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Ärger in Wien, Jubel in Athen: Pipeline-Projekt Nabucco ist tot

Das von der EU über viele Jahre unterstützte Gaspipeline-Projekt Nabucco unter Führung des österreichischen Energiekonzerns OMV ist nach elf Jahren Planung endgültig gescheitert. Dafür soll eine Pipeline durch den Balkan gebaut werden. Das sorgt für Freude in Athen.

Ein Konsortium, das das Riesenfeld Shah Deniz II in Aserbaidschan kontrolliert, hat entschieden, dem Konkurrenzprojekt TAP (Trans Adriatic Pipeline) die Erlaubnis zu erteilen, sein Gas vom Kaspischen Meer nach Europa zu bringen. Das Gas wird also auf absehbare Zeit nicht über die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Baumgarten in Österreich transportiert, wo es ins bestehende europäische Leitungsnetz hätte eingespeist werden sollen, wie der Nabucco-Plan vorsah. Nun soll es ab 2019 von der türkischen Grenze über Nordgriechenland und Albanien durch die Adria nach Italien geliefert werden. Damit hat sich das jüngere Konzept durchgesetzt, das vor allem von Konzernen aus den Nicht-EU-Staaten Norwegen und Schweiz vorangetrieben wird – und dem Essener Eon-Konzern.

Endstation Baumgarten, Österreich: Hierher sollte die Nabucco-Pipeline Gas aus Aserbaidschan bringen. Das wird nun nichts.

© Reuters

Eigentlich wollte das internationale Shah-Deniz-Konsortium, das die Wahl zu treffen hatte, dieses Ergebnis jahrelanger Verhandlungen erst am Freitag feierlich in Aserbaidschans Hauptstadt Baku verkünden. Die enttäuschten Österreicher von OMV nahmen die Spannung aber raus, indem sie bereits am Mittwoch die Öffentlichkeit informierten, dass ihr Nabucco-Projekt unterlegen ist. Sie hätten es gemeinsam mit Konzernen aus Ungarn, Bulgarien, Rumänien und der Türkei stemmen wollen – und dem deutschen RWE-Konzern. Der sah die Niederlage bereits kommen und war bereits ausgestiegen. Auch die Homepage sieht in den meistern Browsern mittlerweile ziemlich verkatert aus.

Spielverderber. OMV-Chef Gerhard Roiss ließ am Mittwoch seine Niederklage für Nabucco verbreiten und ruinierte damit die feierliche Kür der Siegerpipeline in Baku.

© Reuters

Ursprünglich sah der Plan vor, eine 3300 Kilometer lange Leitung zu bauen, die fast von der Quelle bis nach Österreich reichte. Die Kostenpläne explodierten über die Jahre. Statt acht Milliarden Euro Baukosten stand am Ende die Summe von 15 Milliarden im Raum. Mehrere Partner zogen die Reißleine, darunter RWE. Auch der ehemalige Außenminister Joschka Fischer (Grüne) ließ sich als Nabucco-Lobbyist bezahlen. Schließlich galt das Projekt, als europäisches Integrationsprojekt. Die Russen trieben die Nabucco-Planer mit ihrem Plänen zum Bau der South-Stream-Pipeline vor sich her.

Komplett durcheinander geriet das Projekt als sich, nachdem Aserbaidschan und die Türkei sich darauf einigten, selbst ein Pipeline-Konsortium zu gründen, um das Gas schon mal den halben Weg durch die Türkei über den Bosporus nach Europa bringen soll. Der Bau der Tanap-Pipeline soll 2014 beginnen. Am Ende stand also nur noch die Frage, ob das Gas mit der halben Pipeline „Nabucco-West“ nach Österreich gehen soll oder mit TAP durch den Balkan nach Italien. "Zunächst einmal ist das Projekt Nabucco für uns beendet“, sagte OMV-Chef Gerhard Roiss auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Die Konkurrenzpipeline TAP soll nun ab 2019 zehn Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa pumpen - das ist etwa so viel wie der jährliche Gasbedarf Polens

Unverhoffter Gewinner der Entscheidung ist Griechenland. Der aserbaidschanische Botschafter in Athen und Vertreter des Shah-Deniz-II-Konsortiums informierten den griechischen Außenminister und Vizepremier Evangelos Venizelos am Mittwoch über den Abschluss des Auswahlverfahrens. Der verkniff sich den Jubel und verwies auf die offizielle Entscheidung am Freitag.

Welche Bedeutung das TAP-Projekt für Griechenland hat, unterstrich Ministerpräsident Antonis Samaras bereits vergangenen Monat mit einem Besuch in Baku, wo er mit Präsident Ilham Aliyev zusammentraf. Nach einer Studie des industrienahen griechischen Wirtschaftsforschungsinstituts Iobe könnte die Pipeline pro Jahr rund 340 Millionen Euro zum griechischen Bruttoinlandsprodukt beisteuern. Das Projekt werde direkt rund 2000 Arbeitsplätze und mittelbar weitere 10 000 Jobs schaffen, rechnet das Institut vor. Die neue Pipeline wird Griechenland aber auch helfen, seine Gasversorgung zu diversifizieren. Bisher bezieht das Land rund 80 Prozent seines Bedarfs vom russischen Staatskonzern Gazprom. Die restlichen 20 Prozent kommen als Flüssiggas in Tankern vor allem aus Nordafrika.

Die griechischen Verbraucher zahlen laut Eurostat die dritthöchsten Gaspreise in der EU. Ein Grund dafür ist, dass der Hauptlieferant Gazprom die griechischen Preise berechnet, die deutlich höher liegen, als Gazprom in anderen europäischen Ländern einnimmt. Zwar hat Gazprom bereits die Möglichkeit von Preissenkungen angeboten, wenn die bestehenden Lieferverträge 2016 auslaufen. Mit dem Bau der TAP-Pipeline und dem Zugriff auf aserbaidschanisches Gas kann Griechenland besser verhandeln.

Die größten Gewinner aber sitzen am Bohrloch. Elmar Mamedov, der Aserbaidschans staatliche Rohstoffgesellschaft Socar hierzulande vertritt, sagte dem Tagesspiegel, dass Gewinne aus dem Verkauf von Erdöl und Erdgas in den staatlichen aserbaidschanischen Ölfonds Sofaz flössen. "Was mit dem dort angehäuften Kapital geschieht, liegt in der Hand des aserbaidschanischen Parlaments.", beteuert er. "Viel Geld fließt in Infrastrukturprojekte und in Hilfen für die Flüchtlinge aus dem armenisch besetzten, laut UN-Resolutionen völkerrechtlich aber zu Aserbaidschan gehörenden Gebiet Berg-Karabach".   

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