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Wirtschaft: Regierung drückt bei Hartz aufs Tempo

Pläne sollen ohne Abstriche umgesetzt werden – Gesetzentwurf kommt in den nächsten Tagen

Berlin (ce/uwe). Die Reform des Arbeitsmarktes nimmt konkrete Züge an. Im Arbeitsministerium wird – unbeschadet der wachsenden Einwendungen der Gewerkschaften gegen das Konzept von Volkswagen-Vorstand Peter Hartz – mit Hochdruck an einem entsprechenden Gesetzentwurf gearbeitet. Offenbar sind sich SPD und Grüne einig, das Thema Hartz bei den Koalitionsverhandlungen ohne Abstriche in den Vertrag zu setzen. Bereits in wenigen Tagen soll nach Tagesspiegel-Informationen ein Gesetzentwurf fertig sein.

Die Expertenkommission um den Volkswagen-Personalvorstand Peter Hartz hatte Mitte August ein Reformkonzept vorgelegt, mit dem die Arbeitslosigkeit in Deutschland innerhalb der kommenden zwei Jahre halbiert werden soll. Das Konzept sieht ein Bündel von Maßnahmen vor: Einerseits soll die Vermittlung von Arbeitslosen beschleunigt werden. Andererseits soll die Entstehung neuer Arbeitsplätze durch Steuererleichterungen und Kredite beschleunigt werden.

Die Koalitionäre haben sich darauf verständigt, Hartz „eins zu eins“ umzusetzen. „Da gibt es hoffentlich keinen Streit“, sagt die grüne Arbeitsmarktexpertin Thea Dückert mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten. Im Grundsatz ist man sich einig, nur an einigen Stellen wollen die Grünen etwas weiter gehen als die SPD, etwa bei den Niedriglohnjobs oder der Liberalisierung der Zeitarbeit. Eine Lockerung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes fordert Dückert für alle Vermittlungsunternehmen, die sich an Tarifverträge halten. In der SPD ist das noch umstritten, auch weil die Gewerkschaften massiv Druck machen. Die wollen die gesetzlichen Beschränkungen allenfalls für die Zeitarbeitsfirmen der Arbeitsämter, die so genannten Personal-Service-Agenturen, freigeben.

Finanzmisere bremst Reformen

Diese Gespräche sollen jedoch den ersten offiziellen Termin nicht in Gefahr bringen: Mitte Oktober – in einer der ersten Sitzungen des Parlaments – soll der Entwurf erstmalig im Bundestag behandelt werden. „Den größten Teil bekommen wir gewuppt“, heißt es im Arbeitsministerium, „aber der Teufel steckt im Detail“. Zum 1. Januar des kommenden Jahres soll bereits ein Gesetzespaket mit einem Großteil der erforderlichen Änderungen in Kraft treten.

Der wichtigste Punkt, der auch bei den in der kommenden Woche anstehenden Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen dürfte, ist der der Kosten. Nur dann wenn die Hartz-Vorschläge zumindest in den ersten Jahren nicht viel kosten und dann Geld einbringen, haben sie eine tatsächliche Chance, durch das Parlament und den Bundesrat zu kommen. Sicher ist, dass die Mini-Jobs, die so genannte „Ich AG“ und der Job-Floater teuer werden. Die Mini-Jobs und die „Ich AG“, weil dem Staat dadurch Steuereinnahmen fehlen werden, der Job-Floater, weil er ein Kreditprogramm für Unternehmen ist, die Arbeitsplätze schaffen.

Dagegen steht die Entlastung, die eine schnellere Vermittlung von Arbeitslosen bringt – und möglicherweise sogar die Personal-Service-Agenturen (PSA), in denen Arbeitslose als Zeitarbeiter verliehen werden sollen. Die Unternehmensberatung McKinsey, die Bertelsmann-Stiftung und die Bundesanstalt für Arbeit haben ausgerechnet, dass die PSA tatsächlich viel Geld sparen können – jedenfalls dann, wenn sie keine bestehenden Arbeitsplätze verdrängen: Würden etwa 80000 Personen zusätzlich beschäftigt, könnte der Staat rund 690 Millionen Euro im Jahr sparen – wenn man alles zusammenrechnet. Schon deshalb wird die Koalition alles daran setzen, gegen die Steuererhöhungsdiskussion die Reformdiskussion auf dem Arbeitsmarkt zu setzen.

An einem Gesetzentwurf bastelt derzeit eine Arbeitsgruppe von Staatssekretären verschiedener Ressorts unter der Federführung des Arbeitsministeriums. Für die Umsetzung der Hartz-Vorschläge seien weitreichende Änderungen im Recht der Arbeitsförderung (Sozialgesetzbuch III) notwendig, heißt es in einem Bericht. Relativ unkompliziert lassen sich die Paragrafen ändern, die den Bezug von Arbeitslosengeld regeln. Künftig soll ein Arbeitsloser selbst nachweisen, warum eine Arbeit nicht zumutbar ist. Außerdem sollen die Kriterien strenger gefasst werden, die regeln, was zumutbar ist. Unproblematisch ist auch die Einrichtung der Job-Center, in denen Arbeits- und Sozialämter zusammengefasst und Arbeitslose sowie erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger künftig aus einer Hand betreut werden sollen. Diese Reform geht sogar ohne Gesetzesänderung über die Bühne.

Komplizierter sind dagegen die Regelungen für die „Ich AG“, eine neue Form der sozialversicherungspflichtigen Selbstständigkeit, die vom Arbeitsamt mit Zuschüssen gefördert werden soll. Dafür muss auch das Einkommensteuergesetz geändert werden.

Sozialhilfe bleibt außen vor

Völlig außen vor bleiben in dem Gesetzentwurf die Änderungen bei der Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Die Hartz-Kommission hatte Vorschläge für eine Neuordnung der Leistungen gemacht: Danach sollen künftig Arbeitslose und erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger das so genannte Arbeitslosengeld II erhalten, das aus der Arbeitslosenhilfe hervorgeht. Wie aber die Finanzströme zwischen Bund und Kommunen neu geregelt werden, daran arbeitet im Moment noch die Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen unter Leitung der Minister Eichel und Riester.

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