektiver Irrtum", sagt Hoffmann. Den First Mover Advantage gebe es immer noch, aber man könne trotzdem die ökonomischen Grundlagen und die Tragfähigkeit des Marktes nicht ignorieren. Immerhin habe nicht mal er als Unternehmer der New Economy seine Weihnachtsgeschenke im vergangenen Jahr im Netz gekauft.

Dass die Yoolia AG, gegründet im November 1999, am Markt nicht den erhofften Erfolg hatte, mag auch damit zusammenhängen, dass das Geschäftskonzept nicht so einfach zu erklären ist. "Die persönlichen Daten jedes Internetnutzers besitzen einen ökonomischen Wert", sagt Hoffmann. "Wir sind ein Informationsbroker, der dem Nutzer hilft, diesen Wert zu realisieren." Die Idee: Yoolia sammelt Daten zu den persönlichen Vorlieben und Interessen der Nutzer und vermarktet die anonymisierten Kundenprofile. Der Kunde bekommt dafür ein Entgelt. Die Kundenprofile werden mit den Angebotsprofilen verschiedener Hersteller verglichen. Die Software, die diese Abgleichung vornimmt, ist eine Eigenentwicklung von Yoolia. Der Kunde erhält ein auf ihn zugeschnittenes Angebot. Der Händler gewinnt wertvolle Informationen über seine Kunden.

Die Einnahmen von Yoolia sollten auf drei Wegen fließen: über Bannerwerbung, die Vermarktung der anonymisierten Kundendaten zu Marktforschungszwecken und über Provisionen für die E-Commerce-Transaktionen. Doch die Werbeeinnahmen waren geringer als erwartet, und statt der anvisierten 100 000 Nutzer konnte Yoolia nur 50 000 Kunden gewinnen. Geplant war ein Umsatz von 1,5 Millionen im Jahr 2000. "Es ist weit weniger als ein Drittel geworden", sagt Hoffmann. "Unser ganzes Geschäftsmodell war auf Wachstum eingestellt. Die schleppende Entwicklung des E-Commerce hat uns kalt erwischt."

Yoolia startete mit zwölf Mitarbeitern und einer Anschubfinanzierung von 8,4 Millionen Mark. Von diesem Geld lebte Yoolia im vergangenen Jahr, denn als die zweite Finanzierungsrunde Mitte des Jahres anstand, war der euphorischen Stimmung in der Branche bereits die Ernüchterung gefolgt. "Vor Mai war es kein Problem, eine Finanzierung zu bekommen. Aber danach gab es noch nicht einmal mehr Termine für ein Gespräch", sagt Hoffmann. Die zweite Finanzierungsrunde, die planmäßig nach zwei bis drei Monaten hätte abgeschlossen sein sollen, blieb aus. Auf 70 Mitarbeiter, verteilt auf drei Fabriketagen in einem Kreuzberger Hinterhaus brachte es Yoolia im Juni 2000. Danach ging es stetig bergab. Ende Dezember 2000 ging Yoolia vom Netz, da waren es nur noch zehn Mitarbeiter im Unternehmen - vor allem Programmierer.

Yoolia war "in arge Liquiditätsschwierigkeiten geraten", sagt Hoffmann. Der Vorstand schnürte ein Sanierungspaket und krempelte das Geschäftsmodell um. Der Kapitalgeber half mit einer Zwischenfinanzierung. Yoolia verkauft jetzt die Personalisierungssoftware als Modul für andere Online-Shops. Einen Kunden gibt es schon. Das Umsatzziel aus dem Jahr 2000 soll jetzt 2001 erreicht werden. "Die gute Nachricht ist: Es gibt uns noch", sagt Hoffmann. Er hat keinen Zweifel, dass bald Folgeaufträge kommen werden. "Wir steuern in einen aussichtsreichen Wachstumsmarkt hinein, den Markt für Personalisierung." Da klingt die alte Zuversicht aus den Gründertagen wieder durch.

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