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Wirtschaft: Rechtsschutz: Vor dem Richter erst zum Schlichter

Gerlind Meier will keine Betriebskosten für den Fahrstuhl zahlen. Karl Schulze verlangt von seinem Nachbarn Schadensersatz, weil der seine Hecke beschnitten hat.

Gerlind Meier will keine Betriebskosten für den Fahrstuhl zahlen. Karl Schulze verlangt von seinem Nachbarn Schadensersatz, weil der seine Hecke beschnitten hat. Man sieht sich vor Gericht? Nicht unbedingt. Seit dem 1. Januar 2000 gilt: Erst zum Schlichter, dann zum Richter. Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu 750 Euro, in nachbarrechtlichen Auseinandersetzungen und bei bestimmten Ehrverletzungen müssen die Kontrahenten nun zunächst eine Schlichtungsstelle anrufen. Das soll die Justiz entlasten.

Klagen darf man nur nach einem erfolglosen Schlichtungsverfahren. Nachteile soll der Rechtsuchende dabei nicht erleiden: die Verjährung wird durch das Güteverfahren unterbrochen, aus einer Schlichtungsvereinbarung kann auch die Zwangsvollstreckung betrieben werden.

Die Schlichtung läuft folgendermaßen ab: Ein Antrag bei einer anerkannten Gütestelle, in dem die Streitsache und das Verhandlungsziel dargestellt werden, leitet das Verfahren ein. Der Schlichter, meist ein Notar oder entsprechend zugelassener Rechtsanwalt, lädt zum nicht öffentlichen Schlichtungstermin. Hier erörtert er den Parteien die Sachlage und macht Vorschläge für eine gütliche Einigung. Ist das Gespräch erfolgreich, protokolliert der Schlichter den Vergleich. Andernfalls können die Parteien nun den üblichen Rechtsweg einschlagen. Die Kosten betragen je nach Bundesland und Verfahrensgang zwischen zehn und 130 Euro. Mittellose Parteien erhalten beim Amtsgericht staatliche Leistungen.

Ob und wie das Gesetz eingeführt wird, bleibt den Ländern überlassen. In Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt gibt es bereits ein Ausführungsgesetz, in Berlin oder Niedersachsen wird noch am Gesetzentwurf gefeilt. Obwohl in Berlin bereits seit zwei Jahren ein Entwurf vorliegt, ist nach Angaben des Justizsenats noch offen, wann in der Hauptstadt Streitschlichtung zur Pflicht wird. Dennoch müssen Berliner nicht auf die außergerichtliche Streitbeilegung verzichten. Gemeinsam mit dem Kontrahenten kann man einen Rechtsanwalt, Verbraucherberatungsstellen oder Einrichtungen der Kammern, Innungen und Berufsverbände anrufen.

Die Erwartungen an das Schlichtungsgesetz haben sich bislang nicht erfüllt, sagt Helga Wullweber von der Rechtsanwaltskammer Berlin. Anwälte umgingen die Mediation häufig durch das Mahnverfahren. Dieses gesetzliche Schlupfloch lässt es zu, ohne Schlichtungsversuch zu einem Vollstreckungstitel zu gelangen. Der Umweg über das Mahnverfahren führt aber vielfach zu einer erheblichen Verfahrensverlängerung, klagt Wullweber. Ihrer Ansicht nach steht das, was die Justiz bei den wenigen erfolgreichen Schlichtungen einspart, in keinem Verhältnis zu dem zusätzlichen Aufwand erfolgloser Schlichtungen.

Brunhild Stelter

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