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Wirtschaft: Notenbank will der Konjunktur helfen

EZB reduziert den Leitzins auf 2,0 Prozent und schließt weitere Schritte in diesem Jahr nicht aus

Frankfurt (Main)/Berlin (ro/brö). Die verbesserten Aussichten für die Preisstabilität haben die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag zu einer deutlichen Lockerung ihrer Geldpolitik veranlasst. Die Notenbank senkte den wichtigsten Leitzinssatz um 0,5 Prozentpunkte auf zwei Prozent. Dies ist der niedrigste Stand in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. EZBPräsident Wim Duisenberg begründete dies auch mit deutlich gedämpften Wachstumsaussichten. Erst 2004 werde die Konjunktur anspringen, 2003 werde es nur eine graduelle Verbesserung geben. Duisenberg schloss weitere Zinssenkungen nicht aus.

Der Schritt war die dritte Senkung innerhalb eines halben Jahres. Politiker, Börsianer und Volkswirte hatten die Zentralbank seit Wochen aufgefordert, mit einer lockereren Geldpolitik die Wirtschaft anzukurbeln. Die EZB hatte dies abgelehnt, weil sie sich um die Inflationsrate sorgte. Niedrige Zinsen sollen der Theorie zufolge die Nachfrage beleben: Wenn sich die Banken billiger Geld von der Zentralbank leihen können, bieten sie Firmen und Verbrauchern günstigere Kredite an. Ein Anstieg von Investitionen und Konsum würde dann zu mehr Wachstum führen.

Die Börsen reagierten kaum auf den Schritt, sie hatten ihn bereits vorweggenommen. Dagegen legte der Euro deutlich zu und kostete bei Börsenschluss in New York 1,1842 Dollar. Die EZB hatte die Zinsen zuletzt im März von 2,75 auf 2,50 Prozent gesenkt. Die Aussichten für die Preisstabilität haben sich nach Ansicht Duisenbergs verbessert. Für 2003 erwartet er einen Wert um oder knapp unter zwei Prozent, 2004 rechnet er mit einem „signifikanten“ Rückgang. Ursache dafür seien das verhaltene Wachstum, die mäßige private Nachfrage und die moderate Investitionstätigkeit. Duisenberg sagte, er habe keine Tendenz zu weiteren Lockerungen. „Allerdings haben wir schon jetzt historisch sehr niedrige Zinsen.“ Er räumt ein, dass der starke Anstieg des Euro-Kurses die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bremst.

Für die zwölf Länder der Währungsunion bestreitet der EZB-Präsident im Übrigen jegliche Deflationsgefahren. „Wir sehen keine Deflation kommen und müssen uns deshalb auch nicht darauf vorbereiten.“ Auf einzelne Regionen bezogen könnten Perioden mit niedriger Inflation oder gar sinkenden Preisen die Wettbewerbsfähigkeit verbessern.

Duisenberg unterstrich, dass die Geldpolitik allein nicht für Wachstum sorgen könne. Die Haushalts- und Fiskalpolitik der jeweiligen Länder müsse Vertrauen schaffen. Der EZB-Chef mahnte erneut Strukturreformen an, sagte aber auch, dass schon einiges umgesetzt worden sei. In Deutschland und Frankreich sei aber zu wenig passiert. Immerhin hätten sich acht der zwölf Euroländer an den Stabilitätspakt gehalten.

Kanzler Gerhard Schröder (SPD) begrüßte den Schritt und sagte, die EZB habe ihre Verantwortung erkannt. Er appellierte an die Kreditbranche, die Zinssenkung an die Kunden weiterzugeben. Volkswirte warnten indes vor zu hohen Erwartungen. „Die EZB hat offenbar keine Inflationsbefürchtungen. Die Entscheidung ist auch ein Versicherungsschritt gegen Deflation“, sagt Ralph Solveen von der Commerzbank. Jörg Kramer, Chefökonom der Fondsgesellschaft Invesco, sagte, eine Bremse für den Konsum seien die hohe Arbeitslosigkeit und die Diskussion über steigende Steuern. Nach Ansicht von Karsten Junius von der Deka-Bank hat die EZB zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beigetragen. „Einen Kickstart für Euroland bedeutet das allerdings nicht.“

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