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Wirtschaft: Per Sammelklage zum Recht

Seit Jahresbeginn steht geneppten Verbrauchern ein neuer Weg offen, zu ihrem Recht zu kommen: Sie können sich an eine Verbraucherzentrale wenden, um Ansprüche durchsetzen zu lassen. Übernehmen die Verbraucherschützer den Fall, ist alles gratis: keine Anwaltshonorare, keine Gerichtsgebühren.

Seit Jahresbeginn steht geneppten Verbrauchern ein neuer Weg offen, zu ihrem Recht zu kommen: Sie können sich an eine Verbraucherzentrale wenden, um Ansprüche durchsetzen zu lassen. Übernehmen die Verbraucherschützer den Fall, ist alles gratis: keine Anwaltshonorare, keine Gerichtsgebühren. Vor dem Landgericht Düsseldorf läuft nun der erste Prozess gegen ein Kreditinstitut.

Bis auf den Pfennig genau hatte die Beraterin der Stadtsparkasse Hilden bei Düsseldorf ausgerechnet, was Kunde Dieter V. später bei seinem Sparplan ausgezahlt bekommen sollte: 58 671,77 Mark. Doch als es für den heutigen Rentner endlich soweit war, standen unterm Strich nur rund 48 000 Mark. Grund: Das Guthaben hatte die Sparkasse Hilden variabel verzinst, also mit ei-nem Zinssatz, den sie jeweils nach Markt-lage neu festlegte - und am Markt sind die Zinsen zuletzt nur noch gefallen.

Mit der Einbuße von über 5000 Euro woll-te sich Dieter V. aber nicht abfinden, schließlich habe er sich auf die zugesagte Auszahlung verlassen können, meinte er. Vor dem Land-gericht Düsseldorf wurde deshalb nun Klage eingereicht (Az: 1 O 142/02) - aber nicht vom Kunden selbst, sondern von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (VZ NRW). Erstmals in Deutschland machten die Verbraucherschützer damit beim Streit mit einem Kreditinstitut von ihrem neuen Klagerecht Gebrauch.

Gewinnt die Verbraucherzentrale den Fall, bekommt Dieter V. das erstrittene Geld vollständig ausbezahlt; geht der Prozess indes verloren, muss er keinerlei Kosten tragen. Die übernimmt dann die Verbraucherzentrale. Aber was nutzt das dann der Verbraucherzentrale? VZ-Anwalt Hartmut Strube: "Wir wollen ein Musterurteil erreichen, denn zahlreiche Sparkassen und Banken verwenden bei Sparplänen solche unklaren Verträge. Gewinnen wir diesen Fall, können wir noch vielen anderen Sparern zu ihrem Recht verhelfen."

Bislang durften deutsche Verbraucher-schützer nur außergerichtlich beraten. Vor den Kadi mussten die Verbraucher dann auf eigenes Risiko ziehen, außerdem konnten sie sich dort ausschließlich von Anwälten vertreten lassen. Doch dieses so genannte Anwaltsmonopol wurde mit der seit Jahres-anfang in Kraft getretenen Schuldrechtsre-form aufgeweicht, und zwar durch eine Än-derung des Rechtsberatungsgesetzes.

"Verbraucherzentralen und andere mit öffentlichen Mitteln geförderte Verbände wie etwa Mietervereine können fremde und abgetretene Forderungen gerichtlich einziehen", erläutert Helke Heidemann-Peuser, Fachbereichsleiterin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. "Voraussetzung ist aber immer, dass eine solche Klage dem Verbraucherschutz insgesamt dient." Es besteht also kein Anspruch darauf, dass die Verbraucherschützer den Fall übernehmen.

Der österreichische Verein für Konsumen-ten-Information (VKI) in Wien praktiziert solche Verfahren bereits seit 1992. Die Rechtsexperten in der Sektion für Konsu-mentenschutz unter dem Dach des Justizmi-nisters haben seitdem nach eigenen Angaben mehr als 500 Musterprozesse bis zum Obersten Gerichtshof, dem österreichischen Gegenstück des deutschen Bundesgerichtshofs, geführt. Peter Kolba, Leiter der Rechtsabteilung des VKI: "Zwei Drittel der Prozesse gehen gut für uns - oder genauer - für die Verbraucher aus."

Andreas Kunze

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