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Wirtschaft: Öffentlicher Dienst soll 40 Stunden arbeiten

Ministerpräsidenten wollen Tarifvertrag über Arbeitszeit für Angestellte kündigen /Tarifreform auf der Kippe

Berlin (alf). Die Reform des Tarifrechts im öffentlichen Dienst droht zu scheitern. In der kommenden Woche wollen die Ministerpräsidenten der Bundesländer den Tarifvertrag über die Arbeitszeit der öffentlich Bediensteten kündigen, damit für die knapp drei Millionen Arbeiter und Angestellten die Arbeitzeit auf 40 Stunden erhöht werden kann. Als Reaktion darauf will die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die Reformverhandlungen mit der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL, siehe Lexikon Seite 16) abbrechen. „Wir werden nicht mitmachen, dass den Beschäftigten in die Tasche gegriffen wird“, sagte VerdiVorstandsmitglied Kurt Martin dem Tagesspiegel.

Seit Sommer 2003 verhandelt Verdi mit dem Bund, den Ländern und Kommunen über eine Modernisierung des jahrzehntealten öffentlichen Tarifrechts. Dabei geht es beiden Seiten um mehr Leistungsanreize und eine Entlohnung, die sich an der tatsächlichen Arbeit der Bediensteten und nicht am Alter oder Familienstand orientiert. Die öffentlichen Arbeitgeber drängen darüber hinaus auf eine Kostenentlastung: Sie wollen die Regelarbeitszeit von 38,5 auf 40 Wochenstunden verlängern und ferner das Urlaubs- und Weihnachtsgeld kürzen. „Die Kostensenkung muss sein, weil wir am Ende sind“, sagte der Finanzminister von Niedersachsen und Vorsitzende der Tarifgemeinschaft der Länder, Hartmut Möllring, dem Tagesspiegel. Bereits im vergangenen Sommer hatte die TdL die Verträge über die Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) gekündigt. Bei neuen Verträgen bekommen die Bediensteten nun nur noch 50 statt 82 Prozent Weihnachtsgeld. „Wir können es uns nicht mehr leisten, mehr als 50 Prozent Weihnachtsgeld zu zahlen“, sagte Möllring. Etwa die Hälfte der Bundesländer zahlt ihren Angestellten inzwischen kein Urlaubsgeld mehr, die andere Hälfte überweist noch 100 bis 150 Euro.

Um auch bei der Arbeitszeit eine Verschlechterung für die Beschäftigten erreichen zu können, müssen die Arbeitgeber den entsprechenden Tarifvertrag kündigen. „Da Verdi uns bei der Arbeitszeit nicht entgegengekommen ist, stehen alle Zeichen auf Kündigung“, sagte Möllring. Eine Verlängerung der Arbeitszeit auf 40 Stunden würde laut Möllring für jeden Angestellten 18 Minuten zusätzliche Arbeit pro Tag bedeuten.

„Einige Bundesländer wollen keine Reform, sondern die Arbeits- und Einkommensbedingungen verschlechtern“, klagt Verdi-Vorstand Martin. Ursprünglich hätten die Arbeitgeber gefordert, dass die Modernisierung des Tarifrechts kostenneutral erfolgen solle. „Inzwischen sind die Arbeitgeber nur noch auf Einsparkurs.“

In neun Arbeitsgruppen eruieren die öffentlichen Arbeitgeber und Verdi seit etwa zehn Monaten die Reformen. Und Martin hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. „Wir können immer noch eine Punktlandung hinlegen“, sagt der Verdi-Vorstand. Der größte Knackpunkt ist neben der Arbeitszeit die leistungsabhängige Bezahlung: Die Arbeitgeber wollen zum Beispiel Familienzuschläge oder Weihnachtsgeld künftig als Leistungsprämien auszahlen, Verdi dagegen will keine Umwidmung von Einkommensteilen, sondern Leistungsprämien auf das Grundentgelt aufschlagen. Ferne geht es um den Kündigungsschutz. Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst können nach dem 40. Lebensjahr oder dem 15. Berufsjahr kaum noch gekündigt werden. Martin kann sich die Abschaffung dieses Schutzes „für zukünftige Beschäftigte vorstellen“, auch wenn das in den eigenen Reihen sehr umstritten sei. Alles in allem werde Verdi nur punktuelle Verschlechterung hinnehmen, wenn das Reformpaket insgesamt stimmig sei.

Einigen Ministerpräsidenten warf er vor, sich „zu profilieren, indem sie den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes auf die Schnauze hauen“. Wenn die Bundesländer den Vertrag über die Arbeitszeit kündigten, werde Verdi voraussichtlich am 2. April entscheiden, dass die Verhandlungen nur noch mit dem Bund und den Kommunen fortgesetzt würden.

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