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Wirtschaft: Rechtsschutz in Eigenregie

Ob im Wirtschafts-, Vereins- oder Familienrecht: Schiedsgerichte sind weit verbreitet. Welche Vorteile sie gegenüber den staatlichen haben – und wo die Beteiligten aufpassen müssen Das Verfahren ist schnell, in nur einer Instanz erledigt

Schiedsrichter kennt man vor allem aus dem Sport – als neutrale Personen, die ein Spiel leiten und überwachen. Doch auch im rechtlichen Bereich wird der Begriff verwendet: Er bezeichnet unparteiische Dritte, die einen privaten Rechtsstreit anstelle der staatlichen Gerichte verbindlich entscheiden. Voraussetzung ist, dass die Parteien vorher eine sogenannte Schiedsvereinbarung getroffen haben. Für die Beteiligten kann das viele Vorteile haben.

Gerade im Wirtschaftsrecht sind Schiedsverfahren stark verbreitet. Doch auch bei der Beilegung von Streitigkeiten des täglichen Lebens, etwa im Vereins- und Sportrecht, leisten sie gute Dienste. In Bayern wurde kürzlich ein eigenes Familienschiedsgericht gegründet, das unterhalts- und vermögensrechtliche Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Ehescheidungen regelt. Und auch zur Aufklärung ärztlicher Behandlungsfehler oder bei der Klärung arbeitsrechtlicher Probleme in Ausbildungsverhältnissen werden Schiedsgerichte bemüht.

Häufiger Grund für die Vereinbarung eines Schiedsverfahrens: Anders als bei staatlichen Gerichten können die Parteien über die Besetzung des Schiedsgerichts selbst entscheiden. Auch den Verfahrensablauf können sie größtenteils in Eigenregie bestimmen. Weitere Vorteile sind die Vertraulichkeit und die Beschleunigung der Angelegenheit, die mit der endgültigen Entscheidung in nur einem Verfahrenszug einhergeht.

Schiedsgerichte bieten dabei ebenso wirkungsvollen und effizienten Rechtsschutz wie staatliche Gerichte. Über eines müssen sich die Parteien jedoch im Klaren sein: Haben sie eine wirksame Schiedsvereinbarung getroffen, bleibt ihnen der Weg zu den „normalen“ Gerichten verwehrt. Diese dürfen dann nicht mehr prüfen, ob das Schiedsgericht das materielle Recht richtig angewandt hat. Geschieht dies dennoch, kann der Beklagte die sogenannte Schiedseinrede erheben; die Klage wäre unzulässig. Was staatliche Gerichte dagegen sehr wohl prüfen dürfen, ist die Frage, ob der Schiedsspruch auf Verfahrensfehlern beruht oder gegen den ordre public, also zwingendes deutsches oder europäisches Gemeinschaftsrecht, verstößt.

Recht zu bekommen ist eine Sache, seine Forderung auch zu vollstrecken eine andere. Leistet die in einem Schiedsverfahren unterlegene Partei nicht freiwillig, muss der Schiedsspruch von einem staatlichen Gericht für vollstreckbar erklärt werden. Die Vorschriften hierfür sind durch eine Gesetzesänderung vor einigen Jahren wesentlich vereinfacht worden. Allein zuständig ist in Deutschland das Oberlandesgericht (in Berlin das Kammergericht) am Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens. Die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche erfolgt nach dem New Yorker UN-Übereinkommen, einem völkerrechtlichen Vertrag, den alle wichtigen Länder ratifiziert haben.

Dass Schiedssprüche von staatlichen Gerichten nicht anerkannt werden, ist dagegen relativ selten. Vollstreckungshindernis Nummer eins ist meist die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung. Daher sollten vertragliche Schiedsklauseln auch besonders sorgsam formuliert werden. Zunächst sollte man klarstellen, ob das Verfahren durch eine der etablierten Schiedsorganisationen durchgeführt werden soll oder ob die Parteien es ad hoc, also beim Auftreten eines Streitfalls in Eigenregie, organisieren wollen. Letzteres ist oft problematisch; auf jeden Fall sollte dann die im Streitfall geltende Verfahrensordnung bereits in der Schiedsklausel detailliert festgelegt werden.

Außerdem wichtig: der Schiedsort und – in Fällen mit Auslandsbezug – die Verfahrenssprache und die Frage, welches materielle Landesrecht gilt. Auch die Grundsätze, nach denen die Beweisermittlung stattfinden soll, sind eine Regelung wert, besonders wenn Parteien oder Schiedsrichter aus dem angloamerikanischen Rechtskreis beteiligt sind. Denn gerade das amerikanische Beweiserhebungsrecht unterscheidet sich grundlegend von dem der deutschen Zivilprozessordnung. Zugelassen ist dort zum Beispiel der „Ausforschungsbeweis“, der darauf abzielt, bestimmte Tatsachen in Erfahrung zu bringen, die einen genaueren Vortrag oder die Benennung weiterer Beweismittel überhaupt erst ermöglichen. Dazu reichen in der Regel unsubstantiierte Behauptungen oder vage Vermutungen, die ein deutsches Unternehmen letztlich zur Preisgabe von Betriebsgeheimnissen zwingen können. In der Schiedsklausel sollte dies nach Möglichkeit ausgeschlossen werden.

Unverzichtbar ist schließlich eine Klarstellung, dass die Streitigkeiten einer unabhängigen und unparteilichen Instanz übertragen werden – und zwar unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs. Häufiger Fehler: Vereins- oder Verbandsgerichte werden in der Satzung zwar als „Schiedsgerichte“ bezeichnet. Gleichzeitig wird aber geregelt, dass das Gremium mit Mitgliedern des Vorstands oder eines anderen Vereinsorgans zu besetzen ist oder dass eine zivilrechtliche Klage zur Überprüfung des Schiedsspruchs zulässig bleibt. In solchen Fällen sind die Voraussetzungen an ein unabhängiges Schiedsgericht im Rechtssinne nicht erfüllt. Ein staatliches Gericht würde den Antrag auf Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs zurückweisen.

Der Autor ist promovierter Rechtsanwalt und Notar in Berlin/New York City mit dem Tätigkeitsschwerpunkt nationales und internationales Wirtschaftsrecht (www.anwaltskanzlei-rodegra.de).

Jürgen Rodegra

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