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Wirtschaft: Private Krankenversicherer drohen mit Klage

Höhere Versicherungspflichtgrenze würde Wechsel in Privatkasse erschweren. Streit auch in der Rentenversicherung

Berlin (ce/hej). Die privaten Krankenversicherer (PKV) streben gegen die geplante Anhebung der Versicherungspflichtgrenze (siehe Lexikon) eine Verfassungsklage an. „Wir werden bis nach Karlsruhe gehen“, sagte der Direktor des PKVVerbandes, Volker Leienbach, am Montag dem Tagesspiegel. Der Verband bereite die Klage schon „sehr konkret vor“. Leienbach warf der Bundesregierung vor, „in einen funktionierenden Markt einzugreifen“. SPD und Grüne hatten sich in den laufenden Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, den Wechsel von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu den Privaten zu erschweren. Dafür soll die Grenze, ab der ein Wechsel möglich ist, von 3375 auf 4500 Euro Monatseinkommen heraufgesetzt werden.

Dieser Plan der rot-grünen Koalition könnte aber noch an der Unions-Mehrheit im Bundesrat scheitern. Denn die Krankenversicherung ist nicht nur Bundes-, sondern auch Ländersache. Die Zustimmung der Opposition gilt als ausgeschlossen. Einfacher dürfte es dagegen für die Koalition sein, die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung zu erhöhen – denn die Rente ist Bundessache und damit nicht von der Zustimmung der Länderkammer abhängig. „Der Gesetzgeber ist in dieser Frage frei“, heißt es auch bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). Zwar orientiere sich die Politik bei ihrer Entscheidung an der Entwicklung der Löhne und Gehälter, aber gesetzliche Vorgaben gebe es nicht, sagt BfA-Pressereferentin Karin Klopsch.

Derzeit liegt die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung bei 4500 Euro im Westen und 3750 Euro im Osten. Am Montag hat die Koalition beschlossen, dass die Grenze auf 5000 Euro in den alten Bundesländern und 4170 Euro in Ostdeutschland erhöht werden soll. Damit sollen besser Verdienende stärker in die Pflicht genommen werden als bisher. Denn sie müssten künftig auch Rentenbeiträge auf den Teil ihres Einkommens zahlen, der bislang noch über der Beitragsbemessungsgrenze liegt und daher derzeit beitragsfrei ist. Doch das ist nicht die einzige Verteuerung. Erwartet wird auch eine Erhöhung des Beitragssatzes von derzeit 19,1 Prozent. Ob die Abgabe an die Rentenkasse tatsächlich auf 19,5 Prozent klettern wird, wie befürchtet, oder nur auf 19,3 Prozent wie von der Koalition erhofft, wird sich Ende des Monats zeigen. Am 25. Oktober trifft sich der Schätzerkreis, der aus Vertretern des Bundesarbeitsministeriums, des Bundesversicherungsamtes, der BfA und des Verbandes der Rentenversicherungsträger besteht. Die Experten rechnen aus, wie hoch der Beitrag sein muss, um die Ausgaben der Rentenversicherung im kommenden Jahr zu decken.

Klar ist: Arbeitnehmer werden künftig sehr viel mehr in die Rentenkasse einzahlen. Besonders deutlich wird das bei Gutverdienern (siehe Grafik). Während bislang bei Arbeitnehmern in den alten Bundesländern maximal 859,50 Euro vom Bruttoeinkommen für die Rente abgezogen werden, würde dieser Betrag auf 975 Euro steigen, wenn die Beitragsbemessungsgrenze demnächst bei 5000 Euro liegen wird und der Beitragssatz auf 19,5 Prozent steigt.

Die geplante Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung ist nach Ansicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zwar juristisch nicht bedenklich, ökonomisch jedoch nicht sinnvoll. „Damit verschiebt man Lasten in die Zukunft“, sagt Volker Hansen, stellvertretender Leiter der Abteilung Soziale Sicherung bei der BDA. Denn diejenigen, die höhere Beiträge in die Rentenversicherung einzahlen, erwerben damit auch höhere Rentenansprüche.

Um die Rentenkassen kurzfristig zu entlasten, gebe es zwei Möglichkeiten: die Rentenanpassung im kommenden Jahr auszusetzen – das heißt eine Nullrunde für die Rentner im Jahr 2003 einläuten. Oder der Gesetzgeber müsse die Abschläge erhöhen, wenn ein Arbeitnehmer früher in Rente gehe. Der Präsident des BDA, Dieter Hundt, reagierte am Montag abend kritisch. Die von der Koalition geplanten Veränderungen „vernichten Arbeitsplätze und sind der falsche Weg, wenn wir unsere Sozialversicherungssysteme endlich zukunftsfest machen wollen“, sagte er.

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