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Wirtschaft: Orlen tritt gegen Aral und Co. an

Polnischer Tankstellen-Konzern steigt in den deutschen Markt ein / Erste von 500 Stationen wird in Berlin eröffnet

Berlin (fo). Ein neuer großer Tankstellen Betreiber will den Markt in Deutschland aufrollen. Der polnische Mineralölkonzern Orlen flaggt 350 Stationen in Norddeutschland, die bislang unter Aral oder BP firmierten, auf eine Billigmarke um. Wie die neue Billigmarke heißen wird, steht noch nicht fest. Die Kraftstoffpreise sollen auf das Niveau freier Tankstellen gesenkt werden, sagte eine Orlen-Sprecherin dem Tagesspiegel. Konkurrenten glauben, dass es dem neuen Wettbewerber aus dem Osten gelingen könnte, den deutschen Markt kräftig aufzumischen.

Start für den neuen Tankstellen-Betreiber am deutschen Markt ist Freitag in Berlin. Dann eröffnet Orlen die erste Station unter dem roten Adler-Logo. Die Konkurrenz beobachtet den Einstieg gespannt: „Wenn die wollen, können die den Markt ganz schön durcheinander wirbeln“, sagte Sigrid Pook, Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Tankstellen. Immerhin hat Orlen 494 Tankstellen der Marken Aral, BP und Eggert Mineraloel (MG) für 140 Millionen Euro von BP gekauft. Die Polen kontrollieren damit auf einen Schlag sieben Prozent des Kraftstoffmarktes zwischen Berlin und Aachen.

Orlen will eine Zwei-Marken-Strategie fahren. Nur 150 Stationen sollen künftig unter der „Premiummarke Orlen“ firmieren und damit gegen Esso, Shell und Co. direkt antreten. Die anderen 350 Stationen werden nach einer Mitteilung „im unterpreisigen Segment“ angesiedelt. Damit ist klar, dass der Markteintritt des Neulings durch Billigpreise unterstützt werden soll. Auch wenn die Unternehmenssprecherin versichert, „wir wollen keinen Preiskampf anzetteln“. Viele der übernommenen Tankstellen seien eben ungeeignet für die Topmarke Orlen.

Während die Umflaggung gerade erst anläuft, plant Orlen schon für die Zukunft: Pro Jahr sollen 30 weitere Tankstellen eröffnet werden. Mit dieser offensiven Expansionsstrategie dürften die Polen die bestehenden Tankstellen weiter unter Druck setzen. Denn die Ertragslage der Kleinunternehmer ist seit Jahren äußerst gespannt. Seit etwa 25 Jahren seien die Provisionen der Mineralölkonzerne fast unverändert, klagt der Tankstellen-Verband. Doch die Kosten sind stetig gestiegen. Die meisten Markentankstellen werden von Pächtern (60 Prozent) betrieben. Sie erhalten 1,5 Cent pro verkauftem Liter Kraftstoff. Dafür stellen BP, Esso und Co. die komplette Station. Eigentümer von Tankstellen, die sich an eine Marke binden, bekommen zwei bis drei Cent je Liter. Und die freien Tankstellen, die ihren Kraftstoff nach Belieben einkaufen, arbeiten je nach Marktlage mit vier bis sechs Cent.

Verdient wird an den Tankstellen inzwischen mehr mit dem Handel von Zeitungen, Getränken und Süßigkeiten. Bis zu 50 Prozent der Gewinne kommen nach Angaben des Branchenverbandes aus dem Shop-Geschäft. Selbst die freien Tankstellen, die mit Tiefpreisen versuchen, den Markenanbietern Kunden abzujagen, investieren mehr und mehr in das Shop-Geschäft.

Hinzu kommt: Trotz wachsender Motorisierung sinkt der Spritabsatz seit Jahren. Eine Folge der sparsamen Motoren und gesunkener Fahrleistung. Die Mineralölindustrie ist daher der Meinung, von den knapp 16 000 Tankstellen in Deutschland seien mindestens 4000 überflüssig. Trotzdem verschwinden pro Jahr allenfalls 200 Stationen. Der Grund liegt auf der Hand: Keiner will Marktanteile freiwillig preisgeben, erklärt Sigrid Pook das Phänomen.

Und um Marktanteile wird hart gekämpft: BP hat gerade Aral übernommen und kontrolliert jetzt rund 22 Prozent des Gesamtmarktes in Deutschland, dicht gefolgt von Shell, die Dea aufgekauft haben und damit auf 20 Prozent Marktanteil kommen. Beide Mineralölkonzerne wurden vom Bundeskartellamt gezwungen, Stationen abzugeben. Orlen sicherte sich so den Markteintritt in Deutschland, die österreichische OMV baute ihre Position in Süddeutschland auf knapp 270 Tankstellen aus.

Aber auch die Gesellschaft Total, die mit Minol in Ostdeutschland Marktführer ist, kaufte zu: Die Franzosen betreiben jetzt fast 1300 Tankstellen in ganz Deutschland und kommen damit dem bislang Dritten im Markt, Esso, gefährlich nahe. Doch die Zeit der großen Zukäufe ist vorerst vorbei. Allenfalls mittelständische regionale Ketten stehen zum Verkauf. Orlen setzt deshalb eher auf Neubauten in besten Lagen.

Die in London und Warschau börsennotierte PKN Orlen zählt zu den führenden Industrieunternehmen Polens und erzielte 2002 einen Umsatz von 4,6 Milliarden Euro. Sie kontrolliert rund 200 Gesellschaften von der Raffinerie bis zur Tankstelle.

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