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Wirtschaft: Reform der EU-Strukturhilfen scharf kritisiert

BONN (vos/HB).Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) und sein bayerischer Kollege Otto Wiesheu (CSU) haben die Reformvorhaben der EU-Kommission zur Strukturpolitik scharf kritisiert.

BONN (vos/HB).Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) und sein bayerischer Kollege Otto Wiesheu (CSU) haben die Reformvorhaben der EU-Kommission zur Strukturpolitik scharf kritisiert.Auf einer Diskussionsveranstaltung des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) am Donnerstag in Bonn erklärte Rexrodt, die Mitgliedstaaten der EU müßten auch nach der Reform eigene Kompetenzen bei der Wirtschaftsförderung behalten.

Ein ausreichender Spielraum für die nationale Strukturförderung sei angesichts "deutlich schrumpfender EU-Fördergebiete" unverzichtbar.Eine Reduzierung der europäischen Förderregionen sei zwar grundsätzlich richtig.Für die Bundesregierung sei jedoch nicht hinnehmbar, daß die Kommission die Fördergebiete in Westdeutschland um 42 Prozent verringern wolle.

Zudem sei es "vom Grundsatz her nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar", wenn die Förderregionen zu einem gewichtigen Teil von Brüssel aus festgelegt würden.Nach diesem Prinzip soll die Gemeinschaft nur in solchen Bereichen tätig werden, in denen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend durchgeführt werden können.Der Minister mahnte ferner an, das Bürokratieproblem endlich in den Griff zu bekommen.Der Kommissionsentwurf werde den hohen Erwartungen hinsichtlich einer Vereinfachung der Prozeduren nicht gerecht.Vielmehr sei zu befürchten, daß auch künftig noch mehr Bürokratie eine effiziente Förderung beeinträchtigen werde.Mehr Effizienz brächte ohnehin eine Verringerung der Fördersätze, so der FDP-Politiker.Wenn die Eigenbeiträge einer Region für ein Projekt stiegen, werde es dort auch umso strenger geprüft.Rexrodt fügte hinzu, daß Deutschland zwar auch zukünftig "seinen Anteil tragen" werde.Dennoch sei damit keineswegs klar, ob Deutschland auch weiterhin den hohen Nettobeitrag an den EU-Haushalt bezahlen werde.

Auch der bayerische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu forderte die EU-Kommission dazu auf, den Ländern "Spielräume und Instrumente" für eine eigenständige Strukturpolitik zu überlassen.Der finanzielle Rahmen der europäischen Strukturfonds sei zu hoch und gehe zu Lasten der deutschen Steuerzahler

DIHT-Hauptgeschäftsführer Franz Schoser unterstützte ausdrücklich die Forderungen der Wirtschaftsminister, jedem Mitgliedsland der Europäischen Union eigene Möglichkeiten der Strukturförderung zu belassen.

EU-Kommissarin Monika Wulf-Mathies wies die Kritik hingegen zurück.Sie betonte, Deutschland werde "zu den Gewinnern der Reform gehören".Durch sogenannte "weiche Kriterien" könnten alle Mitgliedstaaten ihre Förderregionen festlegen.Diese Kriterien erlaubten, auf nationale und regionale Besonderheiten einzugehen.Den Mitgliedern bliebe ein eigener Förderungsspielraum.

Zudem blieben die neuen Bundesländer aller Voraussicht nach weiterhin in der höchsten Förderstufe der EU.Für die alten Bundesländer verhindere ein "Sicherheitsnetz" trotz im EU-Vergleich erheblich günstigerer wirtschaftlicher Rahmendaten einen überdurchschnittlichen Abbau der europäischen Förderung.

Trotz der Vorwürfe nannte Rexrodt die Pläne der EU-Kommission "eine im großen und ganzen gute Grundlage für die laufenden Verhandlungen".Die neuen Bundesländer blieben auch nach der Reform acht Jahre in der höchsten Förderstufe.Die Regierung unterstütze grundsätzlich den Plan einer Konzentration der Förderungsmaßnahmen.

Strukturhilfen

Die Europäische Union verwaltet drei sogenannte Strukturfonds, mit deren Hilfe die regionalen wirtschaftlichen Unterschiede in Europa ausgeglichen werden sollen.Zur Zeit gibt die EU etwa 36 Prozent ihres Budgets dafür aus.Verteilt werden die Mittel nach Bedürftigkeit: Der Osten Berlins und die neuen Bundesländer hatten bislang als sogenanntes "Ziel-1-Gebiet" den höchsten Anspruch auf EU-Hilfen.Da der Ostteil Berlins jedoch bald keinen "Entwicklungsrückstand" mehr aufweist, droht die Herabstufung zum "Ziel-2-Gebiet": Solche Gebiete erhalten eine geringere Hilfe "für die Umstellung ihrer Industrie".Ziel-3-Gebiete erhalten nur noch Gelder zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, Ziel-4-Gebiete werden nur bei "vorbeugenden Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit" unterstützt.Für die deutsche Landwirtschaft bedeutender ist die Kategorie "Ziel-5a" und "Ziel-5b".Regionen, die dieser Einordnung entsprechen, bekommen von der EU Geld für "die Anpassung der Agrar- und Fischereistrukturen" sowie für "die Entwicklung des ländlichen Raumes".Die deutsche Agrarwirtschaft erhält zwischen 1994 und 1999 rund sechs Mrd.DM aus dem Ziel-1-Topf, 1,7 Mrd.DM aus dem 5a-Topf und 2,4 Mrd.DM aus 5b-Mitteln.Während Ziel-1-Gelder vor allem in die ostdeutsche Landwirtschaft fließen, helfen die 5b-Gelder westdeutschen Agrargebieten mit geringer Bevölkerungsdichte und hoher Abwanderung.

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