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Wirtschaft: Private Krankenkassen fühlen sich bedroht

Wenn die Bürgerversicherung kommt, können junge Leute nicht mehr in die PKV. Das wäre das Ende

Berlin (ce/hej). Die privaten Krankenversicherer (PKV) wären die großen Verlierer einer Bürgerversicherung im Gesundheitswesen. „Die Bürgerversicherung läuft auf eine Abschaffung der PKV hinaus“, sagte Gesundheitsexperte Stefan Etgeton vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) dem Tagesspiegel. Der Grund: Den privaten Versicherern würde der Nachwuchs abgeschnitten. Darunter hätten auch die bereits jetzt privat Versicherten zu leiden: „Privatpatienten müssen dann mit deutlich höheren Beiträgen rechnen“, glaubt Etgeton. Wer könne, werde daher in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zurückwechseln. „Die Abschaffung der PKV kommt womöglich schneller, als man heute glaubt“.

Die RürupKommission hatte am vergangenen Donnerstag zwei Systeme vorgestellt, wie die Krankenversicherung reformiert werden könnte: die Bürgerversicherung und das Kopfpauschalensystem. Die Bürgerversicherung, so wie sie vom Kölner Gesundheitsökonomen Karl Lauterbach favorisiert wird, sieht vor, die Versicherungspflichtgrenze von derzeit 3825 auf 5100 Euro anzuheben. Erst ab diesem Monatseinkommen wäre es dann für einen Arbeitnehmer möglich, die gesetzliche Krankenversicherung zu verlassen. Langfristig will der Regierungsberater die Versicherungspflichtgrenze ganz aufheben. Damit wäre das Nebeneinander von GKV und PKV, die beide Vollversicherungen anbieten, komplett abgeschafft. Zusätzlich sollen außerdem Beamte und Selbstständige schrittweise in die gesetzlichen Kassen einbezogen werden. Für bestehende Verträge mit der PKV soll es in dem Modell jedoch Vertrauensschutz geben. Umgekehrt sollen aber auch privat Versicherte, die in den vergangenen fünf Jahren die GKV verlassen haben, ein Rückkehrrecht eingeräumt bekommen. Lauterbach zeigt sich jedoch zuversichtlich, dass die Bürgerversicherung nicht das Aus der privaten Krankenversicherer bedeuten würde. Im Abschlussbericht der Rürup-Kommission heißt es, diese könnten in Zukunft Zusatzversicherungen anbieten – über „Leistungen, deren medizinische Notwendigkeit nicht nachgewiesen werden kann oder die reinen Wellness-Charakter haben“.

Ulrich Rumm, Vorstandschef der Allianz Privaten Krankenversicherung, lehnt die Bürgerversicherung kategorisch ab. Angesichts der demographischen Entwicklung sei es unsinnig, die funktionierende kapitalgedeckte Krankenversicherung zu schwächen, um das nicht mehr zeitgemäße System der Umlagefinanzierung in der GKV zu retten, sagte Rumm dem Tagesspiegel. „Die Bürgerversicherung ist extrem kurzfristig gedacht“, kritisiert der Versicherungschef. Noch hofft Rumm jedoch, dass der Kelch an der Branche vorübergeht. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so viel Ignoranz in der Politik gibt.“ Bereits privat Versicherte hätten jedoch auch bei einer Bürgerversicherung nichts zu befürchten: „Wir haben Alterungsrückstellungen von elf Milliarden Euro“, betont Allianz-Vorstandschef Rumm, Prämienerhöhungen aus demografischen Gründen werde es daher nicht geben.

Eher anfreunden kann sich die PKV mit den von Kommissionschef Bert Rürup favorisierten einkommensunabhängigen Kopfpauschalen. Ob diese auf den Kreis der derzeit gesetzlich Versicherten beschränkt bleiben oder auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt werden sollen, ist noch offen. Rürup gibt jedoch zu bedenken, dass es im zweiten Fall verfassungsrechtliche Probleme geben könnte, wenn die Betätigung der PKV beschnitten werde. Er will daher an der Versicherungspflichtgrenze wie bisher festhalten. Der Berliner Ökonom Gert Wagner, ebenfalls Mitglied der Rürup-Kommission, will dagegen die Unterscheidung in GKV und PKV aufheben. Beide Versicherungstypen könnten sich als Konkurrenten am Markt bewähren. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Erika Ober sieht es als einen Vorteil der Pauschalen gegenüber der Bürgerversicherung an, dass der PKV „nicht die Existenzgrundlage entzogen“ werde.

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