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Verbesserungswürdig. Manche Biospritsorten seien genauso schlecht oder „sogar schlechter als fossile Kraftstoffe“, sagte EU-Klimaschutzkommissarin Connie Hedegaard.

© dpa

Biosprit: Nicht mehr als fünf Prozent

Die EU-Kommission legt neue Regeln für Biosprit vor – und verärgert die Agrarindustrie. Kein Wunder, denn auch die Wettbewerbshüter selbst sind nicht restlos überzeugt.

So zurückhaltend schlägt die EU-Kommission selten neue Gesetze vor: Die Vorschläge seien „nicht perfekt“, sagten sowohl EU-Energiekommissar Günther Oettinger als auch seine für den Klimaschutz zuständige Kollegin Connie Hedegaard angesichts der Kritik von Umweltschützern wie Industrievertretern, als sie am Mittwoch die künftigen Regeln für die Produktion von Biosprit bis zum Jahr 2020 präsentierten. Dann sollen zehn Prozent der Energie im Verkehrssektor aus nachhaltiger Quelle stammen.

Das ist bei der bisherigen Produktion von Biosprit nicht der Fall. „Manche Biospritsorten sind genauso schlecht oder sogar noch schlechter als die fossilen Kraftstoffe, die sie ersetzen“, sagte Hedegaard zu den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Künftig fließt deshalb auch die sogenannte indirekte Landnutzung für die vermeintlich ökologischen Kraftstoffe in die Berechnung mit ein. Damit ist gemeint, dass auch die Rodung von Regenwaldflächen für die Nahrungsmittelproduktion darauf zurückzuführen sein kann, dass für den verstärkten Anbau von Biosprit woanders Lebensmittelflächen weichen mussten. Entsprechend schlecht ist dann die Klimabilanz.

Künftig wird, wenn die EU-Regierungen und das Europaparlament zustimmen, der Anteil der Kraftstoffe aus Nahrungsmitteln wie Weizen, Raps oder Mais bei etwa fünf Prozent des Verbrauchs im Verkehrssektor gedeckelt. Die genaue Zahl hängt auch davon ab, wie hoch der aktuelle Wert ist, da die bestehende Produktion nicht angetastet werden soll. „Wer bisher im Markt tätig ist, kann das auch weiter tun“, sagte Oettinger. Im Jahr 2010 beträgt der Anteil seinen Experten zufolge 4,7 Prozent. In der Begründung werden das Parlament und die Regierungen jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch das vergangene Jahr als Berechnungsgrundlage dienen könnte. Das würde dazu führen, dass etwas über fünf Prozent Biokraftstoffe der ersten Generation dem Klimaschutz angerechnet würden– ein kleines Zugeständnis gegenüber den Bauernverbänden und der Agrarindustrie.

Der Industrie ist dieses Zugeständnis viel zu klein. „Diese Kehrtwende der europäischen Biokraftstoffpolitik ist ein fundamentaler Vertrauensbruch“, kritisierte Dietrich Klein, der Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Bioethanolwirtschaft, „Investoren werden sich kaum noch einmal auf den Bestand politischer Entscheidungen verlassen und in neue Biokraftstoffanlagen investieren.“ Hedegaard verteidigte die Kommission: Die Vorlage komme „nicht aus heiterem Himmel“, da schon seit Jahren klar sei, dass die Biokraftstoffpolitik überdacht werde, falls die Wissenschaft zu neuen Erkenntnissen komme.

Neben der Deckelung der „alten“ Biospritsorten, die nach Brüsseler Angaben keine direkte Auswirkung auf die beizumischende Menge beim E10-Benzin haben soll, wird ein Anreizsystem geschaffen. So definiert das neue Gesetz Gruppen von Lebensmitteln, deren Anbau für die Energiegewinnung unterschiedlich klimaschädlich ist. Diese sogenannten ILUC-Faktoren sollen zu einem späteren Zeitpunkt für jede Pflanze festgelegt werden. Zudem werden Ökokraftstoffe der zweiten Generation ausdrücklich gefördert. Damit wird die Energiegewinnung aus Abfall, Algen, Ästen oder Blättern bezeichnet, die der Nahrungsmittelproduktion überhaupt keine Flächen entziehen. An den erforderlichen Technologien wird geforscht. Um einen entsprechenden Anreiz zu setzen, hat die Kommission beschlossen die Anteile, die solch „neuer“ Biosprit beisteuert, statt bisher doppelt künftig vierfach anzurechnen.

Das wiederum bedeutet, dass jene fünf Prozent des Energieverbrauchs im Verkehr, der im Jahr 2020 aus tatsächlich ökologisch wertvollem Biosprit kommen sollen, bereits mit einem Viertel davon erreicht wären. „Das Ziel der CO2-Minderung im Verkehr wird konterkariert“, kritisierte der Bioethanol-Verband.

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