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Fernweh. Immer mehr chinesische Studenten bewerben sich in Deutschland. Vor allem Ingenierurs- und Vertriebsposten sind beliebt. Deutsche Mittelständler freuen sich – nicht nur angesichts des Fachkräftemangels. Foto: ddp

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Wirtschaft: Ni hao, Kollegen!

Deutsche Arbeitgeber sind bei chinesischen Akademikern gefragt. Und Mittelständler entdecken das Potenzial aus Fernost.

Wenn Chinesen an Deutschland denken, dann fällt den meisten deutsche Ingenieurskunst ein. An Marken wie Mercedes, Porsche und BMW denken sie sofort. Doch Deutschland als Arbeitsort – das kam für chinesische Akademiker bisher kaum infrage.

Im Jahr 2011 befanden sich laut Berechnungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) unter den insgesamt 25 000 hochqualifizierten Einwanderern, die von außerhalb der EU und der europäischen Freihandelszone Efta nach Deutschland kamen, um zu arbeiten, gerade mal rund 2000 Chinesen. Zu anstrengend war vielen Unternehmen die Anwerbung der Asiaten, zu schwierig die deutsche Sprache für Bewerber aus dem Reich der Mitte. Allen voran Kanada, aber auch die USA und Australien, verzeichneten dagegen bis zu fünfmal so viele dieser chinesischen Zuwanderer.

Doch in den letzten zwei Jahren hat Deutschland seine bürokratischen Hürden für ausländische Arbeitnehmer deutlich gesenkt – mit neuen Regeln für die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der „Blue Card“, um schneller an eine Arbeitserlaubnis zu kommen. Das macht den Weg nach Deutschland für Chinesen deutlich einfacher als beispielsweise in die USA.

Und so scheint der aus fernöstlicher Sicht früher unattraktive Einsatzort weit weg von zu Hause, an Anziehungskraft zu gewinnen. „Wir merken, dass sich immer mehr findige chinesische Studenten bewerben, die entweder nach ihrem Studium in Deutschland bleiben wollen oder die sogar erstmals herkommen, um hier zu arbeiten“, sagt Stefan Klemm. Er ist Organisator des „Karrieretags Familienunternehmen“, einer Jobmesse der familiengeführten Mittelständler. Der Fachkräftemangel, den immer mehr Unternehmen spüren, macht es möglich, dass nun auch chinesische Akademiker in Betracht kommen, wenn es um unbesetzte Ingenieurs- oder Vertriebsposten geht.

Jiuqi Fan hatte sich vergangenen Herbst um die Teilnahme am Karrieretag beworben. Wer sich dort nach Arbeitgebern umschauen will, muss zuerst seinen Lebenslauf einreichen und als potenziell passend für ein Familienunternehmen ausgewählt werden. Dann erhalten diese Interessenten eine Einladung zur Veranstaltung. Fan kam mit dem Geschäftsführer der Isabellenhütte, Jürgen Brust, ins Gespräch und hinterließ einen nachhaltigen Eindruck: Seit November 2012 arbeitet die 25-jährige Chinesin bei dem hessischen Zulieferer der Automobil- und Elektronikindustrie. Bislang beschäftigte das Familienunternehmen in der Zentrale in Dillenburg kaum internationale Fachkräfte. Bis zum letzten Jahr wurde auch „keine gezielte Fachkräftestrategie“ verfolgt, räumt Marketingleiter Rolf Viehmann ein. Der Antritt von Wirtschaftsingenieurin Fan hat das geändert. Seitdem wird ausländische Verstärkung gezielt gesucht.

Probleme mit der deutschen Sprache hatte Fan nicht. Ihre Eltern schickten ihre Tochter mit 14 Jahren nach Deutschland, wo sie auf der Internatsschule in Salem das Abitur machte. Ihre Familie in Schanghai besucht sie seitdem einmal im Jahr. Fan studierte in Karlsruhe, schloss mit dem Bachelor ab und betreut bei der Isabellenhütte den Vertrieb von Messtechnik-Elementen in Korea, Indien und Thailand. „Ich wusste seit meiner Schulzeit, dass ich gerne für ein deutsches Familienunternehmen arbeiten möchte“, sagt Fan, die im Internat viele Sprösslinge aus Familiendynastien kennengelernt hat. „Mir hat es immer gefallen, dass sie Verantwortung für andere Menschen zeigen.“ An dem Traditionsunternehmen imponierte der jungen Frau zuerst das Firmenwappen mit einer Krone und den verschnörkelten Initialen der früheren Besitzerin Isabella Charlotte Fürstin zu Nassau. Dann erst begeisterte sie die in Aussicht gestellte Aufgabe. „Ich möchte eine Zeit lang in Deutschland arbeiten“, räumt Fan ein, “und dann erst zurück nach China gehen.“ Vielleicht ja zur chinesischen Tochtergesellschaft der Isabellenhütte in Schanghai.

Auch für Jiangxu Wang kommt die Rückkehr nach China vorerst nicht infrage. Der Diplom-Ingenieur ist stolz darauf, dass er sich bei Weidmüller in Detmold etabliert hat. „Deutsche Arbeitgeber sind attraktiv“, sagt er und lobt, dass bei deutschen Familienunternehmern die Fürsorge für die Mitarbeiter im Mittelpunkt stehe und der Arbeitsplatz kaum krisenanfällig sei. Nur die deutsche Küche ist für Wang noch immer gewöhnungsbedürftig: „Chinesen essen nur Weißbrot, das in Deutschland nicht so beliebt ist.“

Wang arbeitet im technischen Service des Elektrotechnikherstellers. Er berät Kunden in aller Welt, wenn es um spezielle Kommunikationstechnik, etwa im Maschinenbau oder der Energieerzeugung, geht. Er stammt aus der Industriemetropole Shenyang im Nordosten Chinas, Maschinenbau hat er zuerst in seiner Heimat, dann in Bochum studiert. „Die Ingenieurskunst im deutschen Autobau war schon immer mein Vorbild“, sagt der Ingenieur, der es in sein Traumland geschafft. Zwar sei es mühsam, Deutsch zu erlernen. Doch der Aufwand habe sich gelohnt. Er merke, dass er dazugehöre im Detmolder Unternehmen. „Mit vielen Kollegen rede ich Deutsch“, auch wenn die Unternehmenssprache Englisch sei.

Schon Ende 2011 hat das Detmolder Unternehmen eine Aus- und Weiterbildungsakademie in Schanghai eröffnet. Regelmäßig kommen seitdem Trainees für einige Monate nach Deutschland. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, wann auch sie bleiben. (HB)

Petra Schäfer

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