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Ein Pfarrer pregigt. Neben ihm steht ein Christbaum.

© IMAGO

Pfarrer gesucht: Den Kirchen fehlt der Nachwuchs

Immer weniger junge Männer wollen Pfarrer werden. Besonders groß ist die Not bei den Katholiken.

Die Arbeit ist vielseitig, das Amt angesehen und unkündbar. Wer Chef sein will, kommt schnell zum Zuge, und die Bezahlung auf Studienrats- und Oberstudienratsniveau stimmt auch. Wer sich nicht dumm anstellt, hat beste Aufstiegschancen. Und mit 65 Jahren, wenn andere in Rente geschickt werden, kann die Karriere erst richtig Fahrt aufnehmen. Katholischer Priester – das könnte ein Traumjob sein. Und doch gibt es in Deutschland kaum noch junge Männer, die diesen Weg einschlagen wollen.

In den 1960er Jahren wurden jährlich über 500 Priester in Deutschland geweiht, 2012 waren es gerade mal 79. Und so schrumpft die Zahl der Priester kontinuierlich um mehrere hundert jedes Jahr. 1990 gab es in Deutschland 28,2 Millionen katholische Kirchenmitglieder und 19 707 Welt- und Ordenspriester, 2012 kamen auf 24,3 Millionen Katholiken 14 636 Priester. Das klingt noch nicht dramatisch. Doch viele der jetzt aktiven Priester werden sehr bald in den Ruhestand gehen. 2020 werden im Berliner Erzbistum wohl nur noch um die 30 Priester eine Pfarrei leiten – weshalb die jetzt gut hundert Gemeinden sich zu 30 Großpfarreien zusammenschließen sollen. In Frankreich, Österreich und der Schweiz sieht es nicht besser aus.

Wer sich für den Beruf entscheidet, ist also begehrt. Die Ausbildung gleicht der von Juristen oder Lehrern und umfasst fünf Jahre Theologiestudium plus zwei Jahre Gemeindepraxis. Das ist zu schaffen. Doch der Beruf bringt auch gewisse Eigentümlichkeiten mit sich: Spätestens mit der Priesterweihe verpflichtet sich der junge Mann, sexuell enthaltsam zu leben und auf eine Ehe zu verzichten.

Neben der Pflicht zum Zölibat dürfte der demografische Wandel schuld daran sein, dass in immer mehr katholischen Pfarrhäusern die Lichter ausgehen. Katholische Familien, die traditionell den Priesternachwuchs lieferten, bekommen nur noch wenige Kinder. Und wenn der Sohn ins Priesterseminar geht, empfinden das Eltern heute nicht mehr als Ehre, sondern fragen sich, was sie falsch gemacht haben. In Asien und Lateinamerika ist das noch anders, auch in Polen gibt es noch reichlich Priesternachwuchs, so dass man in deutschen Gemeinden immer häufiger fremdsprachige Akzente hört. In Berlin kommt bereits ein Viertel der katholischen Priester aus dem Ausland. In der Weltkirche unterscheiden sich Frömmigkeitsstile bisweilen deutlich, ebenso die Vorstellungen von der Macht des Priesters und dem Mitspracherecht der Gläubigen. Gerade in Großstadtgemeinden wie in Berlin führt das nicht selten zu Konflikten.

Wer auf die Ehe nicht verzichten will, wird Diakon

Wer als geweihter Mann Gottes das Evangelium verkünden und nicht auf die Ehe verzichten will, kann Diakon werden. Oft entscheiden sich Menschen auf dem zweiten Bildungsweg dafür, die zuvor in einem zivilen Beruf tätig waren. Voraussetzung ist die mittlere Reife und die ehrenamtliche Mitarbeit in einer Pfarrei. Die Ausbildung dauert mindestens vier Jahre, umfasst ein theologisches Fernstudium und Praktika. Die Bezahlung ähnelt der eines Pfarrers. Der Diakon darf Paare trauen, Kinder taufen und dem Priester in der Messe assistieren.

Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den 1960er Jahren, als die katholische Kirche ihre Türen zur Welt öffnete, entstand der Beruf der Pastoralreferenten. Er steht Männern und Frauen offen. Nach Theologiestudium und praktischer Ausbildung in einer Gemeinde beraten die Pastoralreferenten den Pfarrer und arbeiten als Seelsorger auf Gemeinde- oder Bistumsebene. Der Berufsverband der Pastoralreferenten beklagt, dass Pastoralreferenten nur noch selten in Leitungsfunktionen aufsteigen, da sich in der Kirche die Haltung durchgesetzt habe, dass allein der Priester leiten sollte. In manchen Bistümern sind jahrelang keine Pastoralreferenten ausgebildet worden, weil man den Einfluss der Laien habe zurückdrängen wollen. Die Folge ist auch hier der Mangel an Nachwuchs. Schließlich gibt es noch die Gemeindereferenten. Sie brauchen kein Theologiestudium, ein religionspädagogisches Bachelorstudium und die praktische Ausbildung in der Pfarrei reichen aus. Gemeindereferenten arbeiten als Religionslehrer, leiten den Kommunions- und Firmunterricht an und unterstützen Pastoralreferenten, Diakone und Pfarrer.

In der evangelischen Kirche bleibt die Zahl der Pfarrer konstant

Mit etwas über 19 000 Pfarrern für 23,6 Millionen Kirchenmitglieder ist die evangelische Kirche besser dran als die katholische, und die Zahl der Pfarrer hält sich seit einigen Jahren recht konstant – nach Einbrüchen in den 1990er und frühen 2000er Jahren. Doch auch in der evangelischen Kirche gibt es Nachwuchssorgen. Während 1991 über tausend junge Pfarrer ihren Dienst antraten, waren es 2005 noch 405 und 2009 nur noch 260. Die hohe Arbeitsbelastung, lange Wege auf dem Land, wo eine Pfarrei mit ein bis zwei Dutzend Dörfern keine Seltenheit ist, schrecken ab. Auch die Aussicht, im Pfarrhaus immer unter Beobachtung zu leben, ist nicht attraktiv. Da Anfang der 2000er Jahre Pfarrstellen wegen der sinkenden Zahl der Kirchenmitglieder und des Spardrucks der Landeskirchen gestrichen wurden, hält sich außerdem der Eindruck, dass der Beruf eine unsichere Existenz mit sich bringt. Die Perspektive sei mittlerweile aber wieder so gut, dass sich junge Pfarrer bald aussuchen könnten, wohin sie gehen wollen, heißt es beim Berufsverband der evangelischen Pfarrer. Bezahlt wird wie in der katholischen Kirche und wie beim Staat die Studien- und Oberstudienräte.

Wer sich für einen Beruf in der Kirche entscheidet, sollte Lust haben, mit Menschen zu arbeiten, flexible Arbeitszeiten nicht scheuen und bereit sein, zu leben, was er oder sie predigt. Managerqualitäten und sprachliches Talent helfen. Ebenso eine gewisse Demut und besonders in der katholischen Kirche die Fähigkeit, sich in Hierarchien einzuordnen. Und ohne Draht zu Gott geht es auch nicht.

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