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Wirtschaft: Regulierungsbehörde: Scheurles Rückzug irritiert die Wirtschaft

Die Bundesregierung hat den Rücktritt des Präsidenten der Regulierungsbehörde für Telekommunikation, Klaus-Dieter Scheurle, bedauert. Die Verbände deuteten den Rückzug dagegen als gefährliches Signal, das Tempo von Liberalisierung und Deregulierung in Deutschland könnte gedrosselt werden.

Die Bundesregierung hat den Rücktritt des Präsidenten der Regulierungsbehörde für Telekommunikation, Klaus-Dieter Scheurle, bedauert. Die Verbände deuteten den Rückzug dagegen als gefährliches Signal, das Tempo von Liberalisierung und Deregulierung in Deutschland könnte gedrosselt werden. Die Aktie der Deutschen Telekom legte über drei Prozent zu.

Nach fast dreijähriger Amtszeit wechselt Scheurle zum 1. Jannuar 2001 zur Investmentbank Credit Swiss First Bosten in Frankfurt. Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) wies Berichte zurück, wonach er Scheurle (CSU) zum Rücktritt gedrängt habe. Er bedaure vielmehr den Schritt, habe aber Verständnis dafür, dass Scheurle aus seinem hervorragenden Ruf privatwirtschaftlich etwas mache. Müller räumte ein, dass gewisse Entscheidungen der Regulierungsbehörde "das eine oder andere Unternehmen im mehrheitlichen Besitz des Bundes nicht immer erfreut haben". Der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) zeigte sich besorgt, dass der Rücktritt negative Folgen für den Wettbewerb haben könnte. Der bisherige Regulierungskurs müsse konsequent fortgesetzt werden, vor allem die Belebung von Wettbewerb im Ortsnetz, forderte der DIHT in Berlin. Ähnlich äußerte sich auch der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten VATM in Köln.

Es ist kein Geheinis, dass Scheurle schon seit geraumer Zeit unter politischen Druck geraten war. Sowohl die Deutsche Telekom wie auch die Post AG haben Scheurle vorgeworfen, er privilegiere die Wettbewerber und belaste die ehemaligen Monopolunternehmen mit zu hohen Auflagen. Offen oder verdeckt haben Telekom und Post dafür auch Unterstützung aus der Politik erhalten. Deutschland sei mit der Privatisierung seiner Staatsunternehmen zu weit gegangen, während andere EU-Länder vergleichbare Schritte noch vermissen lassen. "Das passiert uns nicht noch einmal", heißt es dazu im Bundeswirtschaftsministerium. Müller hat am Freitag noch einmal versichert, für weitere Deregulierung den Grundsatz der Reziprozität zugrunde zu legen: Damit wird das Briefmonopol, das ursprünglich im Jahr 2002 fallen soll, auch nach diesem Datum nicht völlig fallen.

Der Tübinger Ordinarius für Wettbewerbsrecht, Wernhard Möschel, hält diese Position der Wettbewerbspolitik für verfehlt. Die Position von Post und Telekommunikation sei stark genug. Möschel, der lange Jahre an der Spitze der Monopolkommission stand, beklagte im Gespräch mit dem Tagesspiegel, dass der Grundsatz der Reziprozität die Unternehmen und die Verbraucher in Geiselhaft nehme. Auch der Deutsche Verband für Post und Telekommunikation (DVPT) sieht den Wettbewerb durch Scheurles Rückzug massiv beschädigt. "Das ist eine Katastrophe für die Liberalisierung der Post- und Telekommärkte", sagte Manfred Herresthal, der Vorsitzende des Verbandes, am Freitag dem Tagesspiegel. Scheurle habe nach wochenlangem Druck der Deutschen Post AG, der Deutschen Telekom AG sowie des Wirtschafts- und des Finanzministeriums gehen müssen. Herresthal sieht durch die Demission die Regulierungsbehörde beschädigt. Die Verbraucher müssten sich nun auf höhere Preise für Briefe und Telekommunikationsleistungen einstellen. "Zudem ist die Wirkung auf das Ausland verheerend." Der Nachfolger Scheurles müsse das Quasi-Monopol der Telekom im Ortsnetzbereich abschaffen und den Postmarkt weiter liberalisieren.

ank, brö

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