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Blick auf Peking. Wer in der Ferne in einem Unternehmen mitarbeitet, sammelt fachliche Erfahrungen - und lernt Land und Leute von einer anderen Seite kennen.

© AFP

Praktikum im Ausland: Auf nach China

Junge Menschen gehen nicht mehr nur zum Studium ins Ausland. Sie suchen sich dort immer öfter auch einen Praktikumsplatz. Warum sich das lohnt – und wie man es macht.

Christoph Zieger hatte gerade zwei Semester seines Bachelor of Business Administration hatte hinter sich, als er ins Flugzeug stieg und nach Peking reiste. In der Hauptstadt der Volksrepublik China sollte er sechs Monate lang ein Praktikum bei einem deutschen Automobilhersteller machen. „Ich wollte raus aus dem akademischen Korsett und Praxiserfahrung sammeln“, erinnert sich der 25-Jährige.

Organisiert hat Zieger sein erstes Praktikum in Eigenregie: Auf der Webseite des Dax-Konzerns fand er die Ausschreibung. Er bewarb sich per E-Mail. Dann hörte er fast drei Monate nichts, bis er zu einem telefonischen Bewerbungsgespräch eingeladen wurde. Kurz darauf hatte er die Zusage im Postfach.

Immer mehr Studierende sammeln Erfahrungen im Ausland. Die EU fördert das. Ginge es nach ihr, sollte mindestens jeder fünfte Studierende eine Zeit lang in die Ferne schweifen. Das lässt sie sich einiges kosten. Mit Investitionen in Milliardenhöhe will sie in den nächsten Jahren die Austauschprogramme für Schüler, Studenten und Auszubildende voranbringen – mit dem neuen Programm „Erasmus+, das in dieser Woche an den Start ging.

Berufserfahrung macht sich gut im Lebenslauf

„Für den Lebenslauf macht sich die Berufserfahrung im Ausland genau so gut wie ein Auslandsstudium“, sagt Günter Müller-Graetschel, der seit 1996 beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (Daad) Ansprechpartner für Auslandspraktika ist. Im Bewerbungsgespräch habe man später gleich ein Thema, mit dem man punkten könne.

Unter seinem Dach vereint der Daad eine Reihe von Programmen, die bei der Umsetzung von berufsorientierten Auslandsaufenthalten helfen; das Programm „Iaeste“ etwa, ein technisch orientierter Studentenaustausch, der nach dem Zweiten Weltkrieg im Sinne der Völkerverständigung ins Leben gerufen wurde, das „Carlo-Schmid-Programm“, das Praktikanten zu den Vereinten Nationen, zu EU-Institutionen und anderen internationalen Organisationen bringt, oder das „Rise-Programm“, das deutsche Forschungsassistenten in weite Teile der Welt führt. Außerdem können angehende Lehrer mit Hilfe des Daad an deutschen Schulen im Ausland Praktika machen.

„Ein Auslandspraktikum soll zum einen den Horizont erweitern, indem man eine andere wissenschaftliche Tradition, einen anderen Schwerpunkt oder eine neue Facette in der Ausbildung kennenlernt“, sagt der Daad-Mitarbeiter. Ein Student gewinne Einblicke in den betrieblichen Alltag und Praxiserfahrung jenseits deutscher Gepflogenheiten.

Die Nachfrage nach solchen Angeboten steigt. „Schon auf Studienmessen erkundigen sich Abiturienten nach Auslandspraktika“, berichtet Müller-Graetschel. Dabei sollte man mindestens zwei Jahre studiert haben, sonst bringe das Praktikum weder Praktikanten noch Unternehmen etwas.

Die Firma zahlte ein "Serviced Appartment"

Christoph Zieger kam gut in Peking an. „Es war dort alles bestens organisiert“, sagt er. Die Firma hat ihren Praktikanten „Serviced Appartements“ bezahlt, eine Mischung aus Wohnung und Hotelzimmer mit Fitnessraum und Swimmingpool. Zur Arbeit brachte ihn ein Shuttlebus. Pro Monat bekam Zieger umgerechnet etwa 300 Euro. Um gut leben zu können, musste er noch etwa 100 Euro drauflegen. Auch den Flug zahlte er selbst. Sechs Monate ließen sich so gut verbringen. Doch nicht jeder kann so viel Zeit einplanen.

Durch die Bologna-Reform werde das Studium fast wie im Klassenverband absolviert. Wer länger ins Ausland gehe, müsse oft ein ganzes Jahr wiederholen, da nicht alle Kurse in jedem Semester angeboten werden. „Das Mobilitätsfenster ist also manchmal sehr klein“, sagt Müller-Graetschel. Zwei bis drei Monate während der Semesterferien bleiben den Studierenden heute. „Vielen wären sechs Wochen Auslandsaufenthalt lieber, damit sie noch Zeit zum Lernen haben und den Anschluss in der Uni nicht verpassen“, sagt der Praktikums-Experte. Doch das sei nicht lang genug. „Schließlich ist eine gewisse Einarbeitungszeit nötig, damit das Praktikum für beide Seiten etwas bringt.“

Die ausländischen Betriebe sind aus vielen Gründen an deutschen Gästen interessiert.„Wenn ein Unternehmen etwa ein Produkt auf den deutschen Markt bringen will, muss es wissen, wie Deutsche ticken“, sagt Müller-Graetschel. „Ein Praktikant kann die Mentalität nahe bringen, Übersetzungen anfertigen oder beraten.“

Für die Bewerbung sind erste Berufserfahrungen von Vorteil. Zieger hat es auch ohne geschafft. Er konnte mit einem Auslandsaufenthalt in Taiwan in der elften Klasse punkten. „Daher konnte ich die Sprache und war mit vielen kulturellen Gepflogenheiten vertraut“, sagt er.

In der Regel müssen die Eltern Geld zuschießen

Auch wenn es inzwischen einige Stipendien gibt, die den Aufenthalt fördern, bedeutet ein Auslandspraktikum meistens, dass die Eltern finanziell etwas zuschießen müssen. Das Geld aus den Förderprogrammen decke die Lebenshaltungs-, Versicherungs- und Reisekosten oft nur zu einem Teil. Und nicht immer sind die Praktika vergütet. Praktikanten in IT-Berufen bekommen auch international bereits im Praktikum eine ordentliche Bezahlung, in Kultur- und Medienberufen ist dagegen kein Geld zu erwarten.

Seit ein paar Jahren bieten immer mehr Organisationen Komplettpakete inklusive Flug, Visum, Sprachkurs, Unterbringung, Versicherung, Praktikumsstelle und einer Betreuung vor Ort an. Müller-Graetschel rät davon nicht gänzlich ab, schließlich erwerbe man auch auf diesem Weg wichtige Erfahrung. Besser sei aber, sich selbst einen Platz zu suchen, der auf die eigenen Studienziele abgestimmt ist.

Christoph Zieger arbeitete während seines Praktikums in einem Team, das für den Vertrieb von Merchandising-Produkten in der Region zuständig war. Er half dabei, absatzsteigernde Kampagnen zu erstellen und Schulungsmaterialien für Außendienstmitarbeiter vorzubereiten.

Für mich sind Auslandspraktika die angenehmste Art, zu lernen“, sagt er. Deshalb machte er gut zwei Jahre später noch eins, diesmal in der Schweiz. Seit Januar hat er seinen Master in der Tasche und arbeitet nun in Berlin für eine Unternehmensberatung. Auf längere Sicht könnte er sich aber durchaus vorstellen, noch einmal nach Asien zu gehen.

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