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Pfizer-Chef Andreas Penk: "Berlin ist die Gesundheitsstadt in Deutschland"

Andreas Penk, Chef von Pfizer Deutschland, über Arzneimittelfälschungen, deutsche Gesundheitspolitik und den Berliner Standort.

Herr Penk, Sie haben mit Medikamentenfälschungen zu kämpfen, insbesondere bei der Potenzpille Viagra. Wie erfolgreich gehen Sie dagegen vor?

Wir kooperieren mit den Behörden und machen Testkäufe. Aber die Zahl sicher gestellter Fälschungen steigt so dramatisch, dass man über andere Schutzmaßnahmen für die Verbraucher nachdenken sollte. Wir arbeiten auf europäischer Ebene an einer besseren Kennzeichnung von Arzneimitteln und fälschungssichereren Verpackungen. Solche Fälschungen, in denen von Rattengift bis Wandfarbe alles stecken kann, sind lebensgefährlich.

Nicht nur die gefälschten Präparate können gefährlich sein. Ihr Unternehmen ist mit Vorwürfen konfrontiert, Nebenwirkungen von Medikamenten verspätet gemeldet zu haben - in den USA beim Epilepsie-Mittel Lyrica und beim Cholesterinsenker Lipitor, in Deutschland beim Antidepressivum Edronax.

Das sind verschiedenen Vorgänge. Bei Edronax wollte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen eine Untersuchung über Antidepressiva durchführen. Das Institut hat Daten angefordert, die haben wir geliefert. Dann war das Institut der Meinung, dass wir mehr Daten liefern müssten und die haben wir dann zur Verfügung gestellt.

Wäre es nicht besser gewesen, sofort alles auf den Tisch zu legen?

Das hätte uns vielleicht Ärger erspart. Wichtig ist: Zu diesen Wirkstoffen gab und gibt es bereits umfangreiche vergleichende Studien von anerkannten Wissenschaftlern, und wir haben hier keine Daten zurückgehalten.

Aber die Daten hätten doch sicher die Bewertung erleichtert.

In diesem Fall ging es um Daten aus den 90er Jahren und unter anderem um Studien, die nicht von uns, sondern von unabhängigen Wissenschaftlern durchgeführt wurden. Seit 2005 stellen wir alle Studienergebnisse ins Internet.

Die forschenden Pharmaunternehmen werden beschuldigt, kaum veränderte Wirkstoffe neu patentieren zu lassen, um sich so höhere Einnahmen zu sichern. Ist das System transparent genug?

Ja. Zudem halte ich die Anzahl der Beispiele für so ein Vorgehen für gering. Die Zeit, in der man mit Molekülvarianten erfolgreich am Arzneimittelmarkt war, sind vorbei. Die Gesundheitssysteme in Europa sind inzwischen so gut aufgestellt, dass sie so etwas schnell identifizieren.

Aber es gibt Beispiele.

In den Medien wird oft so getan, als seien viele Medikamente nur Molekülvarianten. In Wirklichkeit kann eine Veränderung der Substanz einen wichtigen Unterschied machen. Wenn Sie heute bestimmte Bewertungen aus den 80er Jahren anschauen, sind dort viele Substanzen als Scheininnovationen bewertet worden, die heute als Leitsubstanzen ihrer Klasse gelten.

Immer wieder hört man, dass Pharmakonzerne versuchen, Ärzte zu bestechen. Warum hat Pfizer im zweiten Halbjahr 2009 in den USA 35 Millionen Dollar Honorare an Ärzte gezahlt hat.

Pfizer versucht nicht, über materielle Zuwendungen Ärzte zu beeinflussen. Aber weil unsere verschreibungspflichtigen Produkte erklärungsbedürftig sind, müssen wir mit Ärzten in Kontakt treten. Zudem arbeiten wir mit Ärzten bei der Entwicklung neuer Produkte intensiv zusammen. Das beinhaltet auch die Zahlung von Honoraren.

Es heißt, dass bei Ihnen zu wenig neue Wirkstoffe auf den Markt kommen. Was haben Sie zurzeit in der Pipeline?

2009 wurden in Deutschland sechs neue Pfizer-Produkte zugelassen. Die Pipeline ist gut gefüllt, wir haben vielversprechende Substanzen, die in der klinischen Erprobung sind. Und zwar bei schweren Erkrankungen wie Krebs, Alzheimer, Schizophrenie und Rheuma. Zudem hat es einen Paradigmenwechsel in der Forschung gegeben, der Zeit und Ressourcen gekostet hat. Heute werden mehr Wirkstoffe entwickelt, die für kleine, abgegrenzte Patientengruppen großen Nutzen bieten, und nicht mehr solche, die einer breiten Gruppe mittelmäßigen Nutzen bringen. Das ist die alte Pharmawelt. Die neue ist deutlich anspruchsvoller.

Was haben Sie gegen Krebs zu bieten?

In der Entwicklung haben wir zum Beispiel ein neues Mittel gegen Lungenkrebs für Patienten, die eine bestimmte Mutation im Tumor aufweisen. Bei vorbehandelten Patienten lag der Stopp des Tumorwachstums bei rund 90 Prozent. Das ist außergewöhnlich. Insgesamt sind die Erfolge bei Krebs aber sehr unterschiedlich. Bei Lungenkrebs liegt die Fünf-Jahres-Überlebensrate nur bei etwa zehn Prozent. Das ist absolut unbefriedigend und da müssen wir Fortschritte erzielen.

Hat die Krise einen Einfluss auf die Forschung gehabt?

Pharmaforschung richtet sich nicht nach kurzfristigen Krisen. Sie ist aber angewiesen auf stabile Rahmenbedingungen. Maßnahmen wie in der aktuellen Gesundheitsreform sind Gift für die Forschung.

Sehen sie nicht die Notwendigkeit der Regierung zu sparen?

Wir leisten bereits einen großen Beitrag. Die Kassen sparen Milliarden durch Festbeträge und Zwangsrabatte. Dabei macht der patentgeschützte Bereich zu Herstellerabgabepreisen nur etwa sieben Milliarden Euro des 160 Milliarden Budgets der gesetzlichen Krankenkassen aus. Das ist wirklich nicht der große Brocken.

Die Nähe zur Politik war auch ein Grund nach Berlin zu kommen. Haben Sie sich von Minister Rösler, einem FDP-Mann, mehr erhofft?

Die Sparbemühungen von Minister Rösler können nur kurzfristig wirken. Langfristig werden sie einen negativen Effekt auf die Forschung der Pharmaunternehmen haben. Wir fordern, dass die nun eingeführte Nutzenbewertung bei der Neueinführung von Medikamenten auf eine sichere Grundlage gestellt wird. Die jetzt vorgesehene Schnellbewertung birgt das Risiko, dass neue Medikamente aufgrund von Schwächen im Verfahren nicht den Weg zum Patienten finden.

Kommenden Donnerstag ziehen 200 Mitarbeiter an den Potsdamer Platz in Berlin, der größte Teil stammt aus dem im vergangenen Jahr übernommenen Pharmakonzern Wyeth. Was hat Sie bewogen, die Zentrale in Berlin aufzustocken?

Berlin ist die Gesundheitsstadt in Deutschland, hier gibt es eine einmalige Kombination aus medizinischer Infrastruktur, universitärer und außeruniversitärer Forschung und Biotec-Unternehmen. Davon profitieren wir sehr. Außerdem ist Berlin der Ort, wo alle relevanten Akteure des Gesundheitswesens ansässig sind oder sich regelmäßig treffen.

Ihre Zentrale und die europäische Krebssparte sind seit Oktober 2008 in Berlin. Wie fällt ihre Bilanz aus?

Wir sind gut angekommen. Insgesamt haben sich unsere Erwartungen erfüllt. Auch mit den politischen Rahmenbedingungen sind wir zufrieden. Die Gesundheitsstadt Berlin muss aber ihre Einmaligkeit stärker außerhalb kommunizieren. Dann werden wir auch mehr Forschung und Investitionen nach Berlin bringen.

In Berlin stocken Sie auf, weltweit wollen Sie aber 6000 Stellen streichen, auch der Standort Illertissen ist betroffen.

Beim Stellenabbau ist Deutschland nur am Rande betroffen und als Produktionsstandort aus diesem Ausleseverfahren eher gestärkt hervorgegangen. Wir behalten unsere Standort Freiburg und Illertissen und spezialisieren sie.

Wie lange wird es dauern, bis der Konzern die milliardenschwere Übernahme von Wyeth verkraftet hat?

Die Akquisition von Wyeth war aus den verschiedensten Gründen sinnvoll. Unser Produktportfolio ist nun breiter aufgestellt. Wir haben Impfstoffe, nicht verschreibungspflichtige Medikamente und Ernährungsprodukte dazubekommen.

Von welchen Wyeth-Wirkstoffen versprechen Sie sich Umsatzzuwächse?

Von Medikamenten gegen Rheuma und Arthritis und von den Impfstoffen. Wyeth hat auch ein vielversprechendes Antibiotikum gegen hochresistente Keime und gute Präparate gegen Blutgerinnungsstörungen.

Bis 2012 laufen 14 Ihrer Patente aus, zum Beispiel für den Cholesterinsenker Lipitor, eines der umsatzstärksten Medikamente. Was tun Sie, um die Einnahmeausfälle zu kompensieren?

Durch Wyeth und die produktivere Forschung sowie Umstrukturierungen im Konzern haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. In unserem Produktportfolio macht nun ab 2012 kein Wirkstoff mehr als zehn Prozent des Umsatzes aus, wir sind diversifiziert über viele Produktbereiche und Therapiegebiete und haben das Geschäft mit patentfreien Medikamenten ausgebaut.

Wegen der Patente bekommen Menschen in armen Ländern häufig nicht die erforderlichen Medikamente.

Es ist ein ganz wichtiges Ziel, den Zugang der Menschen in armen Ländern zu einer medizinischen Versorgung zu verbessern. Arzneimittelhersteller können das nicht alleine erreichen, aber sicher einen Beitrag leisten. Das tun wir, mit zahlreichen Projekten. Wir geben zum Beispiel Medikamente im Rahmen von Kooperationen mit Ländern oder NGOs kostenlos oder zu weitaus günstigeren Konditionen aus, etwa Mittel gegen schwere Pilzinfektionen, ein Medikament gegen Flussblindheit und Pneumokokken-Impfstoffe.

Pfizer unterlag Anfang des Jahres Teva im Bieterstreit um Ratiopharm. Nun wird spekuliert, Pfizer hätte Interesse an Stada.

Diese Spekulationen kommentieren wir nicht. Aber wir sind überzeugt, dass die Vermarktung der patentfreien Produkte ein wichtiger Bereich eines großen Unternehmens wie Pfizer sein kann.

In Asien wächst die Gesundheitswirtschaft, in Indien werden immer mehr Nachahmerpräparate hergestellt. Wo sehen Sie die Stärken des deutschen Standorts?

Die deutsche Stärke liegt zum einen in einer exzellenten Forschung und einer guten Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft. Dazu kommt hervorragende Technologie. Unsere hochspezialisierte medizinische Behandlung mit modernsten diagnostischen Verfahren, angebunden an Forschung, ist für die asiatischen Aufsteigernationen schwer kopierbar. Asien hat aber den großen Vorteil, dass es nicht die gleichen Fehler in der Gesundheitspolitik machen wird wie wir.

Welche Entwicklungen liegen Ihnen persönlich sehr am Herzen?

Ich wünsche mir, dass wir bei Krebs Fortschritte erzielen. Und ich hoffe, dass wir innerhalb dieser Dekade wirksame Medikamente gegen Alzheimer finden.

Das Gespräch führte Jahel Mielke.

ZUR PERSON

Der Manager
Andreas Penk, 1965 in Leipzig geboren, arbeitet seit 1994 bei Pfizer. Seit März 2007 ist der Mediziner Geschäftsführer von Pfizer Deutschland, seit November 2008 leitet er von Berlin aus die europäische Geschäftseinheit Onkologie. Penk ist verheiratet und hat zwei Töchter.

Der Konzern

Pfizer ist mit einem Umsatz von 50 Milliarden US-Dollar der größte Pharmakonzern der Welt. Das Unternehmen mit Sitz in New York beschäftigt mehr als 100 000 Menschen. Für die 1958 gegründete Tochter Pfizer Deutschland arbeiten 4000 Mitarbeiter, 720 davon in der Berliner Zentrale, die vor eineinhalb Jahren von Karlsruhe in die Hauptstadt umzog. Der Umsatz in Deutschland lag zuletzt bei rund zwei Milliarden Euro.

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