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Berry Smutny.

© dpa

OHB: Vorstandschef wegen Wikileaks entlassen

Wirbel um den Bremer Satellitenbauer OHB und das europäische Galileo-System: Erst stürzte OHB-Manager Smutny über eine Wikileaks-Affäre, jetzt errechnet die EU-Kommission: Das Galileo-System wird laut Bericht 1,9 Milliarden Euro teurer als veranschlagt.

Der Aufbau des europäischen Satellitensystems Galileo dürfte deutlich teurer werden als bislang kalkuliert. Die Europäische Kommission veranschlagt für den Aufbau der Infrastruktur bis 2020 rund 5,3 Milliarden Euro, wie die "FAZ" (Dienstag) berichtet. Bislang war mit 3,4 Milliarden Euro kalkuliert worden. Derweil kämpft der Satellitenbauer OHB mit den Folgen einer brisanten Wikileaks-Veröffentlichung: OHB-Manager Berry Smutny, der Galileo als "Unfug" bezeichnet haben soll, wurde freigestellt. Das Unternehmen habe sich dazu gezwungen gesehen, "um einen immensen Reputationsschaden abzuwenden", sagte OHB-Sprecher Steffen Leuthold am Dienstag.

Smutny ist damit der erste deutsche Top-Manager, der wegen Veröffentlichungen der Enthüllungsplattform Wikileaks gehen muss. Bei OHB stand er der Systems-Sparte vor. Das Bremer Unternehmen hat einen ersten Auftrag für den Bau von Galileo-Satelliten mit einem Volumen von mehr als einer halben Milliarde Euro.

Smutny soll Galileo gegenüber US-Diplomaten als "Verschwendung von Steuergeldern" und "Unfug" bezeichnet haben. Laut Wikileaks soll das Gespräch Anfang Oktober 2009 stattgefunden haben. Smutny war da erst kurze Zeit bei OHB. Insgesamt war er 18 Monate Vorstandschef der OHB- Systems AG.

Aufsichtsrat und Hauptversammlung hätten zur Entlassung Smutnys keine Alternative gesehen, heißt es in einer OHB-Mitteilung vom Montag. Dem OHB-Aufsichtsratsvorsitzenden Manfred Fuchs hatte der Manager demnach an Eides statt erklärt, die von Wikileaks zitierten Aussagen nicht gemacht zu haben. Smutnys Nachfolger wird bis auf weiteres der Vorstandschef der Muttergesellschaft OHB Technology AG, Marco R. Fuchs. Er übernimmt Smutnys Posten in Personalunion mit den Vorstandskollegen Fritz Merkle und Frank Negretti.

Galileo soll das bisherige Monopol der USA mit ihrem Global Positioning System (GPS) bei der Satellitennavigation brechen. OHB hatte unter Smutny im Januar 2010 den prestigeträchtigen Auftrag für den Bau von 14 Satelliten mit einem Volumen von 566 Millionen Euro bekommen. Der Start der ersten beiden Satelliten ist für 2012 vorgesehen. Im November kamen weitere Millionenaufträge für sechs Meteosat Wettersatelliten hinzu. Die OHB System AG ist eine Tochter der OHB Technology AG.

Die EU-Berechnungen über Kostensteigerungen bei Galileo sollten am Dienstagnachmittag in Brüssel vorgestellt werden. Demnach sollen jährlich 800 Millionen Euro für den Betrieb und die Instandhaltung anfallen, wie die "FAZ" berichtet. Bislang waren die jetzt mit 5,3 Milliarden veranschlagten Kosten für die Infrastruktur laut dem Zeitungsbericht bis 2014 mit 3,4 Milliarden Euro beziffert worden.

Bis dahin solle das Satellitensystem zumindest teilweise einsatzbereit sein. Bei den Betriebskosten war bisher von 750 Millionen Euro ausgegangen worden. Schon im Herbst habe die Behörde eingeräumt, dass bis 2020 weitere Kosten anfallen. Trotz des Kostenanstiegs halte die Kommission an dem Prestigeprojekt fest, schreibt die "FAZ". Der Markt für Satellitennavigation werde bis 2020 auf ein Volumen von 240 Milliarden Euro geschätzt. (dpa)

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