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Wirtschaft: Pustefix - 50 Jahre und noch immer schön

Eine Ära geht zu Ende.50 Jahre ist die D-Mark alt, Symbol für wirtschaftlichen Aufschwung und Stabilität in der Bundesrepublik Deutschland.

Eine Ära geht zu Ende.50 Jahre ist die D-Mark alt, Symbol für wirtschaftlichen Aufschwung und Stabilität in der Bundesrepublik Deutschland.Nun macht die D-Mark dem Euro Platz.Was ist aus den Unternehmen der Wirtschaftswunderjahre geworden, wie haben sie den Generationswechsel bewältigt? Der Tagesspiegel stellt einige von ihnen in lockerer Folge vor.

Seifenblasen sind der Inbegriff für Flausen in den Köpfen und die Vergänglichkeit des Schönen.Wenn Träume aus Stoff wären, wären sie aus Seifenblasenstoff.Aber welcher Stoff ist das? Ein Geheimnis.Mit Sorgfalt gehütet vom einzigen Hersteller von Seifenblasen in Deutschland, der Dr.Rolf Hein KG in Tübingen-Kilchberg."Pustefix" heißt das Produkt, das der schwäbische Familienbetrieb seit 50 Jahren herstellt, und das wohl jeder in Deutschland kennt: ein blaues Plastikröhrchen, auf dem ein gelber Bär abgebildet ist.Im Innern blubbert die Flüssigkeit, deren hohe Viskosität sich besonders eignet für die Herstellung der kurzlebigen Blasen.Die Herstellung ist in der Tat kinderleicht: Am Deckel ist ein Plastikstäbchen befestigt, an dessen Ende ein Ring in die Flüssigkeit ragt.Deckel abschrauben, in den Ring pusten und eine Reihe ebenmäßiger Blasen fliegt in die Luft.Schwieriger und nicht mehr ganz so kinderleicht ist es, große Blasen zu machen.Man braucht einen längeren, präziser dosierten Atem.Das ist eher ein Geschäft für Eltern.So ist bei Familien nicht selten ein gewisser Konkurrenzkampf zu beobachten um die Fähigkeit, die schönsten Blasen zu produzieren.Rauchende Väter imponieren dem Nachwuchs gern mit nikotingefüllten Blasen.Streit zwischen Kindern um den Besitz der blauen Dose ist nicht selten zu erleben.Manchmal streiten auch die Eltern mit.

Für den Gründer des Unternehmens, Rolf Hein, war Pustefix eine Art Abfallprodukt der Nachkriegstüftelei.Mit einer sehr seriösen Alltagschemikalie hatte der Chemiker nach dem Krieg angefangen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen.Er stellte Waschmittel her und tauschte es bei den Bauern gegen Essen ein.Nach der Währungsreform war Waschmittel aus Eigenproduktion nicht mehr sehr gefragt, denn plötzlich waren die Läden voll.

Zufällig, beim Experimentieren, war Hein auf die Lauge gestoßen, die besonders geeignet war, die Lebensdauer der fragilen Seifenblasen um einige Sekunden zu verlängern.Die hohe Oberflächenspannung der Lösung verhindert ein allzu schnelles Reißen des Stoffs aus dem die Blasenwand besteht.Hein machte aus einer Idee ein Produkt: Aus Pustefix wurde ein Klassiker.Doch erfunden hat er die Seifenblase nicht.Nur perfektioniert.Zuvor ist die mit einfacher Waschlauge und mit Hilfe eines Strohhalms gemacht worden.Hersteller der Lösung waren Mütter.

Die blauen Fläschchen konnten sich in all den Jahren am Markt behaupten.Kein High-Tech-Spielzeug, keine Barbie hat sie aus den Kinderzimmern vertreiben können.Ganz an der Moderne kam jedoch auch die Rolf Hein KG nicht vorbei.Die ursprüngliche Pustefix-Flasche war ein Aluminiumröhrchen, das von einem Korken verschlossen wurde.Auch der Inhalt ist den Bedürfnissen modernen Lebens angepaßt worden: er ist heute zu 100 Prozent biologisch abbaubar - eine Auflage der Umweltgesetzgebung.Es sieht so aus, als sei das Herstellen von Seifenblasen eines der wenigen Urgefühle des Spielens, die auch in der modernsten Zeit ein Grundbedürfnis erfüllt: Produzieren, kurze Freude, Erneuern.

Das Geschäft wächst und gedeiht.28 Menschen arbeiten in der Rolf Hein KG.Gerold Hein, der heute das Heft in der Hand hält, blickt optimistisch in die Zukunft.Zum 1.Januar hat Frank Hein, sein Sohn, die Geschäftsführung übernommen.Damit ist die Zukunft des Unternehmens auch in der dritten Generation gesichert.Mit jährlich etwa sieben Mill.Röhrchen werden fünf Mill.DM Umsatz erwirtschaftet - mehr als doppelt so viel wie vor 25 Jahren.500 000 Liter der Flüssigkeit, deren Rezeptur geheim gehalten wird, werden verarbeitet.Die Herstellung muß aber etwas mit Ammoniak zu tun haben - der Geruch der Chemikalie erfüllt die Produktionshalle.Die Fläschchen werden vor allem im Sommer und vor allem in Deutschland verkauft.Ein Drittel wird exportiert - in die europäischen Nachbarländer, aber auch nach Japan, Indien und in die USA."Deshalb freuen wir uns auch auf den Euro", sagt Gründer Gerold Hein.

Neuerdings hat man dem blauen Klassiker einige Variationen zur Seite gestellt: Flakons in der Form von Pfeifen, Schlangen, Bären.Eine Nachfüllflasche mit einem Liter Inhalt erfüllt die Bedürfnisse der Dauerbläser.Doch nur die Hülle variiert, der Inhalt bleibt gleich.Auch die großen Elektro-Bären, die in vielen Fußgängerzonen Deutschlands Blasen auf die sommerlichen Trottoirs pusten, kommen aus Tübingen.Doch das ist die einzige Werbung, die die Rolf Hein KG nötig hat.Ansonsten ist das Produkt ein Selbstläufer.Seit 50 Jahren.Und das wird es wohl auch bleiben.

KATHRIN SPOERR

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