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Wirtschaft: Ostdeutsche Stadtwerke formieren sich gegen die Veag

BERLIN (dw).Langsam kommt Bewegung in den liberalisierten deutschen Energiemarkt.

BERLIN (dw).Langsam kommt Bewegung in den liberalisierten deutschen Energiemarkt.Nachdem die ersten Monate nach der völligen Marktfreigabe im April letzten Jahres eher enttäuschend verliefen, zieht das Bundeskartellamt zum Jahreswechsel eine positive Zwischenbilanz: "Das neue Energiewirtschafts-Gesetz hat den ersten Test bestanden", sagte der Leiter der zuständigen Achten Beschlußabteilung im Bundeskartellamt, Klaus-Peter Schultz gegenüber dem Tagesspiegel.Zwar werde noch immer relativ wenig Strom fremder Anbieter durch die alteingesessenen Gebietsmonopole geleitet: "aber das Preisniveau und die Vertragslaufzeiten in der Energiebranche sinken - ein sicheres Zeichen für Wettbewerb", so Schultz.

Doch noch immer wehren sich die ehemaligen Monopolunternehmen mit Händen und Füßen, andere Versorger in ihr Territorium zu lassen.Die bislang wirksamste Waffe: Die in der Strombranche üblichen langen Vertragslaufzeiten von zum Teil mehr als 15 Jahren.Viele Stromkonzerne, wie etwa die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) verweigerten die Stromdurchleitung stets mit dem Hinweis auf bestehende Lieferverträge, die einzuhalten seien: Pacta sunt servanda.

Lange dürfte diese Verteidigungsstrategie nicht aufgehen: "Wir halten nicht allzu viel von diesem Argument", erklärt Wettbewerbshüter Schultz.Nachdem sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen fundamental geändert hätten, könnten sich die Unternehmen nicht mehr gut auf Verträge berufen, die unter vollkommen anderen Voraussetzungen geschlossen wurden.

Das Bundeskartellamt mußte aber erst einmal eingreifen, um wettbewerbfeindliches Verhalten auf dem Strommarkt zu unterbinden: Der Stromversorger Elektromark in Hagen (Nordrhein-Westfalen) hatte es abgelehnt, Strom des Konkurrenten Enron zu den Lüdenscheider Stadtwerken durchzulassen.Die Wettbewerbshüter vom Platz der Luftbrücke in Berlin ließen dem Hagener Unternehmen die Ausrede "technische Probleme" nicht durchgehen - und drohten in der vorvergangenen Woche eine Zwangsöffnung des Stromnetzes an.

Die anderen Durchleitungsfälle wurden bislang meist einvernehmlich geregelt: So kündigte die Stadt Freiburg zum Jahre 2005 ihren Vertrag mit der Karlsruher EnBW - um Energie dann aus der Schweiz zu beziehen.Zusammen mit den Hamburger Elektrizitätswerken gelang es der EnBW wiederum, einen Vertrag mit Daimler-Benz abzuschließen: Künftig sollen alle Betriebsstätten von DaimlerChrysler in Deutschland von einem der beiden Partner mit Strom versorgt werden: Dutzende von Durchleitungen werden inzwischen verhandelt.

Allerdings gibt es noch einige gesetzliche Marktbarrieren.Die Berliner Bewag etwa liefert sich zur Zeit mit den Hamburger Elektrizitätswerken eine Abwehrschlacht: Denn die Hamburger wollen den Daimler-Deal ordnungsgemäß erfüllen und auch Mercedes-Benz in Berlin-Marienfelde und die Dienstleistungstochter debis auf dem Potsdamer Platz mit Strom versorgen.Die Bewag aber lehnt es ab, überschüssigen Strom aus Hamburger Atomkraftwerken in ihr altes Stammgebiet zu lassen.Bislang mit Erfolg: Da die Bewag Strom aus Braunkohle-Kraftwerken gewinnt und die umweltfreundliche Kraft-Wärme-Kopplung einsetzt, kann sie sich vorerst noch auf gesetzliche Schutzklauseln berufen und alle Durchleitungsersuche ablehnen.Der Berliner Strommarkt bleibt dadurch wohl bis zum Jahr 2003 weitgehend eine Monopol-Insel inmitten des Wettbewerbs.

Im Berliner Umland allerdings stellt sich die Energiebranche völlig neu auf.Der größte Stromproduzent der neuen Bundesländer, die Veag Vereinigte Energiewerke AG, mit Sitz in Berlin, mußte sich bereits im September dem Druck des Wettbewerbs beugen und eine Preissenkung verkünden.Die Veag beliefert zwar keine Verbraucher direkt, sondern ist Vorlieferant für regionale Stromverteiler und Stadtwerke.Die aber wollen sich mit der Monopol-Stellung der Veag nicht länger abfinden.Die Regionalversorger EMO in Neubrandenburg, OSE AG in Fürstenwalde, die Hevag in Rostock und die Mevag in Potsdam beschlossen Ende Oktober, zu fusionieren.Als Gemeinschaftsunternehmen wollen die vier Kleinen die Chancen des Wettbewerbs nutzen und der bislang übermächtigen Veag Paroli bieten.

Gleichzeitig wollen sich 15 ostdeutsche Stadtwerke zu einem "kommunalen Kraftwerkspool" zusammentun - und die Veag damit unter Druck setzen."Ziel ist es, den teuren Einkauf von Reserve-Strom künftig durch günstigere Lösungen zu ersetzen", erklärte der Pool-Vorsitzende Eberhard Walter, der auch Geschäftsführer der Stadtwerke Cottbus ist.Hat das Unternehmen Erfolg, könnte der Strompreis in 15 ostdeutschen Städten seiner Schätzung nach um 1,5 Pfennig pro Kilowattstunde billiger werden - und den Industriekunden winkt eine Tarifsenkung um zehn Prozent.Hintergrund: Viele Stadtwerke, die selbst Strom produzieren aber zusätzlichen "Reservestrom" von der Veag zukaufen, müssen dafür einen hohen Preis bezahlen.Damit soll nun Schluß sein: Künftig wollen die 15 Städte sich gegenseitig mit selbstproduziertem, überschüssigen Strom aushelfen - die Veag müßte lediglich noch durchleiten.Auf den teuren Reservestrom des Monopolisten können sie dann verzichten: "Ein wirtschaftlicher Vorteil, um den wir gar nicht herumkommen", so Walter.Der Vorstoß der Stadtwerke habe auf Seiten der Veag "ein sehr intensives Zuhören und Nachdenken ausgelöst".Immerhin verbünden sich hier von Leipzig über Cottbus bis Neubrandenburg und Schwerin alle größeren Städte im Osten gegen ihren Hauptlieferanten.Die Verhandlungen laufen noch, aber Walter ist optimistisch: "Wir stricken noch dran, aber es macht Spaß, dran zu stricken." Seinem Optimismus nach zu urteilen, ist nicht ausgeschlossen, daß aus dem heute losen Kraftwerks-Pool künftig ein Verbundunternehmen werden könnte, daß als "Veag 2" sogar in den überregionalen Stromhandel einsteigt.

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