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Chavez

© AFP

Ölpreis: Die 200-Dollar-Drohung

Die Opec-Staaten dämpfen die Hoffnung auf niedrigere Ölpreise. Damit wächst auch die Sorge um das deutsche Wirtschaftswachstum.

Berlin - Statt des erhofften Entspannungssignals gab es in Riad einen Paukenschlag: Auf 200 Dollar pro Fass und mehr könne der Ölpreis steigen, wenn die USA den Iran angreife, polterte Venezuelas Präsident Hugo Chavez beim Treffen der Staatschefs der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) am Wochenende in Saudi-Arabien. Im Übrigen sei die derzeit in Sichtweite liegende Rekordmarke von 100 Dollar ein fairer Preis. Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad sagte sogar, Öl sei noch zu billig.

Solche Töne treffen die Wirtschaft in Ländern wie Deutschland, die vom Ölimport abhängig sind, derzeit besonders hart. Seit Januar hat sich die Notierung von gut 50 auf über 90 Dollar nach oben geschraubt. Experten hatten darauf gesetzt, dass sich die Rallye im kommenden Jahr beruhigt. Die Opec indes vertagte die Entscheidung über eine höhere Förderquote und stritt über den Klimaschutz. Saudi-Arabien stellt 300 Millionen Dollar für die Klimaforschung zur Verfügung, andere Opec-Staaten wollten sich zunächst nicht beteiligen. Zu den Förderquoten hieß es im Entwurf der Abschlusserklärung lediglich, die Opec spreche sich für einen „stabilen und wettbewerbsfähigen Ölpreis“ aus.

In Deutschland wächst bereits die Sorge, dass ein konstant hoher Ölpreis den Aufschwung gefährdet. „Es ist wenig bekannt, wie eine starke Konjunktur das wegsteckt“, sagt Klaus-Jürgen Gern, Ökonom am Kieler Institut für Weltwirtschaft. „Der Ölpreis könnte der Sargnagel für den Aufschwung werden.“ Das IfW werde bei seiner nächsten Konjunkturprognose für 2008 den unterstellten durchschnittlichen Ölpreis wohl auf 85 bis 90 Dollar anheben. Aber auch noch höhere Werte an den Märkten halte er für denkbar. Entscheidend für die Wirtschaft sei, wie sehr andere Einflüsse mildernd wirken, sagt Wirtschaftsforscher Gern. „Der Ölpreis wird zum Lackmustest der Konjunktur.“

Ein um zehn Dollar steigender Ölpreis schwächt das Wachstum laut Ökonomen um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte. Die fünf am Herbstgutachten beteiligten Forschungsinstitute hatten im Oktober ein Wirtschaftswachstum für 2008 von 2,2 Prozent vorhergesagt und dabei noch einen Ölpreis von 80 Dollar angesetzt, genau wie danach der Sachverständigenrat der Bundesregierung, der Anfang November 1,9 Prozent Wachstum erwartet hatte. Wenn immer höhere Kosten für Benzin, Diesel und Heizöl die Kaufkraft der Verbraucher schwächen, sind diese Zahlen möglicherweise nicht zu halten.

Dabei sind westliche Länder heute insgesamt weit weniger abhängig vom Öl als noch in den 70er Jahren. „Wir gehen heute wesentlich effizienter mit der Energie um“, sagt Claudia Kemfert, Energieexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Autos verbrauchen weniger Sprit, Häuser sind besser isoliert. Auch der schwache Dollar mildert die Folgen des Ölpreises, weil das schwarze Gold in der amerikanischen Währung gehandelt wird. Kemfert erwartet zwar, dass sich die Lage etwas entspannen müsste, weil zuletzt Spekulationen den Preis nach oben getrieben hätten: Viele Händler in New York wetten auf einen steigenden Preis und reden ihn geradezu nach oben. Zum Ende der Heizsaison im kommenden Frühjahr könne die Notierung laut Kemfert auf 80 Dollar fallen, ein Jahresschnitt von 70 bis 75 Dollar sei denkbar.

Doch das wäre noch immer etwas mehr als der für 2007 vorhergesagte Mittelwert. Zudem bleiben Unsicherheiten. „Wenn die Spekulanten geopolitische Risiken einpreisen, sind wir schnell jenseits der 100-Dollar-Marke“, sagt Kemfert. Außer dem Konflikt zwischen den USA und dem Iran birgt die Auseinandersetzung zwischen der Türkei und den Kurden im Nordirak derzeit ein hohes Risiko für eine stabile Ölförderung. „Da sind viele Emotionen und viel Psychologie drin.“

An den Tankstellen müssen Autofahrer noch lange auf deutliche Preisrückgänge warten, sind sich die Experten einig. Erst in drei bis vier Jahren sei ein mittlerer Ölpreis von 50 Dollar wieder denkbar, sagt IfW-Forscher Gern. Dann könnten neue Ölfelder in Mittelasien erschlossen sein. Doch der weltweite Energiebedarf wächst weiter. Bis 2030 wird er sich nach Ansicht der Internationalen Energieagentur um 50 Prozent erhöhen.

Die ständige Unsicherheit macht auch vielen Unternehmen zu schaffen. „Man kann mit seinen Kunden kaum noch vernünftige Preise aushandeln“, sagt Hermann Grewer, Präsident des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung. „Viele Unternehmen sind existenziell bedroht.“ Die Lkw-Frachtraten stiegen weiter, und das bekämen die Verbraucher leicht zu spüren.

Nils-Viktor Sorge

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