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Wirtschaft: Ostdeutschland verliert seine Menschen

Berlin (hop). Im Streit um die Abwanderung aus Ostdeutschland weisen Wissenschaftler darauf hin, dass teilweise schon kritische Grenzen überschritten wurden.

Berlin (hop). Im Streit um die Abwanderung aus Ostdeutschland weisen Wissenschaftler darauf hin, dass teilweise schon kritische Grenzen überschritten wurden. Hans Dietrich von Loeffelholz vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung sagt: „Es ist nicht ausgeschlossen, dass einigen Regionen mittlerweile die kritische Masse für einen nachhaltigen Aufschwung fehlt.“ Andererseits nütze es jedoch auch nichts, wenn junge Leute in Ostdeutschland blieben, aber keine Arbeitsplätze haben.

Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamts wird die Bevölkerung in den neuen Ländern in den nächsten 20 Jahren um einen zweistelligen Prozentsatz schrumpfen. Doch Menschen bedeuten Nachfrage. Ohne Nachfrage fehlten wiederum wirtschaftliche Impulse, überhaupt als Unternehmer in einer Region aktiv zu werden. Und durch die Abwanderung würden „die Perspektiven für Dynamik weiter reduziert“, sagt Loeffelholz.

Seit 1997 wächst die Wirtschaft in den neuen Ländern langsamer als im Westen. Und der Arbeitskreis Konjunktur Ostdeutschland des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) kommt in seinem neuesten Bericht zum Schluss, dass auch im kommenden Jahr die Beschäftigung in den neuen Ländern kaum zunehmen wird.

Angesichts der prekären Lage flüchten sich die Politiker in alte Rezepte oder fügen sich in das scheinbar Unvermeidbare. So forderte der Grünen-Chef Fritz Kuhn am Montag, auf Mobilitätsprämien (siehe Lexikon) für ostdeutsche Arbeitssuchende, die für eine Stelle in den Westen ziehen, zu verzichten. Statt dessen sollte mehr Geld in eine bessere Infrastruktur gesteckt werden. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt wandte sich ebenfalls gegen die Prämie, da es sich bei der Abwanderung um einen natürlichen Prozess handele.

An eine schnelle Besserung der wirtschaftlichen Lage glauben wenige. Der Solidarpakt II, der die weitere Förderung der ostdeutschen Länder sicherstellen soll, läuft bis 2019. Allein für die Sanierung und den Ausbau der Infrastruktur stehen etwa 110 Milliarden Euro zur Verfügung. Trotzdem müssen sich die neuen Länder auf weniger Förderung einstellen. Denn nach 2006 werden sie wahrscheinlich keine Gelder mehr aus den EU-Strukturfonds erhalten, sagt Martin Rosenfeld, Leiter der Regional- und Kommunalforschung am IWH. Deswegen müsste die Förderung gebündelt und auf Wachstumzentren konzentriert werden. „Es gibt erfolgreiche Sektoren und Regionen“, sagt Rosenfeld. Vor allem in der Industrie gebe es eine Reihe wettbewerbsfähiger junger Unternehmen.

Das größte Problem sei trotz aller positiven Ansätze, dass es in den neuen Ländern zu wenig Firmen gebe. Denn die strahlen auf ihre Umgebung aus und geben über Löhne oder die eigene Nachfrage nach Dienstleistungen wirtschaftliche Impulse. „Es fehlen etwa 100000 Unternehmen.“ Während die Lage in Sachsen noch vergleichsweise gut sei, schneide Sachsen-Anhalt in dem Bereich am schlechtesten ab. „Man muss deshalb stärker dafür sorgen, dass Menschen sich selbstständig machen“, rät Rosenfeld. Dabei fehle es oft nicht an Möglichkeiten, vor allem bei Dienstleistungen. Das beginne bei Kleinigkeiten wie Getränkeständen in Parks, sagt Rosenfeld. „Gewissermaßen liegt das Geld im Osten auf der Straße, man muss es nur aufgreifen.“

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