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Wirtschaft: Ökonomen warnen vor billigen Staats-Krediten

Kritik an Plänen zu neuen KfW-Programmen / Wirtschaftsinstitute wollen Solidaritätszuschlag abschaffen

Berlin - Die Überlegungen der Regierung zur Ankurbelung der Konjunktur stoßen in der Wirtschaft und bei Wissenschaftlern auf Ablehnung. Vor allem die Idee, kleinen und mittleren Unternehmen über die bundeseigene KfW-Bank verbilligte Kredite anzubieten, findet wenig Zustimmung. „Wir sehen das sehr skeptisch“, sagte der Konjunkturexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier, dem Tagesspiegel. Auch die Initiative von drei Wirtschaftsforschungsinstituten, die am Freitag ein Drei-Punkte-Programm für mehr Wachstum vorgelegt haben, findet unter Fachleuten kaum Zuspruch.

Die Bundesregierung erwägt kurzfristige Maßnahmen, um die Zahl der Arbeitslosen zu reduzieren. Im Gespräch sind unter anderem öffentliche Investitionsprogramme im Verkehrssektor, Vergünstigungen bei der Gewerbesteuer und Entlastungen für Körperschaftsgesellschaften, die ihre Gewinne reinvestieren. Darüber hinaus plant die Regierung offenbar, das Kreditprogramm der bundeseigenen KfW-Bank für kleine und mittlere Unternehmen auszuweiten.

Vor allem der letzte Punkt stößt auf Kritik. „Schon heute gibt es viele KfW- Programme, die nicht abgerufen werden“, sagte DIHK-Experte Treier. Hauptgrund dafür seien die schwachen Ertragsaussichten. „Den Firmen fehlt das Vertrauen in die Zukunft. Daran ändern auch zusätzliche Kredite nichts“, sagte er.

Das sieht Eckart Tuchtfeld, Volkswirt bei der Commerzbank, ähnlich: „Bei verbilligten Krediten besteht immer die Gefahr von Mitnahmeeffekten“, sagte er. Ob zusätzliche Investitionen angeregt würden, sei fraglich. „Was die Unternehmen brauchen, sind Steuererleichterungen“, sagte Tuchtfeld. Das bewirke ein gesamtwirtschaftlich besseres Klima und steigere so die Absatzerwartungen der Unternehmen. „Das bringt mehr, als kurzfristig an den Finanzierungsbedingungen herumzuschrauben“, sagte Tuchtfeld.

Ebenfalls auf Skepsis stößt ein gemeinsamer Aufruf des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Leiter der drei Institute – Michael Hüther, Thomas Straubhaar und Klaus Zimmermann – haben am Freitag an die Regierung appelliert, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 5,5 Prozent zu senken und den Solidaritätszuschlag abzuschaffen. Um die entstehende Lücke im Staatshaushalt von 18 Milliarden Euro zu schließen, solle die Mehrwertsteuer von derzeit 16 Prozent um zwei Prozentpunkte angehoben werden. Daneben sprachen sich die Ökonomen dafür aus, auch für unter 52-Jährige befristete Arbeitsverträge zuzulassen. Bisher ist das nur für Menschen über 52 möglich. Außerdem drängten die Wissenschaftler auf eine stärkere Entbürokratisierung; das geplante Antidiskriminierungsgesetz lehnten sie ab. Die Vorschläge könnten bereits zum 1. Juli umgesetzt werden.

Doch vor allem die geplante Anhebung der Mehrwertsteuer findet bei anderen Wissenschaftlern keinen Zuspruch. „Das ist völlig absurd“, sagte der Konjunkturexperte des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Udo Ludwig, dem Tagesspiegel. „Die Leute wissen nicht, wovon sie reden.“ Zwar sei es mittelfristig richtig, die direkten Steuern – zu denen auch der Solidaritätszuschlag gehört – zu senken; so könnten mehr Leistungsanreize geschaffen werden. Ludwig lehnt es zum aktuellen Zeitpunkt allerdings ab, in gleichem Umfang die indirekten Steuern – also zum Beispiel die Mehrwertsteuer – zu erhöhen. „In der momentanen konjunkturellen Situation hätte das fatale Folgen.“ Der ohnehin schwache Konsum würde so gänzlich abgewürgt.

Dem stimmt auch DIHK-Mann Treier zu: „Die Steuern müssten insgesamt sinken.“ Auch Tuchtfeld von der Commerzbank bestätigt: „Bei 1000 Milliarden Euro Staatsausgaben gibt es immer noch Spielraum für Einsparungen.“ Kritik kam auch vom Hauptverband des deutschen Einzelhandels. Wer angesichts des lahmenden Konsums „auch nur im Entferntesten an eine Erhöhung der Mehrwertsteuer denkt, beweist völlige wirtschaftspolitische Inkompetenz“, hieß es in einer Mitteilung.

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