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Wirtschaft: Pfizer zahlt für Patientendaten

Politik kritisiert das Partner Programm des Pharmakonzerns für den Cholesterinsenker Sortis

Berlin – Im Streit um den Cholesterinsenker Sortis geht der Pharmakonzern Pfizer neue Wege. Das Unternehmen will einigen Patienten zusätzliche Ausgaben erstatten, die ihnen seit Januar entstehen, wenn sie das Präparat weiter nehmen. Ärzte und Politiker reagierten empört. „Das ist unerhört“, sagte die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Helga Kühn-Mengel, dem Tagesspiegel. Die SPD-Politikerin findet es „bedenklich“, dass Patienten persönliche Daten offenbaren müssen. Sie habe bereits erste Beschwerden von Patienten erhalten, sagte Kühn-Mengel.

Pfizer weigert sich, den Preis für Sortis auf die Höhe des seit Anfang 2005 gültigen Festbetrags abzusenken. Dieser legt fest, welche Kosten die Krankenkassen maximal erstatten. Mit der Gesundheitsreform werden erstmals auch für patentgeschützte Arzneimittel Festbeträge festgesetzt. Weil Pfizer anders als andere Hersteller die Preise nicht absenken will, drohen den Patienten, die weiter Sortis nehmen wollen, Mehrkosten von bis zu 50 Euro pro 100er-Packung, die im Normalfall für drei Monate reicht.

Das Unternehmen will daher Sozialhilfeempfängern und Versicherten, die ihre Höchstbelastungsgrenze von zwei Prozent des Bruttoeinkommens im Jahr erreicht haben, den Differenzbetrag zurückerstatten, den sie sonst aus eigener Tasche zahlen müssten. Nicht teilnahmeberechtigt sind chronisch Kranke, die von Zuzahlungen befreit werden, wenn sie mehr als ein Prozent ihres Einkommens gezahlt haben. Gerade Chroniker dürften jedoch nach Einschätzung von Experten auf die regelmäßige Einnahme des Medikaments angewiesen sein. Um an dem „Pfizer Partner Programm“ teilzunehmen, müssen die Versicherten die Befreiungsbescheinigung der Kasse und das Rezept einreichen. Außerdem müssen sie Adresse und Bankverbindung angeben. Sozialhilfeempfänger müssen eine Bescheinigung des Sozialamtes oder einen Sozialhilfebescheid beifügen, wenn sie Geld erstattet bekommen wollen.

Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten und Krankenkassen, Rainer Hess, bezeichnete das Vorgehen des Konzerns als „außergewöhnlichen Vorgang“, der nichts mit medizinischer Betreuung der Patienten zu tun habe. „Mit dieser Marketingmaßnahme will Pfizer offenbar seinen Umsatz retten“, sagte er dem Tagesspiegel. Der Konzern habe die Gefahr erkannt, dass er seine Produkte möglicherweise nicht mehr absetzen könne wie bisher. Hess äußerte Zweifel, ob das Programm rechtlich zulässig sei. Er habe Bedenken, ob es sich hier nicht um einen Eingriff in den Wettbewerb handele.

Die Kassenärzte befürchten, dass mit dem Programm Druck in den Praxen aufgebaut werden soll. „Dem Arzt fällt es dann deutlich schwerer, seinen Patienten zu überzeugen, das Medikament zu wechseln“, sagte Roland Stahl, Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Pfizer gehe es um „strategisch angelegte Kundenbindung“. Gemeinsam mit der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft will die KBV demnächst eine neutrale Information veröffentlichen. Auch Krankenkassen raten den Patienten, im Zweifelsfall auf preiswertere Alternativen zu Sortis umzusteigen. Pfizer ist derzeit mit dem Cholesterinsenker Marktführer.

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